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Presse-Stelle:  Umweltbundesamt für Mensch und Umwelt, D-14193 Berlin
Rubrik:Soziales u. Gesellschaft    Datum: 09.09.2003
Handelspolitik muss nachhaltig werden
Gemeinsame Presse-Information mit dem Forum Umwelt und Entwicklung WTO-Verhandlungsprozess berücksichtigt umwelt- und entwicklungspolitische Ziele bisher nur ungenügend
Die Welthandelsorganisation (WTO) hat 2001 versprochen, die Anliegen und Bedürfnisse der weniger entwickelten Länder in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen und Umweltschutzaspekte stärker zu berücksichtigen. Doch bislang ist davon wenig zu spüren "Dem selbst gesetzten Anspruch werden die laufenden Verhandlungen bislang in keiner Weise gerecht", sagte Hubert Weinzierl, Präsident des Deutschen Naturschutz-Ringes (DNR), dem Dachverband der im Natur- und Umweltschutz tätigen Verbände in Deutschland. Zentrale Entscheidungen würden nach wie vor in exklusiven und informellen Gesprächen vorbereitet - häufig ohne die Entwicklungsländer. Auf der bevorstehenden 5. WTO-Ministerkonferenz vom 10. bis 14. September 2003 in Cancùn (Mexiko) sollte die WTO endlich die Interessen von Entwicklungsländern und Umweltschutz in der Handelspolitik verankern. Prof. Dr. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA): "Die globalen Herausforderungen gelten nicht nur der Wirtschaft. Die Liberalisierung des Handels darf nicht auf Kosten der weniger entwickelten Länder gehen. Um negative Umweltfolgen wirksam zu begrenzen, braucht die Handelspolitik einen dauerhaft umweltgerechten Ordnungsrahmen. Einen Vorrang der Handelspolitik vor anderen Politikbereichen darf es nicht geben."

Zur Begleitung der WTO-Verhandlungen fördert das UBA das Handelsprojekt der Arbeitsgemeinschaft Handel im Forum Umwelt und Entwicklung. Trägerorganisationen des Forums sind der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) und der DNR.

Aus umweltpolitischer Sicht besonders wichtig ist die Förderung umweltfreundlicher Verfahren und Produkte. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten auch in Zukunft die Möglichkeit haben, sich mit Hilfe der Umweltkennzeichnung - wie etwa dem Umweltzeichen "Blauer Engel" in Deutschland - für umweltgerechte Produkte zu entscheiden. Verbraucherinformationen sind wichtig und verbessern die Markttransparenz. Die laufenden Verhandlungen müssen Rechtssicherheit hinsichtlich der Gestaltung und Nutzung von Umweltkennzeichen schaffen.

Darüber hinaus dürfen umweltpolitische Maßnahmen - wie etwa ein Handelsverbot für bestimmte umweltschädliche Produkte - nicht durch WTO-Regeln ausgehebelt werden. Im besonderen Maße gilt dies für handelsbeschränkende Maßnahmen in multilateralen Umweltabkommen. Die laufenden Verhandlungen müssen daher zur Anerkennung der Gleichrangigkeit von multilateralen Umweltabkommen und WTO-Regeln führen.

Maßnahmen der Handelsliberalisierung sollten generell hinsichtlich ihrer Wirkung auf eine nachhaltige Entwicklung - durch ein so genanntes Sustainability Impact Assessment - untersucht werden, bevor sie in Kraft treten. Denn: Die internationale Handelsliberalisierung darf - vor allem in Entwicklungsländern - nicht die Versorgung mit lebensnotwendigen, umweltsensiblen Gütern gefährden und den Spielraum für Umwelt- und Gesundheitsschutz einengen. Beispiele aus der Trinkwasserversorgung zeigen, dass eine schrankenlose Liberalisierung nicht nur zu hohen Wasserpreisen führen kann, sondern auch zu einer Verlagerung wasserintensiver, landwirtschaftlicher Produktionen in Gebiete, in denen Wasser billig ist - ohne die wirkliche Knappheit zu signalisieren. Für die dortige Bevölkerung wird Trinkwasser dann möglicherweise zur Mangelware.

Eine zentrale Forderung der weniger entwickelten Länder in Doha war, das in der WTO verankerte Prinzip der Vorzugsbehandlung, das sogenannte "Special and Differential Treatment", wirksam in den Abkommen umzusetzen. Bislang bedeutet es vor allem, dass den Entwicklungsländern lediglich ein etwas längerer Zeitraum eingeräumt wird, um Marktöffnungen zu verwirklichen. Wirtschaftspolitische Instrumente, die viele heute hoch entwickelte Länder - wie Deutschland, Japan und in jüngerer Zeit Korea - erfolgreich für ihre Entwicklung genutzt haben, stehen ihnen nicht offen. Beispiele sind ein zeitlich begrenzter Zollschutz für Schlüsselindustrien oder Auflagen für ausländische Investoren, dass ein bestimmter Anteil der Vorprodukte im Gastgeberland bezogen werden muss. Diese Forderungen dürfen nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Handel nicht länger unberücksichtigt bleiben.

Beim umstrittensten Thema der laufenden Verhandlungsrunde, dem Agrarhandel, werden die doppelten Maßstäbe der führenden Industriestaaten am deutlichsten: Die Industrieländer beharren in vielen Fällen auf bestehenden Privilegien - wie die weitreichende Subventionierung ihrer Produkte. "Es geht den deutschen Nichtregierungsorganisationen weder um den schrankenlosen Freihandel mit Agrarprodukten noch um den Abbau aller Subventionen für die europäische Landwirtschaft", so DNR-Präsident Weinzierl. "Die Unterstützung muss aber daran gekoppelt sein, dass die Landwirte tatsächlich umweltfreundlich wirtschaften und zur Landschaftspflege beitragen. Die derzeitigen WTO-Regeln behindern solche Auflagen eher, als sie zu fördern."

Berlin, den 09.09.03



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