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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen u. Trinken    Datum: 10.12.2003
Öko-Brot ist bekömmlicher und gesünder
Vielfalt bewahren und fördern - damit Getreide auch im 21. Jahrhundert noch ein Geschenk der Natur ist und nicht aus dem Gen-Labor stammt
von Norbert Suchanek

Müsli, Pasta, Pizza, Kuchen, Torten, Gebäck, selbst Doppelkorn, Whiskey, Bier und natürlich das tägliche Brot: Unsere Küche und Ernährungsweise kommen ohne Getreide nicht aus und das schon seit Tausenden von Jahren. Getreide ist das wichtigste Grundnahrungsmittel der Menschheit der gemäßigten und tropischen Regionen. Doch das Wissen darüber, wie man es richtig verarbeitet, ist bei uns ein wenig verloren gegangen. Beispielsweise backt kaum noch jemand sein Brot selbst. Man geht einfach in den nächsten Supermarkt oder zum Bäcker um die Ecke, im Vertrauen, dass dort alles schon nach rechten Dingen zugeht. Aber was uns die modernen Bäcker heute täglich frisch anbieten, hat allzu oft kaum mehr als den Namen mit den Broten gemein, die früher aus Omas Backstuben oder aus den Lehmbacköfen der Bauern geschoben wurden.

Dank den Fortschritten der chemischen Industrie hat die konventionelle Bäckerei inzwischen ein Arsenal an Backhilfsmitteln zur Verfügung, um Teige besser maschinell verarbeiten zu können, gleich bleibende Backeigenschaften zu erreichen oder um die Brote einfach schneller produzieren zu können. Dass den modernen, abgepackten Broten im Supermarkt aber dennoch kein eng bedruckter Beipackzettel wie bei Arzneien beiliegen muss, liegt an unserem "tollen" Lebensmittelgesetz, das eine Kennzeichnung der einzelnen Backmittel nur dann vorschreibt, wenn deren Gewichtsanteil im Enderzeugnis 25 Prozent oder mehr ausmacht. Das heißt konkret: Fast ein Viertel unseres Brotes darf laut Lebensmittelgesetz aus den verschiedensten Substanzen bestehen, für die lediglich der Überbegriff "Backmittel" in der Zutatenliste stehen muss. Für lose Ware wie Brot und Semmeln beim Bäcker gelten noch laschere Vorschriften. Nur auf einem Schild in der Auslage muss angegeben werden, ob Konservierungsstoffe, Antioxidantien oder Geschmacksverstärker drin sind. "Die genaue Bezeichnung der verwendeten Substanzen ist nicht erforderlich. Und über wichtige Backmittel wie Emulgatoren, Mehlbehandlungsmittel wie Cystin, Enzyme wie Amylasen oder Kunstsauer müssen die Kunden nicht informiert werden", kritisiert zu Recht der Verein Verbraucher für unbelastete Nahrung in seiner Broschüre "Alles über Getreide". Denn bestimmte Enzyme und Proteine können schließlich Allergien und Unverträglichkeiten bei empfindlichen Menschen hervorrufen. So geht beispielsweise die anerkannte Berufskrankheit "Bäckerasthma" auf die Verwendung von Enzymen in der konventionellen Backstube zurück.

Bio-Bäckereien sind die gesündere Alternative

Bei Bio-Bäckern, die nach den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL) arbeiten und nur Rohstoffe aus der Bio-Landwirtschaft verwenden, gibt es diese Berufskrankheit nicht. Denn der Einsatz von Enzymen ist ihnen verboten. Selbstverständlich sind gleichfalls auch die anderen chemischen Backmittel sowie Fertigmehle, Fertigsauer und Aroma-Zusätze in der Bio-Bäckerei verpönt. Hier sind die Agöl-Bio-Richtlinien auch strenger als die EU-Bio-Verordnung, die Enzyme in der Bio-Bäckerei zulässt.

