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Rubrik:Politik    Datum: 26.11.2003
Die Schlacht um die europäische Chemikalienreform ist noch nicht geschlagen
Wie erwartet, ist der Vorschlag zur EU-Chemikalienreform industriefreundlich ausgefallen. Von dem mutigen Konzept der ersten Stunde ist nicht mehr viel übrig geblieben. Umwelt- und Verbraucherverbände sowie die Bundesregierung sehen allerdings noch Möglichkeiten, den Gesetzentwurf zu beeinflussen.

Die am 29. Oktober 2003 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Neuordnung der Chemikalienpolitik bleibt deutlich hinter vorherigen Entwürfen zurück (siehe punkt.um 6, 8 und 11/03). Sie ist sogar deutlich weniger ambitioniert als das von Bundesregierung und VertreterInnen der Branche im Konsens entwickelte Konzept, das von Umwelt- und Verbraucherschützern als zu industriefreundlich kritisiert worden war. Die nun beginnende Phase der Gesetzgebung wird sich voraussichtlich über rund zwei Jahre hinziehen. Sowohl EU-Parlament als auch Ministerrat müssen über die Verordnung in gemeinsamer Verantwortung entscheiden. Über den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens kann man bisher allerdings nur spekulieren. Der Ministerrat hat bereits weiteres Entgegenkommen gegenüber der Industrie signalisiert. Allerdings wird innerhalb der nächsten zwei Jahre die Ratspräsidentschaft viermal wechseln und die Gemeinschaft um zehn Mitglieder wachsen. Erwartet wird, dass die konservativen Parteien bei den Wahlen im Juni 2004 mehr Sitze erringen werden. Fachleute befürchten, dass sich dadurch der Einfluss der Industrie auf europäischer Ebene verstärken könnte.

Regierung und Verbände eint das Ziel
Auf nationaler Ebene werden nun die verbleibenden Möglichkeiten ausgelotet, auf die zukünftige Chemiepolitik Einfluss zu nehmen. Sowohl Umwelt- und Verbraucherverbände als auch das Bundesumweltministerium sehen den Bedarf, den Entwurf zur so genannten REACH-Verordnung (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien) zu verschärfen. Umweltstaatssekretär Rainer Baake apellierte bereits an die deutsche Chemische Industrie, im weiteren Verfahren zu dem erzielten Kompromiss zu stehen. Die Umwelt- und Verbraucherverbände werden voraussichtlich sowohl beim Parlament als auch bei den Mitgliedsstaaten weiter Überzeugungsarbeit leisten. Eine besondere Herausforderung stellen dabei die neuen osteuropäischen Staaten dar.
Auch die deutsche Regierung arbeitet darauf hin, die Umweltbelange stärker als bisher in REACH einzubringen: Sie wird statt des Wirtschafts- den Umweltminister zu den Verhandlungen und Entscheidungen des Ministerrates entsenden und hofft, dass auch andere Staaten so verfahren. Im Verlauf der letzten beiden Ratspräsidentschaften von Griechenland und Italien wurden die Beratungen über die Chemikalienreform vom Rat für Umwelt auf den Rat für Industrie und Wettbewerb verlagert.

Hoffen auf mehr Transparenz
Stefan Scheuer, Leiter des Europäischen Umweltbüros in Brüssel, erwartet, dass im kommenden Gesetzgebungsverfahren die wirtschaftlich positiven Aspekte von REACH an Bedeutung gewinnen. Händler und Chemikalienanwender hätten viel zu gewinnen. Zudem erwartet er, dass die Diskussion über Gesundheits- und Umwelteinflüsse der Chemikalien im Europäischen Parlament eine größere Rolle spielen werde als innerhalb der Kommission. Dort seien die politischen Entscheidungsprozessen für die EU-BürgerInnen transparenter, was die Position der Umweltverbände in den Verhandlungen stärke.
Torsten Mertz

Der Beitrag erscheint in der Dezemberausgabe des Informationsdienstes punkt.um. Ausführliche Hintergründe zum Thema Chemie und zur Chemiepolitik gibt die aktuelle Ausgabe 86 "Neue Chemie. Reagenzien eines nachhaltigen Umgangs mit Stoffen" der Zeitschrift politische ökologie. Infos unter www.oekom.de.



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