Wie bereits in den vergangenen Jahren, wollte das KBJ mit seiner Veranstaltung den "Baum des Jahres" in einer Region, die ein Schwerpunkt seines natürlichen Vorkommens ist, vorstellen und mit Experten unterschiedlicher Fachrichtungen über den Baum und seine Bedeutung diskutieren. Daher wählte man Wolfach als Tagungsort aus, weil die Weiß-Tanne der "Charakterbaum" des Schwarzwaldes ist. Der Vorsitzende des Kuratoriums, Dr. Silvius Wodarz, konnte rd. 100 Teilnehmer in der Wolfacher Festhalle begrüßen. In Grußworten betonten Landesforstpräsident Dr. Fridolin Wangler und Landrat Klaus Brodbeck, 1. Vorsitzender des Forums Weißtanne e. V., dass sie von der Ausrufung der Weiß-Tanne zum "Baum des Jahres 2004" wichtige Unterstützung für ihre Erhaltung und die nachhaltige Nutzung ihres Holzes als regionale Ressource erwarten. Im Einführungsvortrag stellte Prof. Andreas Roloff (Tharandt), stellvertretender Vorsitzender des KBJ, die Weiß-Tanne als besondere Baumart vor. Unterstützt wurde er dabei von einem "erzgebirgischen Räuchermännchen", dass in der Halle die entsprechende Atmosphäre aus Tannenduft schuf. Roloff bezeichnete die Weiß-Tanne als eine Baumart mit einer Vielzahl von Besonderheiten. Darunter ist die extreme Schattentoleranz in der Jugend sehr bemerkenswert. Sie ist besonders empfindlich gegenüber Luftverunreinigungen, Trockenstress, plötzlicher Freistellung, Wildverbiss, Kahlschlägen und überhaupt allen kurzfristigen Veränderungen ist. Nur Wissen um diese Eigenarten kann sie durch "waldbauliche Behandlung mit Fingerspitzengefühl" erhalten bzw. fördern. Zum Abschluss erklang das Lied "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum" in lateinischer Sprache. Prof. Dr. Jean-Philippe Schütz, ETH Zürich, sprach über die Bedeutung der Weiß-Tanne für den Waldbau und die Nutzung im Forstbetrieb in Mitteleuropa. Die Tanne hat mit ihren besonderen Eigenschaften eine wichtige Rolle als Stabilisator in den Bergmischwäldern Mitteleuropas. Für ihr Holz gibt es viele Verwendungsmöglichkeiten. Die derzeitige Nutzung von Tannenholz entspricht aber leider nicht den vorhandenen Potentialen. Im Bezug auf Umwelteinflüsse und auch ihre waldbauliche Behandlung, bezeichnete er die Tanne als eine "Mimose". Erfreulich ist in diesem Zusammenhang aber ihre große Überlebens- und Regenerationsfähigkeit. Dies hat sie in der Vergangenheit nach verschiedenen Perioden eines "Tannensterbens" bewiesen. Baden-Württemberg und der Schwarzwald sind der Schwerpunkt des Tannenvorkommens in Deutschland. Zweidrittel aller Tannen Deutschlands wachsen in Baden-Württemberg bzw. die Hälfte aller Weiß-Tannen im Schwarzwald. Von Natur aus waren Buchen-Tannen-Mischwälder in den Mittelgebirgen weit verbreitet. Eine besondere Form der Waldwirtschaft im Schwarzwald, das "Plentern", förderte das Vorkommen der Weiß-Tanne. Forstpräsident Meinrad Joos, Freiburg, konnte berichten, dass sich in jüngster Vergangenheit das Vorkommen der Weiß-Tanne in Baden-Württemberg wieder vergrößert hat. Die Tannenaltholzvorräte haben zwischenzeitlich Rekordhöhen erreicht, die eine baldige stärkere Nutzung erfordern. Auch in der Verjüngung sind steigende Tannenanteile festzustellen. Wichtige Voraussetzung dafür ist aber ein Ausgleich von Wald und Wild. In der aktuellen Trockenstresssituation der Wälder in der Region setze man die Hoffnung auf das höhere Regenerationsvermögen der Weiß-Tanne im Vergleich zu anderen Nadelbaumarten. Die Weiß-Tanne ist aber nicht nur im Schwarzwald und im Alpenraum heimisch, sondern auch in den Mittelgebirgen im