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Ein Beitrag aus dem ECO-News Presseverteiler, der Ihnen von ECO-World.de zur Verfügung gestellt wird. In der Rubrik: Energie & Technik |
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Osnabrück: Privater Strombedarf könnte komplett von den heimischen Dächern gedeckt werden |
Stadt hat ihre Solarpotenziale berechnet. Ergebnisse auf beispielhafte Weise für das Internet aufbereitet. |
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rot = sehr gut geeignet | orange= gut geeignet | gelb = bedingt geeignet © osnabrueck.de/sun-areaKeine zweite Solarstadt in Deutschland kann bislang ein solches Projekt vorweisen: In Osnabrück wurden alle Dächer der Stadt vermessen und auf ihre Eignung für Solaranlagen hin untersucht. Und weil die Stadt nicht nur Daten sammeln, sondern die Bürger auch zur Installation von Modulen und Kollektoren animieren wollte, stellt sie die Daten inzwischen im Internet jedermann zur Verfügung: Auf einem Stadtplan ist jedes einzelne von ungefähr 70.000 Gebäuden farblich gekennzeichnet, je nach dem, wie hoch der zu erwartende Solarertrag jeweils ist.
Wer im Internet die Straße und Hausnummer angibt, kommt sofort zu dem gewünschten Gebäude. Ist dieses rot dargestellt, lassen sich auf dem ausgewählten Dach mindestens 95 Prozent der maximal möglichen Solarstrahlung "ernten", ist es orange, sind immerhin noch mindestens 81 Prozent zu erzielen. Folgt man dem Link "Solareignung", werden zu jedem gewünschten Gebäude die mögliche Modulfläche und der daraus resultierende Jahresertrag in Kilowattstunden ausgewiesen - ansprechender kann den Bürgern die Solarpotenziale ihrer Heimatstadt kaum präsentiert werden. Sun-Area nennt sich dieses Projekt, das von der Stadt angestoßen, und von der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Osnabrück ausgeführt wurde.
Zugleich ist es der Stadt mit den Daten nun möglich, den Gebäudebestand nach ausgewählten Kriterien zu durchforsten. So lassen sich zum Beispiel alle geeigneten Flächen von einer bestimmten Mindestgröße errechnen, die in Industriegebieten liegen. Eine solche Datenbank ist hilfreich, weil Investoren in ganz Deutschland längst händeringend nach geeigneten Dächern suchen. Die Stadt Osnabrück selbst hat übrigens schon vor einiger Zeit damit begonnen, Dachflächen städtischer Gebäude externen Investoren zur Verfügung zu stellen. Doch weil die Nachfrage damit nicht annähernd befriedigt werden konnte, versucht sie nun auch private Dachflächen für Investoren zu akquirieren.
Grundlage des Projektes Sun-Area sind Laserscannerdaten, die bereits im Jahr 2005 im Auftrag der Stadt Osnabrück vom Flugzeug aus und 3-D-Geländemodelle (unter anderem für Hochwasserprognosen nutzbar) erhoben wurden. 350 Millionen Höhenpunkte waren damals im ganzen Stadtgebiet ermittelt worden, das sind etwa vier Punkte pro Quadratmeter. Aus diesen Daten errechnete nun die Fachhochschule Osnabrück zum einen die Ausrichtung und Neigung aller Dachflächen, und sie simulierte zudem aufgrund der umstehenden Gebäude und auch der Bäume die jahreszeitlich bedingte Verschattung bei unterschiedlichem Sonnenstand. Ein rechenaufwendiges Verfahren: "Mit manchen Rechenschritten war der Computer drei bis fünf Tage beschäftigt", sagt Ingenieurin Dorothea Ludwig, Mitarbeiterin von Prof. Dr. Martina Klärle, die das mit Mitteln des Niedersächsischen Wissenschaftsministeriums geförderte Projekt geleitet hat.
Am Ende zeigte sich, dass Osnabrück über enorme Solarpotenziale verfügt. Alle gut bis sehr gut geeigneten Dachflächen in der Stadt zusammen genommen, könnten fast 300 Megawatt an Photovoltaikmodulen aufnehmen. Theoretisch ließe sich damit der derzeitige private Stromverbrauch in der Stadt komplett decken, denn die Ausbeute läge bei rund 237 Millionen Kilowattstunden jährlich. Investitionen in Höhe von 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro könnten angestoßen und 128.000 Tonnen Kohlendioxid jährlich eingespart werden, wenn all diese gut oder sehr gut geeigneten Dächer tatsächlich mit Photovoltaikmodulen belegt würden.
