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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen u. Trinken    Datum: 02.05.2003
Werbegags alleine helfen nicht!
Heimische Bio-Milch in Absatzschwierigkeiten - Bauern kämpfen um einen gerechten Milchpreis
von Norbert Suchanek

Seit der Biofach 2003 in Nürnberg hat Bio-Deutschland etwas, was den mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern schon lange fehlte: eine Bio-Milchkönigin. Sie heißt Theresia, die Erste. Mit ihr krönte gleichfalls auf der Biofach Bundesverbraucherministerin Renate Künast noch eine Bio-Milchkronprinzessin, Andrea I. Schade nur, dass sich mit diesem Werbegag alleine die Absatzprobleme der heimischen Bio-Milchbauern weder übertünchen noch beseitigen lassen. Auch der jüngste Künast-Vorschlag, Bio-Milch zum Geburtstag zu verschenken, zeugt eher von schlagfertiger Einfalt, denn von wirklichen Konzepten zur Förderung und Erhaltung der ökologischen Milchviehbetriebe in unseren Gefilden.

Jährlich trinken die Europäer rund 1,7 Milliarden Liter Milch. Lediglich drei Prozent davon stammen von glücklichen Bio-Milchkühen. Die meisten von ihnen stehen in Deutschland, Dänemark und Österreich, wobei der Anteil der Bio-Milch an der gesamten Milchproduktion in unserem südöstlichen Nachbarland am höchsten ist. Rund 14 Prozent der österreichischen Milch sollen bereits „Bio“ sein. In Dänemark liegt der Anteil der Bio-Milchproduktion bei etwa zehn Prozent und damit gleichfalls deutlich höher als in Deutschland. Und obwohl unsere heimische Öko-Milchproduktion noch nicht mal in der Nähe der "Fünf-Prozent-Hürde" liegt, klagen in diesem Jahr deutsche Bio-Bauern heftig über Absatzschwierigkeiten und Einkommenseinbußen. So sah sich Anfang des Jahres der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gezwungen, einen Hilferuf an den Deutschen Naturschutzring (DNR) zur Unterstützung der inzwischen knapp 15.000 Ökobauern in Deutschland zu senden. Der Preis für Öko-Milch sei aus verschiedenen Gründen so stark abgesunken, dass eine ökologische Bewirtschaftung in vielen Fällen kaum noch rentabel ist. In der anschließenden Mitteilung des DNR heißt es: "In den letzten Monaten ist eine Situation eingetreten, die viele Biobauern in Existenznöte bringt und sie dazu zwingen wird, ihre Umstellung auf ökologischen Landbau wieder rückgängig zu machen. Durch eine zu große Angebotsmenge an Bio-Milch ist der Erzeugerpreis für dieses Produkt, an dem die Existenz der überwiegenden Mehrheit der Bio-Bauern hängt, dramatisch gesunken. Die Mehrkosten, die für die Bauern aus ihrem Verzicht auf Chemie auf Acker und Grünland, durch den Einsatz ökologisch erzeugten Futters und durch die Anwendung tiergerechter Haltungssysteme entstehen, sind so nicht mehr abzudecken. Die Folgen sind unausweichlich. Schon bald werden Hunderte von Öko-Bauern gezwungen sein, zu konventioneller Wirtschaftsweise zurückzukehren oder ganz aufzugeben."

Ähnlich sieht es der Bio-Anbauverband Bioland: "In so wichtigen Segmenten wie Milch und Rindfleisch sind Rückgänge der Erzeugerpreise gegenüber dem Vorjahr um etwa 9 Prozent bzw. um 6 Prozent zu verzeichnen", so Bioland. Unter den gegebenen Bedingungen könnten die Bio-Bauern nicht mehr kostendeckend produzieren. Dies führe mittelfristig unweigerlich zu einem Höfesterben in den Regionen. Laut Bioland sei ein Grund für die sinkenden Einnahmen, dass viele Handelsketten in Deutschland Lebensmittel nicht über Produktqualität verkaufen, sondern im Wettbewerb einzig auf Niedrigpreise setzen.

Doch nicht nur die Supermarktkonzerne und Handelsketten, sondern auch die Bio-Milchköniginnen krönende Renate Künast habe eine Mitschuld an dieser besonders für Bio-Milchbauern miserablen Lage, klagte jüngst eine Initiative von 95 bayerischen Bio-Bauern. Ihnen sind vor allem die niedrigen Standards des Bio-Siegels von Renate Künast ein Dorn im Auge. "Das staatliche Bio-Siegel hat nicht den heimischen Erzeugern genutzt, sondern sich zu einem Zeichen für Importware entwickelt", sagte Wolfgang Taffertshofer stellvertretend für die kritischen Öko-Landwirte dem Spiegel. Gerade die Preise für Bio-Milch seien auf ein Niveau gesunken, das die heimische Erzeugung unrentabel mache.

Nach Ansicht des Milchexperten von Bioland, Rüdiger Brügmann, könne man das Bio-Siegel allerdings nicht wirklich für die derzeit zu niedrigen Bio-Milchpreise verantwortlich machen. Zum einen sei im vergangenen Jahr der Export von Bio-Milch aus Deutschland nach Frankreich und England eingebrochen, was zu einem Überschuss auf dem Bio-Milchmarkt bei uns führte. Zum anderen sei die Bio-Milch noch immer von den Preisen der konventionellen Milch abhängig - und die sind eben im Keller. Tatsächlich hätten sie die ganze Misere erst ausgelöst. Brügmann: "Der Milchpreis wird bestimmt durch Angebot und Nachfrage. In Italien sind die Milchkontingente stark erhöht worden, was sich unmittelbar auf den Rückgang der Exportmengen bayerischer konventioneller Milch ausgewirkt hat. Damit war und ist konventionelle Milch in Europa im Überschuss vorhanden, was unmittelbar zum Preisverfall geführt hat." Und da der Biomilchpreis von Handel und verarbeitenden Unternehmen immer als "Zuschlag zum konventionellen Preis" definiert werde, habe es die Biomilchbauern "auch mit runter gezogen." Brügmann: "Eine fatale Entwicklung, der nur mit höheren Zuschlägen oder Biomilch-Festpreisen zu begegnen ist."

