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Mode & Kosmetik   
Haarige Haarspaltereien mit Henna
Haare spalten im Namen der Wissenschaft
Gefärbte Haare sind nichts Neues in der Geschichte der Menschheit. Nachgewiesenermaßen färbten sich schon die Ägypter die Haare mit Henna: ein rot färbendes Pulver des Hennastrauchs (Lawsonia inermis), der seinen Ursprung wahrscheinlich in Indien hat, aber auch in Ostafrika, Nordaustralien und Lateinamerika wächst. Jahrtausende also nutzten Frauen, aber auch Männer Henna als Haarfärbe- und Haarpflegemittel sowie zur Körperbemalung. Ab etwa Mitte der 1990er Jahre aber brachten medizinisch-chemische Studien Henna ins Gerede. Der Henna-Farbstoff könne das Erbgut schädigen.

Henna enthält den natürlichen Farbstoff Lawson (2-Hydroxy-1,4-naphthochinon), genannt nach dem Botaniker Lawson, der 1709 den altbekannten Hennastrauch für die westliche Wissenschaft "entdeckte". Inzwischen können Chemiker den Henna-Farbstoff künstlich herstellen. Aber dieses künstliche Lawson trug ab Mitte der 1990er Jahre zur Verunglimpfung von Henna bei. So kam das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Jahr 2001, "Basierend auf einem Gutachten des wissenschaftlichen Kosmetikausschusses (SCCNFP) der EU (SCCNFP/0385/00 vom 13. März 2001) sowie auf Zusammenfassungen eines Dossiers, das der EU-Kommission von der European Cosmetic Toiletry and Perfumery Association (COLIPA) im Mai 1996 vorgelegt worden war", zum Schluss, dass der Henna-Farbstoff als "erbgutschädigend (genotoxisch) in vitro und in vivo" eingestuft werden müsse.

Zwei Jahre später (Januar 2003) revidierte dann das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aufgrund neuerer Untersuchungen seine früherer Einschätzung zum Henna-Farbstoff und gelangte zur Auffassung, "dass von Lawson nach heutigem Wissen kein erbgutschädigendes Risiko für den Menschen ausgeht." Diese Auffassung vertritt das BfR noch heute, obwohl der wissenschaftliche Kosmetikausschuss der EU (SCCNFP) im letzten Gutachten vom 16.2.2004 weiterhin der Meinung ist, dass Lawson erbgutschädigend und mutagen wirken könne.

Interessant dabei zu wissen ist, woher der Gegenwind gegen Henna weht: Die Vereinigung, die die "wissenschaftlichen" Studien der EU vorlegte, die European Cosmetic Toiletry and Perfumery Association (COLIPA), ist nämlich schlichtweg die Interessenvertretung der (konventionellen) Kosmetikindustrie. "Colipa ist die europäische Handelsorganisation, die die Interessen der Kosmetik, Toilettenartikel und Parfum-Industrie vertritt und wurde 1962 gegründet als Sprachorgan einer 58,1 Milliarden Euro (schweren) Industrie", so die Selbstdarstellung dieses Verbandes, dessen Mitglieder faktisch alle bekannten Kosmetikindustriemarken und Konzerne wie Unilever, Procter & Gamble, Henkel und Co. sind.

