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Umwelt & Naturschutz   
Klimapolitik: Von Null auf Neunzig in vierundvierzig Jahren
Mithilfe eines Klima-Masterplans könnte die Schweiz ihre Treibhausgase um 90 Prozent reduzieren
Noch hofiert die Schweizer Politik die Interessen der Erdölindustrie und mauert bei Gesetzen, die das Klima wirksam schützen könnten. Würde der Klima-Masterplan einer Allianz aus 51 Organisationen umgesetzt, könnten die helvetischen Treibhausgase bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent reduziert werden. Von Patrick Hofstätter, WWF Schweiz

Vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel und des Stillstands in der nationalen Klimapolitik haben sich 51 Organisationen aus den Bereichen Entwicklungshilfe, Konsumentenschutz, Kirchen, Fachverbände, Gewerkschaften, Parteien und Umweltschutz zur Allianz für eine verantwortungsvolle Klimapolitik zusammengeschlossen. Gemeinsam vertreten sie 1,8 Millionen Mitglieder, einen relevanten Teil der Zivilgesellschaft in einem Land mit 7,4 Millionen EinwohnerInnen. Die Klimaallianz will keine Minikompromisse, sondern eine aktive Klimapolitik der Schweiz. Die Herausforderung ist klar: Nur wenn die weltweite Erwärmung unter zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Mitteltemperatur bleibt, können verheerende Folgen auf Mensch und Natur abgewendet oder abgemildert werden. Die Ausbreitung von Krankheiten, die veränderten Niederschlagsmuster, die damit einhergehenden Ernteausfälle und die daraus resultierenden Flüchtlingsströme wiegen schwer. Abschmelzende Gletscher und Pole und die Bedrohung eines Drittels aller Arten verändern die Lebensbedingungen grundlegend. Für den Alpenraum bedeutet eine weltweite Erwärmung um zwei Grad sogar einen Temperaturanstieg um vier Grad und das weitgehende Abschmelzen sämtlicher Gletscher.

Kyotoprotokoll muss weiterführt werden

Bereits die heutigen Konzentrationen an Treibhausgasen bergen ein erhebliches Risiko, dass die Obergrenze von zwei Grad überschritten wird. Verschiedene Modelle zeigen, dass eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2050 genügen könnte, um die Erwärmung trotzdem unter zwei Grad zu halten, da das Klimasystem mit einer großen Trägheit reagiert.
Ein von vielen internationalen Experten favorisierter Mehrstufenansatz sieht vor, dass die Industrieländer und die Länder der ehemaligen Sowjetunion ihre Emissionen um rund 90 Prozent bis 2050 reduzieren müssen, während Entwicklungsländer mit niedrigen Pro-Kopf-Emissionen entsprechend ihrem Entwicklungsstand zur Stabilisierung des Klimas beitragen müssen. Für die Fortschreibung des Kyotoprotokolls sollen die Schweiz und alle Industrieländer ein Emissionsziel von 30 Prozent bis 2020 aushandeln. Wichtig ist, nicht aus den Augen zu verlieren, auch die Schwellen- und Entwicklungsländer einzubinden.

Schweiz zögert wirksame Gesetze hinaus

Die Schweizer Klimapolitik tritt jedoch auf der Stelle. Seit 1990 konnten die Treibhausgasemissionen lediglich stabilisiert werden, obschon das im Jahr 2000 in Kraft getretene CO2-Gesetz eine Reduktion der Kohlendioxidemissionen um zehn Prozent bis 2010 vorsieht. Damit könnte die Schweiz auch ihre Reduktionsverpflichtung im Rahmen des Kyotoprotokolls, das acht Prozent anpeilt, erfüllen. Das Gesetz strebt an, dass den freiwilligen Maßnahmen Vorrang gegeben werden soll. Falls diese nicht die nötigen Reduktionen bringen, soll eine CO2-Abgabe auf fossile Energieträger erhoben werden. Geplant war, die Erträge der Abgabe als Rabatt auf die Arbeitgeberbeiträge an die Altervorsorge und als Pro-Kopf-Bonus an die Bevölkerung rückzuverteilen. Diese Minivariante einer ökologischen Steuerreform haben Regierung und der Nationalrat jedoch bis heute hinausgezögert.
Die Schweiz hat europaweit gesehen sehr niedrige Heizöl- und Benzinpreise und die Erdölwirtschaft profitiert vom Benzintourismus aus den Nachbarländern. Unterstützt von den Auto- und Straßenverbänden hat sie den Bundesrat davon überzeugen können, dass ausgerechnet Benzin und Diesel von einer CO2-Abgabe befreit werden sollen.
Mit einem symbolischen Aufschlag von einen Eurocent pro Liter Kraftstoff werden Emissionszertifikate aus Entwicklungsländern gekauft, und um sich eine politische Mehrheit zu sichern, auch einige Klimaschutzprojekte in der Schweiz subventioniert. Die dafür zuständige Klimarappenstiftung agiert dabei als private Organisation und verletzt damit das schweizerische Wettbewerbsrecht. Einer dreistufigen CO2-Abgabe auf Heizöl und Erdgas von je 12 Franken pro Tonne Kohlendioxid hat der Nationalrat immerhin zugestimmt. Ob der Ständerat diese Kompromisslösung bis zum Jahresende ebenfalls akzeptiert, ist unsicher. Die Ziele des CO2-Gesetzes wird die Schweiz damit jedenfalls nicht mehr erreichen können.