Osten Deutschlands. Dort hat sie in den letzten 100 Jahren vor allem durch die schädlichen Einflüsse von Schwefeldioxyd und anderer Luftschadstoffen gelitten, so dass sie bis auf wenige Restvorkommen fast ausgestorben war. Dr. Heino Wolf, Landesforstpräsidium Sachsen, berichtete, dass die Tanne in den Ostdeutschen Mittelgebirgen, vor allem Thüringen und Sachsen, von Natur aus einen Anteil von ca. 30 % haben würde. Heute gibt es aber in Thüringen zusammengefasst noch eine Tannenfläche von rd. 150 ha. Ca. 54.000 Exemplare der Tanne in Thüringen sind über 60 Jahre alt. In Sachsen ist der Anteil weit geringer. Dort gibt es nur noch rd. 2.000 Exemplare über 60 Jahre. Auch in Brandenburg bestehen noch drei Reliktvorkommen mit bis zu 100 Exemplaren. In den letzten 15 Jahren ist es aber erfreulicherweise zu einer Renaissance der Weiß-Tanne gekommen, vor allem weil sich die Umweltsituation erheblich verbessert hat. Auch die Umstellung auf einen naturnahen Waldbau unterstützt die Erhaltung der Weiß-Tanne. Große Bedeutung hat für die Wiedereinbürgerung der Weiß-Tanne die Gewinnung geeigneten Vermehrungsguts. Ein großes Defizit besteht im Osten Deutschlands noch bei einer Anpassung der Wildbestände auf eine Höhe, die auch eine natürliche Verjüngung der Weiß-Tanne auf größer Fläche möglich macht. Die Stiftung Wald in Not unterstützt bereits seit einigen Jahren die Wiedereinbürgerung der Weiß-Tanne im Klosterforst St. Marienthal in Oberlausitz und wird in diesem Jahr ebenfalls die Pflanzung von Tannen im Stadtwald Zittau fördern. Für die Erhaltung einer Baumart ist deren nachhaltige Nutzung von besonderer Bedeutung. Dr. Udo Sauter von der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg, stellte daher die besonderen Eigenschaften des Weiß-Tannenholzes vor und berichtet über Konzepte, die in Baden-Württemberg zur Förderung der Verwendung der Weiß-Tanne entwickelt wurden. Wichtig ist ein Marketing, dass die besonderen Eigenschaften des Tannenholzes herausstellt, damit der Verbraucher auch gezielt Tannenholz nachfragt. Gefördert werden neue Verwen-dungsmöglichkeiten für Tannenholz, so z. B. der Duobalken oder die Mehrschichtplatte. Aber auch der Einsatz von Thermoholz oder vorvergrautem Holz wird getestet. Die Nutzung der Weiß-Tanne als regionale Ressource hat sich unter dem Motte "Schützen durch Nützen" das Forum Weißtanne e. V. auf die Fahnen geschrieben. Das Forum will vor allem an die lange Tradition der Verwendung von Tannenholz in der Region anknüpfen und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Tannenholzes mit seinen Besonderheiten aufzeigen. Ewald Elsäßer, Geschäftsführer des Forums Weißtanne e. V., stellte die Arbeit des Forums vor und berichte über erfolgreiche Marketingaktivitäten. Eine Baumart hat aber i. d. R. nicht nur eine ökonomische und ökologische Funktion, sondern für viele Menschen auch eine emotionale. Dieser Seite der Tanne widmete sich Bernd Steiner vom Internationalen Baumarchiv in Winterthur in seinem Vortrag "Auf der Suche nach dem mythischen Zapfen - Mythologisches zur Weiß-Tanne". Die Suche nach Fundstellen für mythologische Verbindung zur Tanne war nicht sehr erfolgreich. In den meisten Fällen stelle sich schließlich heraus, dass, wenn eine Zuordnung zum Nadelbaum möglich war, es sich um Fichte handelte. Wie überhaupt häufig festzustellen war, dass die Chronisten die Zuordnung zu einer bestimmten Baumart durchaus mal wechselten, je nachdem, was örtlich vorkam. Die wenigen, eindeutig der Tanne zuzuordnenden Fundstellen stammen aus jüngerer Zeit. Steiner