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Presse-Stelle:  neuform Vereinigung Deutscher Reformhäuser eG, D-61440 Oberursel
Rubrik:Gesundheit    Datum: 13.08.2003
Naturarzneimittel bald nur noch in der Apotheke?
Streit um Johanniskraut - wirtschaftliche Interessen im Vordergrund
Seit rund 2000 Jahren wird Johanniskraut in der Volksmedizin angewandt und ist seit über 1000 Jahren in seiner Wirkung als traditionelles Naturheilmittel dokumentiert. Jetzt droht den freiverkäuflichen Johanniskraut-Präparaten das "Aus". Und das, obwohl knapp drei Viertel der Deutschen mittlerweile der sanften Medizin aus Pflanzen den Vorzug geben, da sie hier weniger Nebenwirkungen befürchten (Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach "Naturheilmittel 2002").

Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung will noch in diesem Jahr alle johanniskrauthaltigen Arzneimittel unter die Apothekenpflicht stellen - und zwar gegen das Votum des von ihm berufenen Sachverständigenausschusses für Apothekenpflicht. Anlass waren Untersuchungsergebnisse über die Wechselwirkungen johanniskrauthaltiger Arzneimittel mit anderen Medikamenten.

Dr. med. Dr. Bernhard Uehleke, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Naturheilkunde in Berlin, sieht - ebenso wie der Sachverständigenausschuss - keine Veranlassung, die niedrig dosierten Präparate unter die Apothekenpflicht zu stellen: "Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind dosisabhängig und treten bei freiverkäuflichen Präparaten nicht auf, das haben klinische Studien in Rostock und Berlin eindeutig bewiesen", erklärt der Spezialist für Phytotherapie. Wie Uehleke ausführt, basieren die Wechselwirkungen bei höher dosierten Präparaten darauf, dass die Entgiftung der Leber angeregt und damit bestimmte Wirkstoffe aus Arzneimitteln schneller ausgeschieden würden. Der Wissenschaftler befürchtet, dass im Falle einer Unterstellung unter die Apothekenpflicht alle traditionellen Präparate wie Tees, Frischpflanzensäfte, Kräutertabletten und Rotölkapseln vom Markt verschwinden, da die traditionellen Nachzulassungsverfahren dann nicht mehr anwendbar seien.

Hinter dieser fast schon methodischen Vorgehensweise sieht Uehleke das Marktinteresse eines einzelnen Herstellers von apothekenpflichtigen Extrakten. Über das Argument der Wechselwirkung versuche man, die den eigenen Markt störenden freiverkäuflichen Präparate zu eliminieren. Gleichzeitig vertreibe dieser Hersteller aber seine - bei uns apothekenpflichtigen - Präparate in anderen Ländern wie Belgien und den USA über den Lebensmittelhandel.

Zur Zeit sind die freiverkäuflichen und apothekenpflichtigen Präparate mengenmäßig etwa zu gleichen Teilen vertreten. Wertmäßig beherrschen jedoch die apothekenpflichtigen Medikamente mit über Dreiviertel des Umsatzes den Markt. Im Falle einer Verdrängung der freiverkäuflichen Präparate könnten die Hersteller der apothekenpflichtigen Präparate ihren Umsatz also theoretisch verdoppeln.

Allein vor diesem Hintergrund kann der Wissenschaftler der Haltung des Ministeriums nicht folgen, zumal er durch dieses Vorgehen auch die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Verbraucher gefährdet sieht. Letztendlich stünden dann nur noch die höher dosierten apothekenpflichtigen Präparate zur Verfügung, die wiederum höhere Nebenwirkungen aufwiesen. Er halte jedoch nichts davon, "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen", so Uehleke weiter. Gerade bei leichten Depressionen und Stimmungsschwankungen habe man mit niedrig dosierten Präparaten in Verbindung mit einer gesunden Lebensführung gute Ergebnisse erzielt.

Auch Erwin Perlinger, neuform-Vorstand und Vizepräsident des Bundesfachverbandes Deutscher Reformhäuser e.V., kritisiert die widersprüchlichen Signale aus dem Gesundheitswesen: "Einerseits wird zu mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung aufgerufen, andererseits werden dem Verbraucher traditionelle Naturarzneien für eine milde und natürliche Selbstmedikation entzogen." Perlinger appelliert vielmehr im Zuge der Gesundheitsreform für mehr Klarheit in den Aussagen der Arzneimittelhersteller: "Risikogruppen müssen besser informiert werden, anstatt allen Verbrauchern in einem Kahlschlag diese traditionell bewährten niedrig dosierten Naturarzneimittel zu nehmen." Gerade in den Reformhäusern sei die Beratungsleistung aufgrund der Ausbildung an der Reformhaus Fachakademie in Oberursel garantiert. Jeder Naturheilmittel-Berater müsse zudem eine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer ablegen, erklärt Perlinger weiter. Fadenscheinig erscheint Perlinger auch das Vorgehen des Ministeriums: "Die arzneiliche Wirkung muss für eine Arzneipflanze bei jeder unterschiedlichen Dosierung in aufwändigen und teuren Untersuchungen nachgewiesen werden. Bei Nebenwirkungen soll jetzt aber jede Dosierung pauschal gleich behandelt werden. Das ist unausgewogen und widerspricht dem gesetzgeberischen Auftrag."

In einer bundesweiten Protestaktion hatte die neuform VDR e.G., Oberursel, gemeinsam mit anderen Institutionen der Branche, wie dem Bundesfachverband Deutscher Reformhäuser e.V. (refo, Oberursel) und dem Verband der Reformwarenhersteller e.V. (Bad Homburg), in allen 2200 Reformhäusern zu einer bundesweiten Unterschriftensammlung für den Erhalt der Freiverkäuflichkeit von niedrig dosierten Johanniskrautpräparaten aufgerufen.

Hier geht es zur Online-Unterschriftenaktion der Reformhäuser.


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