Jede Getreide-Art braucht zur Teigherstellung und zum Backen ihr spezielles Triebmittel. So lässt sich mit gewöhnlicher Hefe zwar ein Weizenbrot, aber kein richtiges Roggenbrot backen. Roggenteige brauchen eine Säuerung. Konventionelle Bäcker dürfen hier zum so genannten Kunstsauer greifen, der im Prinzip eine Fertigmischung aus Zitronen- und Milchsäure angereichert mit Emulgatoren, Phosphaten und anderen Zusatzstoffen ist. Diese Mischung liefert in zwei bis drei Stunden einen Teig, der zwar wie Sauerteig aussieht und auch so heißen darf, aber trotzdem kein Naturprodukt ist. Bio-Bäcker dürfen nur echten Sauerteig, der heutzutage Natursauerteig heißt, verwenden.

Für Natursauerteig braucht es keinerlei Zusatzstoffe, nur viel Zeit. Denn lässt man einen weichen Teig aus Roggenmehl und Wasser bei Raumtemperatur stehen, beginnen spontan Bakterien und Sauerteighefen aus dem Mehl und aus der Luft mit ihrer Arbeit. Sie vergären die Zuckerstoffe des Mehls und erzeugen einen gesunden Cocktail von verschiedenen, natürlichen Säuren, vor allem Milch- und Essigsäure. Nach und nach setzen sich die Sauerteighefen und Milchsäurebakterien im gesamten Teig durch, prägen das unverwechselbare Aroma des echten Sauerteigbrotes und verdrängen andere, gesundheitsschädliche Mikroorganismen wie Schimmelpilze. Ein Natursauerteig benötigt etwa 14 bis 24 Stunden Zeit. Dafür schimmelt ein so natürlich gesäuertes Roggenbrot hinterher garantiert nicht. Außerdem wird im Natursauerteig der ernährungsphysiologisch problematische Stoff Phytin - auch Phytinsäure genannt - praktisch vollständig abgebaut, was bei Kunstsauerteig nicht der Fall ist.

Phytin gilt als ein so genannter Schutzstoff der Getreidepflanzen und kommt vor allem in den äußeren Schichten und im Keimling des Getreidekorns vor. In der menschlichen Ernährung hat er zwei unterschiedliche Seiten: Zum einen gilt er als "Mineralienräuber", weil er die Verwertung von Mineralstoffen, Spurenelementen und wahrscheinlich auch von Vitamin B1 und Verdauungsenzyme behindern soll. Andererseits könne Phytinsäure, so der Ernährungswissenschaftler Claus Leitzmann, blutzuckerregulierend wirken und darüber hinaus - dies wurde zumindest an Tieren nachgewiesen - einen krebsschützenden Effekt haben. Phytin wird vom Getreide-Enzym Phytase abgebaut. Es benötigt dazu in erster Linie Feuchtigkeit und Zeit. In eingeweichtem Getreide ist es nach 12 Stunden fast vollständig abgebaut. Der Abbau-Prozess beschleunigt sich beim Kochen in Wasser. Schließlich wird das Phytin auch beim Keimen abgebaut.

Backferment ist eine "Erfindung" der Bio-Bäcker

Ein zweites in der Bio-Bäckerei häufig eingesetztes Triebmittel ist das Backferment, das die Bio-Bäcker auch selbst entwickelt haben. Es ist ein natürliches Produkt aus Honig, Kichererbsenmehl, Lupinen und Getreideschrot. Hier arbeiten natürliche Hefen aus dem Getreide und aus dem Honig, so genannte Nektarhefen. Wie beim Natursauerteig benötigt die Teigzubereitung mit Backferment lange Gärzeiten. Dafür aber entsteht eine besondere Art Sauerteig, der einen milden Geschmack hat und als sehr bekömmlich gilt. Das Backferment ist für alle Getreidesorten geeignet. Mit ihm kann man auch kleberfreie Brote aus Mais, Reis oder Hirse herstellen, was für manche Allergiker und Zöliakiekranke ein wichtiger Aspekt ist. Nur wenige konventionelle Bäcker setzen auch die Bio-Entwicklung Backferment ein, weil es einfach nicht schnell genug geht.
Das dritte wichtige Triebmittel, die Hefe, ist für Weizenteige geeignet. Viele Bio-Bäcker setzen hier noch die konventionelle Hefe ein, die auf Melasse aus der Zuckerindustrie gezüchtete wurde. Inzwischen gibt es aber schon eine echte Bio-Hefe, die auf Öko-Getreide wächst und von konsequenten Bio-Bäckern schon längst bevorzugt wird.