Nachdem das Projekt Sun-Area im November 2007 abgeschlossen wurde, startet jetzt das Nachfolgeprojekt Sun-Power: Die Stadt Osnabrück wird in einem kleinräumigen Testgebiet der Stadt alle Eigentümer von gut oder sehr gut geeigneten Dachflächen persönlich anschreiben, und ihnen ein kostenloses Beratungsgespräch durch erfahrene externe Berater über die Möglichkeiten zur Nutzung der Dachfläche einladen. "Unser Ziel ist es, dass ein Maximum der geeigneten Dachflächen für Solarenergie genutzt wird", betont Detlef Gerdts, Leiter des Fachbereichs Umwelt.
In den Beratungsgesprächen sollen dann technische Informationen zu den unterschiedlichen Photovoltaikmodulen, zur Statik des Gebäudes, zu Einspeisevergütungen und zur Wirtschaftlichkeit, sowie zu Vor- und Nachteilen von Eigenbetrieb oder Verpachtung von Dachflächen vorgestellt werden. Mehr als 20.000 Euro Sponsoringmittel zur Finanzierung der Beratungsgespräche sind insgesamt für das von allen Parteien begrüßte Modellprojekt zusammengekommen.
Osnabrück hofft, mit diesem Projekt auch in der Solarbundesliga noch weiter nach vorne zu rücken. Die Solarbundesliga ist ein Wettbewerb, bei dem die Menge der Solarstrom- und Solarwärmeanlagen pro Kopf der Bevölkerung bewertet wird. Unter den Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern steht Osnabrück als beste Stadt in Niedersachsen derzeit bundesweit auf Platz 12. "Angesichts der deutlich geringeren Sonneneinstrahlung gegenüber dem Süden Deutschlands ist dies ein durchaus respektables Ergebnis", findet Ute Fritsch-Riepe, zuständige Energieingenieurin im Fachbereich Umwelt der Stadt Osnabrück.
Die gute Platzierung beruht im Wesentlichen auf dem Anstieg der Photovoltaikanlagen um 65 Prozent im Jahr 2007. Von der ersten Anlage bis zur Überschreitung der 1000-Kilowatt-Marke Ende 2006 hatte es in Osnabrück noch 14 Jahre gedauert. Ende 2007 waren schon 1650 Kilowatt am Netz, und bereits Mitte 2008 ist damit zu rechnen, dass die Stadt die Grenze von 2000 Kilowatt installierter Leistung überschreitet. Gemessen an den vorhandenen Dachflächen ist damit gleichwohl noch nicht einmal ein Prozent der Möglichkeiten ausgeschöpft.
Nachholbedarf besteht jedoch vor allem auch bei der Solarthermie: Mit 6800 Quadratmetern Kollektoren kommt Osnabrück lediglich auf 0,044 Quadratmeter pro Kopf. Ingolstadt als Spitzenreiter unter den Großstädten in der Solarbundesliga erreicht hingegen etwa die zweieinhalbfache Menge - weshalb die Stadt Osnabrück nun von ihrem Projekt nicht nur viele neue Solarstromanlagen erhofft, sondern auch weitere Kollektoren zur Wassererwärmung.
Doch auch andere Städte arbeiten intensiv am Thema Solarenergie, und die Fachhochschule Osnabrück ist auch bereit, das Projekt auf andere Städte zu übertragen - ein Wissenstransfer, der von Anfang an eingeplant war. Deswegen wurde das Rechenmodell auch so gestaltet, dass es möglichst einfach auf die Datensätze anderer Städte eingestellt werden kann: "Man muss lediglich einige Parameter ändern", sagt Wissenschaftlerin Ludwig. So müssen die lokalen Sonnenscheindaten angepasst werden, und je nach Wunsch kann man auch die Vorgaben hinsichtlich der Effizienz der Solarstromanlagen ändern: "In Osnabrück haben wir mit 15 Prozent Wirkungsgrad der Solarmodule gerechnet, doch wenn jemand mit einem anderen Wert rechnen will, ist das auch kein Problem."
Erste Nachahmer haben sich schon gemeldet: Die Städte Braunschweig und Gelsenkirchen, die ebenfalls bereits über Laserscannerdaten verfügen, haben die Osnabrücker Wissenschaftler bereits mit der Berechnung ihres Solarenergiepotenzials beauftragt.
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