Henna geriet aber auch noch in die Schusslinie anderer Wissenschaftler und führt so zu negativen Schlagzeilen. So kam gleichfalls vor ein paar Jahren auf, Henna-Tatoos könnten teilweise tödlich verlaufende Allergien und Gesundheitsschäden hervorrufen. Tatsache dabei ist, dass der Bösewicht nicht der traditionelle Farbstoff ist, sondern nachweislich gesundheitsschädliche und in Europa nicht erlaubte Beimengungen des chemischen, schwarzen Farbstoffs Paraphenylendiamin (PPD). "Reines Henna wird von den meisten Menschen vertragen, jedoch wird dem traditionellen Henna häufig Paraphenylendiamin (PPD) beigemengt, um den Farbton augenscheinlich zu verbessern und eine schnellere Trockenzeit zu erreichen", so eine Stellungnahme des Klinikums der Universität München, 2002. "PPD ist ein schwarzer Farbstoff, dessen hohes Sensibilisierungspotenzial als Kontaktallergen belegt ist. Als Haarfärbemittel ist es seit Jahrzehnten in Deutschland verboten und lediglich für bestimmte industrielle Zwecke in einer Konzentration bis zu 6 Prozent zugelassen." Paradox: PPD-haltige Kosmetikprodukte aus Nicht-EU-Ländern dürfen importiert und in der EU verkauft werden. Nichtsdestoweniger wird dieses gesundheitsschädliche Produkt vor allem in den Ländern massenhaft verkauft, wo die Verwendung des an sich die Haut pflegenden Henna eine lange Tradition hat - mit ernsten Folgen. Wie das deutsche Ärzteblatt 2001 recherchierte, starben in Sudan und Kuwait zwischen 1985 und 1996 mindestens 35 Säuglinge innerhalb von 24 Stunden eines qualvollen Todes, weil sie - unwissentlich - mit PPD-Henna eingefärbt wurden. Die Dunkelziffer der PPD-Opfer in Afrika und Südasien dürfte dabei noch viel höher liegen.

Blasenkrebs durch chemische Haarfarben?

Doch zurück zum Haare färben und hin zu den künstlichen Haarfarben, die möglicherweise Blasenkrebs auslösen. Eine Studie aus Kalifornien schien dies 2001 klar bewiesen zu haben. Wer sich dauerhaft die Haare färbt, habe ein deutlich erhöhtes Risiko für Blasenkrebs. Es war eine Studie, die keinen einzigen Tierversuch benötigte. Die Krebsforscherin Manuela Gago-Dominguez von der Universität Südkaliforniens hatte "lediglich" Daten von 897 Patienten mit Blasenkrebs und ebenso vielen Patienten ohne Krebs als Kontrolle ausgewertet, und die Studie im International Journal of Cancer veröffentlicht. Ergebnis: Frauen, die sich mindestens einmal im Monat mit permanenten Mitteln die Haare färbten, hatten ein 2,1-fach höheres Risiko, Harnblasenkrebs zu entwickeln, als Frauen, die sich nicht die Haare färbten. Wer sich den Chemie - Cocktail der Kosmetikbranchen über 15 Jahre lang in die Haare schmierte hatte noch eine viel größeres Krebsrisiko. Am häufigsten hatten Friseure Blasenkrebs bekommen, die die chemischen Farben ihren Kundinnen verabreichten.

Inzwischen gibt es Zeitschriften und die Kosmetikindustrie, die "Entwarnung" rufen. Die besagte Studie aus Kalifornien sei veraltet und neuere Studien würden keinen Zusammenhang mehr zwischen Blasenkrebs und konventionellen Haarfarben finden. Die Kritik an der Studie der Krebsforscherin Manuela Gago-Dominguez zielt darauf ab, dass sich ihre Ergebnisse auf Haarfärbemittel beziehen, die in den 1960er und 1970er Jahren verwendet wurden. Denn die Entstehung von Blasenkrebs - also der Zeitdauer zwischen dem Kontakt mit der krebserregenden Substanz bis zum Auftreten der Krankheit - dauere im Durchschnitt 38 Jahre, berichtet der Mediziner Albert Nienhaus von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Aber, so eine Stellungnahme des BfR vom 14. September 2004: "Es liegen über die Zusammensetzung der in den USA zum Zeitpunkt der Exposition verwendeten Haarfarben keine sicheren Informationen vor." Konkret heißt das aber nichts anderes, als dass die Haarfarbenhersteller nicht mit ihren damals verwendeten Rezepturen herausrücken, während sie gleichzeitig sagen, dass sie heute andere Rezepturen und nur noch gesundheitlich unbedenkliche Stoffe verwendeten. Die Industrie zählt dazu die von anderen Wissenschaftlern als bedenklich eingestuften so genannten aromatischen Amine.

