Doch soweit sind wir noch nicht. Denn die Kakaobohnen wurden lange Zeit lediglich zu einem Getränk verarbeitet. Und süß schmeckte diese "Götterspeise" schon gar nicht. Tatsächlich waren der erste Kakao oder die erste flüssige Schokolade ungezuckert, sehr herb und bitter. Erst vor rund 150 Jahren wurde die feste Schokolade im englischen Bristol aus Kakaomasse, Kakaobutter und Zucker erfunden. Basierend auf dieser "Ur-Schokoladen-Formel" entwickelten dann um 1850 herum in achtjähriger Forschungsarbeit die Tüftler Daniel Peter und Henry Nestlé die Milchschokolade. Kakao-Plantagen statt Urwald Um die entstehende Nachfrage nach Schokolade in den Industrieländern zu decken, ließen die Kolonialherren zunächst Kakaoplantagen in der atlantischen Bergregenwaldregion Ostbrasiliens anlegen. Später mußten die Regenwälder in Westafrika daran glauben. Dies ist mit ein Grund, warum es nicht nur wichtig ist, wie eine Tafel Schokolade schmeckt, sondern auch, was drin ist. Hinzukommen freilich noch die Probleme mit ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in den Ländern des Südens sowie der umweltschädliche Einsatz chemischer Pestizide in Kakaoplantagen. Deshalb war es ethisch und ökologisch bereits seit Jahren besser und christlicher, auf die billige Schokolade im Supermarkt zu verzichten und stattdessen die Gepa-, Fair-trade- oder Bio-Schokolade mitzunehmen. Im Zeitalter von Gentechnik und bröckelnden Reinheitsgeboten befindet sich der Konsument bei fair gehandelten und mit ökologischen Rohstoffen produzierten "Götterspeisen" erst recht auf der sicheren Seite. Wer will schon eine aus Kostengründen mit Gen-Soja und Fischöl versetzte Schokolade essen? Schokolade als Psycho-Droge Dank der modernen Nahrungsmittelforschung wird es bald nicht nur eine breite Palette von verschiedensten Schokoladevariationen geben, wir wissen jetzt auch, warum wir den Kakao in der Schokolade so gerne mögen. Kakao beeinflußt unser Sexualverhalten, wirkt gegen Depressionen und gegen Stress. Ursache dieser antidepressiven und aphrodisierenden Wirkungen: Im Kakao stecken jede Menge - in Bayern noch nicht verbotene - Psycho-Drogen. Als einer der psychisch wirksamsten Stoffe im Kakao hat die Forschung beispielsweise das Phenylethylamin (PEA) ausgemacht. Schon 1983 testeten Wissenschaftler in Israel PEA an Ratten. Ergebnis: Jedesmal wenn die Ratten PEA bekamen, kopulierten sie miteinander. Daneben findet sich in Kakao - noch in weit größeren Mengen als PEA - das Alkaloid Salsolinol, das ebenfalls Anti-Depressiv wirkt. Dann liefert Kakao noch Anandamide und N-acylethanoamine, und die haben es in sich. Wie die Universität von San Diego in Kalifornien feststellte, haben die beiden Stoffe im menschlichen Gehirn eine sehr ähnliche euphorische Wirkung wie Cannabis. (Anmerkung: Auf die Frage, ob er von der Haschisch-Wirkung von Schokolade gewußt habe, soll Präsident Bill Clinton noch unbestätigten Meldungen zufolge geantwortet haben, daß er die Schokolade immer nur gekaut, aber nicht heruntergeschluckt habe.) Aufgrund dieser Psycho-Drogen ist es also kein Wunder, daß es in der westlichen Welt nicht wenige "Schokoladensüchtige" gibt, die täglich zwei, drei oder gar fünf 100-Gramm-Tafeln Schokolade essen. Eine Untersuchung am Pariser Fernard-Widal-Hospital an 22 Personen, die seit Jahren täglich zwischen 100 und 500 Gramm Schokolade verzehrten, ergab allerdings, daß diese "Schokoladensucht" bei den untersuchten Personen keine nennenswerten negativen Folgen hatte. Sie waren weder zu dick noch hatten sie irgendwelche anderen körperlichen oder psychischen Störungen. Im Gegenteil: Die "Schokoladen-Freaks" waren Physisch und Mental sehr aktiv und ihre Aufmerksamkeitswerte waren sehr hoch. Und egal welchen Beruf sie ausübten, zeigten sie einen hohen Professionalismus in ihrem Job. Der französische Biomediziner Henri Chaveron kommt schließlich nach Sichtung der neuesten Kakaoforschung zum Schluß: "Schokolade ist gut für Dich." Praktisch ohne Nebenwirkungen sei sie die "ideale Soft-Droge". Selbstverständlich wird der Professor an der Universität von Compiegne reine Bio-Schokolade gemeint haben.< Schokolade ohne Reinheitsgebot Erst Bier, dann Spaghetti, nun Schokolade: Die "süßeste" Versuchung seit es den Kakao gibt muß nicht mehr "rein" sein. Die Europäische Union hat pünktlich vor dem Weihnachtsgeschäft das "Reinheitsgebot" für Schokolade in den Papierkorb für überflüssige Verordnungen geworfen. Nun darf EU-weit die Schokoladenmasse neben Kakaobutter bis 5 Prozent fremde Fette - wie zum Beispiel Fischöl oder Gen-Soja-Öl - enthalten. Dieses Mischöl-Produkt darf sich dann weiterhin in der EU Schokolade nennen. Norbert Suchanek Weiterverwendung nur mit Genehmigung des Autors und der Redaktion
Artikel drucken Fenster schließen |