Es war einmal "Einkorn"

Das "A" und "O" unseres "täglichen Brotes" ist freilich sein Grundrohstoff, die verschiedenen Getreidearten wie Weizen, Roggen, Hafer, Dinkel, Gerste, das Zweikorn (Emmer) und das Einkorn. Ausgehend vom nahen und mittleren Osten, wo die Gen-Zentren der Getreidesorten vermutet werden, pflanzen und verbessern seit mindestens zehntausend Jahren Bauern Getreide und brachten die verschiedensten Sorten mit unterschiedlichsten Eigenschaften hervor. Dieses Erbe der Menschheit gilt es gerade jetzt, da sich große Konzerne anschicken uns mit Gen-Manipulierter und patentierter Massenware zu überschwemmen, zu bewahren und fortzuschreiben. Denn ohne konsequente Weiterzüchtung und ökologische Saatgutverbesserung, könnten Bio-Bauern eines Tages ohne Bio-Saatgut da stehen und auch der konsequenteste Öko-Bäcker kein Bio-Getreide mehr für seine Produkte auftreiben. Deshalb hat das Demeter-Unternehmen "ErdmannHauser" seine Saatgutkampagne gestartet. Sie will zum einen Aufmerksamkeit für die große Bedeutung der Saatgutarbeit wecken und zum anderen Geldmittel für die biologisch-dynamische Saatgutzüchtung bereitstellen. "Große Agrarkonzerne geben für die genetische Manipulation von Saatgut zur Erzeugung von Designerpflanzen riesige Summen aus, beschäftigen Tausende von Mitarbeitern und können die Macht der Medien für ihre Zwecke einsetzen", schreibt ErdmannHauser. "Gegen diese ungeheure Macht kann der Anspruch - Ohne Gentechnik! - in Zukunft nur erfüllt werden, wenn unter anderem auch leistungsfähiges biologisches Saatgut neu verfügbar wird."


Von Amylasen bis Chlorgas

Ein Auszug aus einer Liste von Backmitteln, die in konventionellen Bäckereien erlaubt sind:

a-Amylasen, ß-Amylasen, Amyloglucosidasen, Azodicarbonamid, Benzoylperoxid, Bromat, Chlordioxid, Chlorgas, Cystein, Endoglucosidasen Typ II, Lipoxygenasen, Proteasen, Stickstofftrichlorid, Stickstofftetroxid, Transglutaminase, ... Und ein Auszug aus dem Internetangebot eines Backmittelherstellers für das konventionelle, deutsche "Bäckerhandwerk": Sauer-Controller, Vollsauer Boehringer, Boerol, Lezisauer, Almerol neu, Lezimild, Brotstabil Backperls, F1, Delipan, Ulmer BrotVit, FH frisch, DoppelFrisch "neu", Ulmer Weizenperfekt, Dia BrotPlus, ProtoFarin, Gärcontroller Relax, Gärcontroller Goldperls, Gärcontroller liquid, Multiback Frost, Olympial GOLD, Topmalz, Olympial Malz, Malz-Comet, Kontra, Lezym, Back-Syrol, Malzyrol Pulver, .... Was hinter diesen Fantasienamen steht, erfährt der Käufer nicht. Udo Pollmer vom Europäischen Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E.): "Die forschenden Allergologen beklagen zu Recht das Fehlen geeigneter Deklarationsvorschriften für Backmittel und Bäckereierzeugnisse. Da die Rezepturen als Betriebsgeheimnis gelten, führen auch Nachfragen bei den Herstellern kaum weiter".


Etwas Getreidekunde

Einkorn wurde bereits vor rund 10.000 Jahren im heutigen Irak und Iran an Euphrat und Tigris kultiviert und zählt, neben Gerste und Emmer, zu den ältesten Getreiden. Einkorn gilt als naher Verwandter einer Urform des Weizens.

