Das Eckpunkte-Papier gibt den Interessen von Industrie beziehungsweise Forschung klaren Vorrang, zu Lasten von Gesundheit und Umwelt. Landwirte, Verbraucherinnen und Verbraucher werden die Leidtragenden der mit Steuermilliarden gepäppelten Agro-Gentechnik sein. Haftungsansprüche gegenüber den Schadensverursachern werden durch die Hintertür ausgehebelt, und den gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten werden Beweislasten, Kontrollkosten und Verpflichtungen gegenüber ihren Kundinnen und Kunden in großem Umfang aufgebürdet. Umweltminister Gabriel zeigt eklatantes Desinteresse am Schutz der ihm anvertrauten Umwelt-, Biodiversitäts- und Naturschutzanliegen. Die Verordnung "zur guten fachlichen Praxis" soll sich in Zukunft nur auf die Zielsetzung der "wirtschaftlichen Koexistenz" ausrichten, die Ziele "Umwelt und Gesundheit" fallen weg. Eine "gute" fachliche Praxis darf nicht darauf ausgerichtet sein, dass auf dem Acker ein Verunreinigungswert bis 0,9 Prozent zugelassen wird. Das würde auch gegen EU-Recht verstoßen, da dieser Kennzeichnungsschwellenwert der EU-Verordnung "nur für zufällige oder technisch nicht vermeidbare Verunreinigungen" gilt. Keinesfalls lässt sich daraus ein Freibrief zur Verunreinigung bis zu einem Kennzeichnungsschwellenwert ableiten. Die Wahlfreiheit der Verbraucher wäre auch faktisch zerstört, wenn eine solche Grundverunreinigung zum Normalfall wird. Entgegen seinen Äußerungen im Bundestag macht Seehofer die Verunreinigung zur Regel, statt zur Ausnahme. Die Haftungsregelung wird ausgehebelt. Zu befürchten ist, dass gentechnikfrei und ökologisch wirtschaftende Landwirte keine Schadensersatzansprüche mehr stellen können, wenn die Verunreinigung unter dem Kennzeichnungs-Schwellenwert von 0,9 Prozent liegt. Die Haftung darf auch nicht nur auf direkt benachbarte Felder beschränkt werden. Die Verbraucherrechte auf Transparenz und Öffentlichkeit werden erheblich eingeschränkt. Das Standortregister wird nicht mehr flurstückgenau geführt, sondern nur Angaben zur Gemarkung enthalten. Und bei Forschungsexperimenten soll die Öffentlichkeit durch unbegrenzt gültige "vereinfachte Verfahren" in Zukunft von Informationen ferngehalten werden. Dabei zeigten die Auswertungen zu Feldzerstörungen gerade, dass die Geheimhaltung zur solchen Aktionen führt und gerade nicht die Transparenz. Die Forschung - meist eng verbandelt mit Industrie und Wirtschaftsinteressen - wird weitgehend von Sorgfaltspflichten und Verantwortung entbunden, zu Lasten von Umwelt und Verbraucherinteressen. Freisprechung von Haftungspflichten auf Kosten der Öffentlichen Hand, Verringerung von Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung, die Verlagerung von Sorgfaltspflichten auf die Bauern werden dazu führen dass die Forschung, die die Industrieinteressen verfolgt, die Anforderung an Sorgfalt und Ethik noch weiter ignorieren. Unsere Kritik im Einzelnen: 1. Haftung wird ausgehebelt A) der "offene Tatbestand der wesentlichen Beeinträchtigung ("insbesondere") soll gestrichen und durch eine abschließende Aufzählung ersetzt werden, d. h. dass möglicherweise Landwirte dann keinen Anspruch auf Schadensersatz mehr haben, wenn Ölmühlen oder andere Lebensmittelverarbeiter Erzeugnisse, die unterhalb des Schwellenwertes verunreinigt sind, nicht oder nur zu schlechteren Bedingungen abnehmen. Heute ist es aber schon gängige Praxis, dass die Abnehmer größtmögliche Freiheit von Verunreinigungen verlangen. b) Weiterhin werden in dem Papier Änderungen zur "gesamtschuldnerischen Haftung" angedeutet, bei der die "Größe und Lage" der jeweiligen Felder berücksichtigt werden sollen. Hier wird versucht, den Kreis der möglicherweise bei Haftungsfällen zur Rechenschaft heranzuziehenden Agrogentechnik-Anwendern zu reduzieren und die Beweislast dem Geschädigten aufzubürden. c) Insbesondere in der Nähe von Forschungsexperimenten drohen Verunreinigungen mit illegalen Genkonstrukten durch die Haftungserleichterungen der Forschung. 2. Ignoranz des Schutzes von Umwelt, Gesundheit und Naturinteressen Die "gute fachliche Praxis" soll eingeschränkt werden auf die Ziele "wirtschaftliche Koexistenz", die Ziele Umwelt und Gesundheit fallen weg. Die Verunreinigung von Feldern, Lebensmitteln und Umwelt und Natur soll als Regelverunreinigung bis zu einem Schwellenwert von 0,9 Prozent zugelassen werden - unseres Erachtens ein Verstoß gegen das EU-Recht. Abstandsregelungen etwa für Genmais sollen nur 150 Meter betragen. Das ist viel zu wenig, 10 von 11 EU-Länder sehen Abstände ab 200 Meter vor. Bienen transportieren Genveränderungen über Kilometer hinweg. Dieser Auskreuzungsproblematik wird nicht ausreichend Rechnung getragen. 3. Einschränkung von Transparenz und Öffentlichkeit Im Standortregister werden die Angabe nicht mehr flurgenau geführt, sondern nur noch die Gemarkung angegeben. Bei Forschungsexperimenten sollen unbegrenzte "vereinfachte Verfahren" Öffentlichkeit und Transparenz verhindern. 4. Vorfahrt für Agro-Gentechnikforschung zulasten von Mensch und Umwelt Die Verunreinigung von Nachbarfeldern und Natur mit nicht zugelassenen Genkonstrukten wird ermöglicht, wenn auch eingeschränkt dadurch, dass diese kontaminierten Produkte nicht in die Nahrungsmittelkette gelangen dürfen. Der Bund soll - so lautet der Prüfauftrag - die Haftung für die Forschung übernehmen (wenn diese mit öffentlichen Mitteln mitfinanziert ist). Die Einführung des vereinfachten Verfahrens soll als Dauerlösung festgeschrieben werden. Damit werden Haftungsansprüche, Kontrollaufgabe, Öffentlichkeitsbeteiligung, Überprüfung und das vorgeschriebene Monitoring erheblich erschwert. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit soll Leitlinien erarbeiten mit dem Ziel, Zulassungsverfahren von Forschungsfreisetzungen zu erleichtern - dabei wäre Aufgabe dieses Bundesamtes der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Forschungsauskreuzungen, und nicht umgekehrt.
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