Meeresalgen sind äußerst genügsam und vermehren sich sehr schnell. Sie brauchen vor allem Wasser, Licht, Kohlendioxid, Phosphat und Nitrat. Manche Algen leben im Süßwasser, andere im Meer. Bisher sind rund 36.000 Algen-Arten wissenschaftlich beschrieben. In ihrer Gesamtheit stellen sie die mit wichtigsten Lebewesen unseres Planeten dar. In den Weltmeeren sind sie es, die den Anfang der Nahrungskette bilden, die Futter sind für mikroskopisch kleines, tierisches Plankton wie für riesige Wale. Und in ihrer Masse haben sie auch einen nicht unbedeutenden Einfluss auf unser Klima. Schließlich fangen sie viele tausend Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid ein und bauen es in ihre Zellen ein oder in für andere Lebewesen verwertbare Stoffe um. So sind Algen auch ein traditionelles Nahrungsmittel für den Menschen. Gerade die fischreiche, japanische Küche verwendet Algen seit Jahrhunderten. Das bekannte Sushi wäre ohne das um den Reis gewickelte Algenblatt gar nicht denkbar. Das sie lebenswichtiges Jod enthalten, helfen sie, Jodmangel auszugleichen. Doch Vorsicht! Der Spruch "viel hilft viel" ist auch beim "Meeresgemüse" falsch. Denn wie Fachleute meinen, gibt es nämlich das vermeintliche Paradoxon, dass gerade für Menschen mit Jod-Mangel eine plötzliche Zufuhr von Jodüberschuss zu Schilddrüsenproblemen führen kann. Es empfiehlt sich eine langsame Gewöhnung an Algen für Personen mit Schilddrüsenunterfunktion, um eine Überreaktion zu vermeiden. Ebenso empfiehlt sich, zunächst Algen mit geringerer Jodkonzentration den Vorzug zu geben. Da nicht auf allen Algenprodukten der Jodgehalt angegeben ist, lohnt es, eine Fachfrau oder Fachmann aus dem Naturkosthandel zu fragen. Von Arame bis Wakame Die beliebte Sushi Alge "Nori" beispielsweise zählt zu den Arten mit relativ wenig Jod. Sie ist eine Rotalge, die man in Japan schon seit Jahrhunderten an der Küsten kultiviert. Auch die aus dem Atlantik stammende Dulse zählt zu den Rotalgen und geringe Jodgehalte. In der Bretagne und in Irland isst man sie seit Jahrhunderten. Die Braunalge Wakame verwenden die Japaner gleichfalls schon sehr lange als Speisealge und Delikatesse. Inzwischen wird sie auch in der Bretagne kultiviert. Aus dem Pazifik stammt die Braunalge Arame. Das Besondere an ihr ist, dass sie den Zucker Mannit enthält und einen etwas süßen, milden Geschmack hat. Braunalgen haben generell mehr Jod als Rotalgen. Das gilt ebenso für den so genannten Meeressalat, auch Lattich genannt. Er ist eine Grünalge, die in Frankreich häufig zu Fisch oder im Salat gegessen wird. Egal ob Arame oder Wakame: Wichtig bei allen Algen ist es, dass sie aus unverschmutzten Meeresgebieten stammen, da sie sonst mit Schadstoffen aus unseren industriellen Abwässern belastet sein können. Geheimnisvolle Mikroalgen Während man die Makroalgen, angespült durch die Brandung, gerade von Strandspaziergängen her kennt, sind die Mikroalgen den meisten Menschen noch unbekannt. Sie heißen beispielsweise Spirulina, Chlorella oder Aphanizomenon flosaquae. Die Naturkostbranche kennt sie auch unter dem Sammelbegriff "Uralgen". In der Regel sind sie reich an Proteinen und enthalten darüber hinaus wichtige Elemente wie Eisen, Kalzium, Magnesium, Kalium, Zink und Selen. Spirulina hat auch viel Betakarotin, Folsäure und Chlorophyll. Chlorella wiederum soll einen hohen Vitamin-C-Gehalt aufweisen. Hohe Jodgehalte hingegen sind bei den im Handel befindlichen Mikroalgen faktisch ausgeschlossen, stammen sie doch aus dem Süßwasser oder Süßwasserzucht. Versuche zeigten auch, dass Mikroalgen entzündungshemmend, krampflösend und gefäßerweiternd wirken, dass sie das Immunsystem stärken und mit ihren Antioxidantien vor den "bösen" freien Radikalen schützen können. Kein Wunder also, wenn schon Semmeln mit Chlorella als gesunde "Nahrungsergänzung" gebacken werden, was zumindest im sächsisch-anhaltischen Klötze der Fall ist. In dieser Stadt gibt es nämlich auch die weltweit erste Mikroalgenfabrik. Potsdamer Forscher züchten die Algen dort im großen Maßstab, um sie als "Nachwachsenden Rohstoff" für die verschiedensten Anwendungen zu testen. Algen für Hühner und Autos Denn längst hat auch die moderne Wissenschaft erkannt, dass die vielfältigen "Wasserpflanzen" interessante Rohstoffe und selbst Antibiotika und andere medizinisch wirksame Stoffe herstellen können. "Viele dieser Substanzen können bisher nur auf chemischem Weg hergestellt werden", so Jörg Degen vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Der roten Farbstoff Astaxanthin zum Beispiel, den die Kosmetikindustrie in roten Lippenstiften verwendet. Die Mikroalgenart Haematococcus pluvialis stelle diesen Farbstoff ganz von selbst her. Experimentiert wird auch mit Algen als billiges Futtermittel für die Massentierhaltung. Es könnte eines Tages das vor allem aus Soja hergestellte Kraftfutter ersetzen, hoffen die Forscher. Tests bei Legehennen ergaben eine Steigerung der Legeleistung um fast hundert Prozent bei gleichzeitiger Senkung des Cholesteringehalts im Eidotter um 16 Prozent. Die Wissenschaftler überlegen ebenso, in wie weit sich Algen als Benzin- und Dieselersatz eignen. Und vielleicht heißt es ja eines Tages: Pack die Alge in den Tank! Freilich müsste man bis dahin auch das Platzproblem der Autos und das Problem der unglaublichen Umweltverschmutzung und des immensen Rohstoffverbrauchs für die Herstellung der Autos lösen. Norbert Suchanek
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