Ein Instrumentarium für das Klima

Eine Vielzahl von Studien hat es gezeigt: Eine Schweiz, die mit einem Drittel des heutigen Energieverbrauchs und einem Zehntel des heutigen Konsums an fossilen Energien auskommt, ist technisch und ohne Komforteinbußen möglich. Keine dieser oftmals universitären Studien hat aber bisher aufgezeigt, wie diese neuen Technologien und Lebensformen Realität werden können. Die Klimaallianz hat deshalb mit ihrem Klima-Masterplan nicht nur die Zielvorgaben hergeleitet und festgelegt, sondern auch die politischen Instrumente zur Umsetzung benannt. Diese reduzieren wirkungsvoll Treibhausgase und sind wirtschaftlich effizient, sozial gerecht sowie politisch machbar. Dabei sollen sie die Rahmenbedingungen positiv beeinflussen und damit einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen. Als Hauptinstrument wird eine dynamische zielorientierte Lenkungsabgabe auf möglichst alle Treibhausgase favorisiert. Da in der Schweiz nicht die Grundstofffabriken, sondern die Haushalte für mehr als die Hälfte der Emissionen verantwortlich sind, ist dies ein äußerst effizientes Steuerungsinstrument.
Daneben schlägt der Plan eine Politik vor, die dafür sorgt, dass die klimafreundlichste Technik produziert und gekauft wird, klimaschädliche Prozesse verteuert und Anreize gegeben werden, Klimakiller zu ersetzen. Darunter fallen beispielsweise eine distanz- und fahrzeugabhängige Verkehrsabgabe, verbrauchsabhängige Fahrzeugsteuern, Verschrottungsprämien für "Dreckschleudern" und höhere Importsteuern auf "durstige" Fahrzeuge. Wirksame Instrumente sind weiters, Start- und Landerechte für Flugzeuge zu versteigern und ein System mit handelbaren Emissionsrechten einzuführen. Die Ausgaben für die energetische Sanierung von Gebäuden sollten auf fünf Jahre verteilt von der Steuer abgezogen werden können. Zudem wäre es klimaschonender, Elektroheizungen durch umweltfreundlichere Technologien zu ersetzen und den Verbrauch von Elektrogeräten im Stand-by-Modus auf 0,5 Watt zu begrenzen.

60 Prozent Reduktion bis 2025 möglich

Würde der vorgeschlagene Klima-Masterplan in nationales und kantonales Recht umgesetzt, so könnten die Treibhausgasemissionen bis 2025 sogar um mehr als 60 Prozent reduziert werden. Da die Schweiz viele energieintensive Güter importiert und viele energieextensive Güter wie Finanz- und Versicherungsdienstleistungen exportiert, fällt ein erheblicher Teil der Emissionen im Ausland an. Einen relevanten Anteil daran macht der Flugverkehr aus. Die Schweiz muss auch hierfür die Verantwortung übernehmen und entsprechende Reduktionsmaßnahmen im Ausland finanzieren. Dies soll Schwellen- und Entwicklungsländern helfen, zukünftig Mitverantwortung für die globalen Emissionen übernehmen zu können. Die Klimaallianz fordert in einem Manifest vom Bundesrat, dass die Ziele des Klima-Masterplans in nationales Recht aufgenommen werden und der vorgeschlagene Instrumentenkatalog möglichst umfassend umgesetzt wird. Denn das Klima wartet nicht

Dr. Patrick macht Klimapolitik beim WWF Schweiz und koordiniert die Allianz für eine verantwortungsvolle Klimapolitik.

Kontakt: Dr. Patrick Hofstätter
E-Mail: patrick.hofstätter@wwf.ch

Erschienen in punkt.um 10/2006
www.oekom.de/nc/zeitschriften/punktum/aktuelles-heft.html
 
Quelle: oekom verlag, D-80337 München
http://www.oekom.de
obermayr@oekom.de
    

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