Doch der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) schreibt unbekümmert auf seiner aktuellen Website: "In den vergangenen Jahren wurde in der Presse immer wieder über Studien berichtet, die über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Haarfarben und Blasenkrebs spekulierten. Wissenschaftliche Veröffentlichungen der letzten Monate lassen keinen Zusammenhang zwischen Krebs und Haarfarben erkennen." Der IKW zitierte dazu beispielsweise eine 2005 veröffentlichte "Meta-Analyse an der McGill University in Montreal, die 79 verfügbare Studien prüfte" und eine 2005 veröffentlichte Multicenter-Studie aus Spanien, sowie eine Studie der John A. Burns School, Hawaii, die gleichfalls 2005 "die Sicherheit von Haarfarben" bestätigte.

Zeit heilt nicht alle Wunden...

Dass neuere epidemiologischen Studien in Europa weder für Friseure noch für den Verbraucher ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko finden, ist nichts anderes als logisch und zu erwarten. Denn die Entstehung von Krebs braucht eben seine Zeit. Dann aber könnte es wieder heißen, die Studie sei veraltet und beziehe sich auf Daten von vor 30 Jahren...

Hand aufs Haupt: Man kann heute doch gar nicht mit Sicherheit sagen, ob die jetzt verwendeten Haarfärbemittel wirklich unschädlich sind. Die Diversen von der Industrie finanzierten und oft vom Gesetzgeber geforderten Tierexperimente zur Abschätzung des Gesundheitsrisikos haben - so die persönliche Meinung und Erfahrung des Autors - doch mehr mit systematischer Tierquälerei als mit Wissenschaft und Verbraucherschutz zu tun.

Das BfR schreibt deshalb vorsichtig in einer Stellungnahme des BfR vom 14. September 2004, um nicht ins Fettnäpfchen zu treten: "Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die heute in Europa eingesetzten Haarfarben sicherer geworden sind, bleibt doch ein Verdacht bestehen, dass es zwischen der Anwendung von permanenten Haarfarben und dem Auftreten von Harnblasenkrebs beim Verbraucher einen Zusammenhang geben könnte."

Ein großes Problem bei der Bewertung der Schädlichkeit oder Unschädlichkeit von Haarfarben ist nämlich die Tatsache, dass - im Gegensatz zu Farbstoffen in allen anderen kosmetischen Mitteln - die Verwendung von Farbstoffen als Haarfärbe- und Haartönungsmittel weder in Deutschland noch auf der Ebene der Europäischen Union reguliert ist, so das BfR. "Die Verantwortung für die Prüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der verwendeten Farbstoffe in Mitteln zum Färben und Tönen von Haaren liegt derzeit allein beim Hersteller und Vertreiber." Klartext: Es gibt faktisch gar keine industrie-unabhängige Prüfung der Haarfärbemittel.

Und was bedeutet gesundheitlich unbedenklich überhaupt?

"Das ist wie ein Lotteriespiel", sagt Elmar Richter Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie in München. "In den meisten Fällen repariert der Körper den Schaden an der DNA von selbst. Geschieht dies nicht, kann sich die Zelle zu einer Krebszelle umwandeln, aus der später ein Tumor entstehen kann." Theoretisch reiche eine winzige Menge eines krebserregenden Stoffes aus, um Krebs zu erzeugen. Richter: "Das Ganze läuft nach dem Zufallsprinzip ab. Daher können wir auch keine Grenzwerte angeben, ab welcher Menge oder Konzentration der Stoff schädigt."

Zufall "und" Dosis machen die Wirkung

"Chemische Haarfärbemittel auf der Basis aromatischer Amine stellen ein `vermeidbares umweltmedizinisches Risiko´ dar. Dieses ist durch arbeitsmedizinische Untersuchungen an Friseurinnen belegt", so das Fazit des Umweltmediziners Karl Ernst von Mühlendahl, von der Deutschen Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Osnabrück.

"Allerdings sollten sich Frauen, die nur gelegentlich Haarfärbemittel verwenden, sich deshalb nicht übermäßig viele Gedanken machen: auch hier gilt, dass das Risiko von der Anwendungshäufigkeit, letztlich also von der Dosis, abhängt. Haarfarben auf pflanzlicher Basis bieten nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine mögliche Alternative zu chemischen Produkten, wenn der erkennbare Unterschied im Ergebnis in Kauf genommen wird."

Norbert Suchanek


 
Quelle: Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
http://www.derspatz.de/
derSpatz@t-online.de
    

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