Weizen baute man bereits vor etwa 8000 Jahren im westlichen Iran an. Die frühen Bauern haben ihn aus einer Kreuzung von Einkorn mit anderen Wildgräsern gezüchtet. Mit der Zeit entwickelten die Bauern zahlreiche Weizensorten mit unterschiedlichen Eigenschaften, von denen viele allerdings im Zuge der Industrialisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft wieder verloren gegangen sind. So sollen von den rund 1000 Weizensorten, die im 19. Jahrhundert noch in Deutschland angebaut wurden, heute nur noch 30 Sorten erhalten sein.

Emmer ist eine alte in Deutschland früher häufig angebaute Getreidesorte, die zur Familie des Weizens gehört. Wie Einkorn drohte Emmer aber seit Mitte des 20. Jahrhunderts auszusterben, bis ihn vor allem Bio-Bauern wieder entdeckten. Etwas besonderes ist Schwarzer Emmer, der aufgrund seiner dunklen Farbe gegen UV-Strahlung geschützt ist.

Dinkel entstand wahrscheinlich in der späten Steinzeit aus einer Kreuzung von Emmer und Zwergweizen und war vor allem in Süddeutschland jahrhundertelang beliebt. Weizen hat ihn dann verdrängt. Grün, also unreif geernteter Dinkel heißt Grünkern.

Roggen kam aus dem Kaukasus als "Unkraut" nach Europa. Seit rund 3200 Jahren baut man ihn schließlich vor allem in den klimatisch raueren Regionen an. Er dient hauptsächlich zum Brotbacken.

Hafer wird seit der Bronzezeit in Nord- und Mitteleuropa kultiviert. In vergangenen Jahrhunderten galt die Hafergrütze als Essen der Armen. Hafer hat mehr Calcium und mehr Vitamin B1 und B6 als andere Getreidearten.

Gerste ist eine anspruchslose Getreideart, die weltweit verbreitet ist. Etwa 50 Prozent der heute angebauten Gerste ist Braugerste.

Hirse heißen verschiedene Getreidesorten, die kleine, rundliche Körner ausbilden und wegen ihrer Anspruchslosigkeit auch in extrem trockenen Zonen angebaut werden. Hirse soll neben Gerste die vielleicht älteste kultivierte Getreideart sein. Hirsebrei wurde in vergangenen Jahrhunderten auch in Deutschland gerne gegessen.

Reis ist die wichtigste Getreideart Ostasiens. Er wurde schon vor rund 10 000 Jahren in Nordthailand angebaut. Später gelangte er in den Süden Chinas und dann weiter nach Ägypten und Europa. Zeitweise wurde er auch in Deutschland bei Bamberg im 18. Jahrhundert angebaut. Wichtiges europäisches Reisanbaugebiet ist heute die Po-Ebene in Norditalien.

Wildreis auch Indianer- oder Wasserreis genannt, ist ein nordamerikanisches Sumpfgras und damit nicht mit dem asiatischen Reis verwandt. Er wächst "wild" im flachen Wasser nordamerikanischer Seen und dient den Indianern seit jeher als Nahrungsmittel. Traditionell wird Wildreis mühsam vom Boot aus per Hand geerntet. Inzwischen gibt es in Kalifornien aber auch "industrialisierten" Hybrid-Wildreis, der in großen Becken angebaut wird.

Mais stammt aus Lateinamerika und ist traditionelles Hauptnahrungsmittel vieler Indio-Völker. Es gibt ihn dort nicht nur als gelbe Körner, sondern in den unterschiedlichsten Farben von weiß bis tief violett oder ganz bunt gemischt. Bei uns wird er vor allem als Tierfutter und zur "Gülleentsorgung" angebaut, weil er große Mengen an Stickstoff vertragen kann. Zuckermais ist noch nicht voll ausgereifter Mais.

Buchweizen, dessen ursprüngliche Heimat wahrscheinlich in Nepal oder China liegt, ist übrigens kein Getreide, sondern ein Knöterichgewächs. Auch Amaranth und Quinoa sind in Wirklichkeit keine Getreidesorten, sondern gehören zu den Fuchsschwanzgewächsen bzw. zu den Melden.



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