verstand es, die Zuhörer auch durch humorvolle, geistreiche Wortspielereien in seinen Bann zu ziehen. Bodo Marschall, Kinder-Förster, SaarForst LB, sprach über "Kinder und Bäume". Seine Leitsätze: · Der Wald als Prinzip "Lebensgemeinschaft" soll den Kindern vermittelt werden... Kinder sollen Bäume erreichen, aber Bäume auch Kinder! · Um Kinder zu erreichen, müssen Gefühle erweckt werden. Spielerisch sollen die Zusammenhänge begriffen werden, um danach den Verstand zu erreichen. Prinzip: mit Herz, Hand und Verstand. · Schlüssel für das Herz sind Märchen und Geschichten um den Wald mit personifizierten Helden. · Waldpädagogik ist Bildung, bedeutet Wertevermittlung; eine Chance für Förster, ihren Wert, ihre Fähigkeiten in der Öffentlichkeit darzustellen, aber nicht zum Nulltarif. · Waldpädagogik ist ein gesellschaftlicher Auftrag, der auch von der Gemeinschaft zu tragen ist, über Generationen hinaus. Der erste Veranstaltungstag wurde abgerundet mit einem ein Lichtbildervortrag von Wolf Hockenjos, Villingen-Schwenningen, im Rahmen eines gemütlichen Beisammenseins der Teilnehmer. Mit seinen hervorragenden Bildern stellte er die Weiß-Tanne als "Charakterbaum" des Schwarzwaldes vor und steigerte damit noch zur späten Stunde die Begeisterung der Teilnehmer für die Tanne. Am zweiten Tag des Symposiums führte eine Exkursion, unter Leitung von FDir. Edwin Dreher, Forstamt Wolfach, in das Hauptverbreitungsgebiet der Weiß-Tanne. Erster Besichtigungspunkt war ein Haus aus Tannenholz, errichtet in Blockbauweise, bei dem überwiegend Sturmholz aus dem Jahr 1999 verwendet wurde. Es schloss sich eine Wanderung durch tan-nenreiche Bestände in Oberwolfach an. Diskutiert wurde die Besonderheiten des Waldbaus und der Nutzung der Bestände. Besondere Begeisterung rief der Plenterwald des Privatbetriebes Thesenhof hervor. Ein bäuerlicher Privatwald von rd. 80 ha Größe. Die Ausführungen des Eigentümers machten die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes für die vielen Waldbauern im mittleren Schwarzwaldes deutlich und zeigte mit welchem Engagement und Arbeitseinsatz sie sich der Pflege und Nutzung ihrer Wälder widmen. Dazu gehört auch die Ausübung der Jagd durch die Eigentümer oder ortsansässige Jäger, um "Tannenfreundliche" Rehwildbestände zu erhalten. Nach einigen kurzen Ausblicken auf die naturnahe Entwicklung von Sturmschadensflächen aus den Jahren 1990 und 1999 im Forstamt Gengenbach, ging die Fahrt zum Sägewerk Echtle in Nordrach. Das Sägewerk hat sich vor allem auf den Einschnitt von starken Weiß-Tannen spezialisiert. Der Inhaber, Manuel Echtle, engagiert sich besonders für die Nutzung und Verwendung von Tannenholz über die regionalen Grenzen hinaus. So lieferte das Sägewerk unter anderem Tannenholz für den Innenausbau der Frauenkirche in Dresden. Dr. Wodarz (KBJ) zog aus der Tagung die Erkenntnis und Gewissheit, dass die Weiß-Tanne keineswegs ein "hoffnungsloser" Fall ist, ihr kann ein comeback unter der Voraussetzung gelingen, dass Politiker, Waldbesitzer, Forstleute und besonders auch die Jäger ihren Beitrag zum Aufbau naturnaher Wälder leisten. Sie werden sich am Gelingen der Vermehrung des Weiß-Tannenanteils in unseren Wäldern messen lassen müssen. Pater Dr. Josef Kastner hat es in der Homepage des Klosters Ettal auf den Punkt gebracht: "Die Tanne hat ihre Wiederentdeckung verdient. Ich wünsche mir mehr Tannen und weniger Wild". Herausgeber: KBJ - siehe www.baum-des-jahres.de Verfasser: Dr. Christoph Abs, Stiftung Wald in Not
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