Supermarktkonzerne, Handelsketten und ebenso Milch verarbeitende Großbetriebe versuchen natürlich ihrerseits Milch und Bio-Milch so billig wie möglich einzukaufen und drücken die Preise, wo und wie sie nur können. Dass am Ende die Milch-Bauern nicht mehr auf ihre Kosten kommen und womöglich aufgeben müssen, kümmert die großen "Schnäppchenjäger", die es ebenso in der Bio-Branche gibt, freilich nicht. Es geht dabei nicht nur um "billige" Bio-Milch im Supermarktregal. Denn lediglich etwa zehn Prozent der deutschen Bio-Milchproduktion von rund 430 Millionen Kilogramm geht als Bio-Frischmilch in den Lebensmitteleinzelhandel. Der überwiegende Anteil wandert in die Produktion von Käse, Yoghurt, Butter und anderen Milchprodukten.

Derzeit bekommen die Bauern, so Brügmann, durchschnittlich etwa 28 bis 30 Cent je Kilogramm Milch (netto bei 3,7 % Fettgehalt Standardmilch). Für Bio-Milch gibt es fünf Cent mehr, also bis zu etwa 38 Cent netto je Kilogramm. Auf dem Weltmarkt außerhalb der EU liegen die Milchpreise sogar noch niedriger. Laut Zentraler Markt und Preisberichtstelle (ZMP) schwankten die Weltmarktpreise in den vergangenen zehn Jahren zwischen 8 Cent und 20 Cent je Kilogramm Milch. Diese Weltmarktpreise sind für unsere Bauern mehr als existenzgefährdend. Zahlen der Universität Weihenstephan zufolge müssen nämlich bäuerliche Betriebe mit 30 bis 50 Kühen im Stall oder auf der Weide etwa 35 bis 42 Cent netto je Kilogramm Milch einnehmen, um wenigstens die Produktionskosten zu decken - verdient ist aber dabei noch kein einziger Cent. Einige Bauern fordern folglich - quasi als unterste "Schmerzgrenze" - einen Mindestpreis von 35 Cent für konventionelle Milch und 42 Cent für Bio-Milch. Faire Preise für die Milchproduktion ist heute eine der zentralen Forderungen nicht nur der Bio-Bauern. Wie die Zeitschrift Bauernstimme vergangenen März berichtete kämpfen auch die konventionellen Bauern um einen fairen Milchpreis. Dabei haben einige von ihnen auch die Großhandelsketten im Visier. Diese müsste man in die Zange nehmen, um höhere Preise für die Milcherzeuger durchzusetzen.


Zur Verbesserung der Situation der landwirtschaftlichen Bio-Betriebe in Deutschland fordert der Anbauverband Bioland:

- von der Politik, den Ökolandbau als nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung zum Leitbild der Politik zu erklären. Die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik müsse dies anerkennen und keine zusätzlichen Hemmnisse für eine standortgerechte Landwirtschaft aufbauen. Insbesondere bei den aktuell vorliegenden Vorschlägen zur Reform der Milchmarktordnung sei mit einem Aussterben der Milchviehhaltung in Süddeutschland zu rechnen. Die drohenden Auswirkungen dieser Vorschläge müssen von der Bundesregierung bei anstehenden Verhandlungen der kommenden Monate auf europäischer Ebene dargelegt und deren Umsetzung verhindert werden.

- vom Handel, Lebensmittel mit qualitativen und regionalen Argumenten zu bewerben, statt immer nur auf die Billigschiene zu setzen.

- Insbesondere an "Grüne Verbraucher" appelliert der Verband, ihren politischen Bekenntnissen im Einkaufskorb Taten folgen zu lassen.



100 Prozent Öko - Lehre aus dem Nitrofenskandal

Ökologisch Maximal: Das ist das Konzept, das hinter dem neuen Öko-Gütezeichen "ÖMAX" der Ökologischen Molkereien Allgäu (OMA) steckt. Künftig will die OMA nur noch Bio-Milch von Milchbauern verarbeiten und unter dem Ömax-Siegel vermarkten, die sich nicht nur an die niedrigen Standards des Künast-Öko-Siegels halten, sondern konsequent 100 Prozent ökologisch arbeiten. Während der EU-Ökostandard sowie auch das deutsche Bio-Siegel Bio-Bauern den Zukauf von konventionellem Futtermitteln und konventionellem Dünger erlaubt, ist dies bei Ömax-Bauern verboten. Bereits fast 100 ihrer Milchbauern verpflichteten sich nach den Strengen Richtlinien zu arbeiten. "Schritt für Schritt werden alle unsere Milchbauern auf diese konsequente Wirtschaftsweise umstellen", so die OMA, die mit ihrer Initiative Lebensmittelskandalen wie dem Nitrofenskandal verbeugen will.
"Skandale", schreibt die OMA, "sind vorprogrammiert, wenn nicht konsequent in ökologischen Kreisläufen gearbeitet wird und weiterhin vermeidbare konventionelle Komponenten (wie z.B. Kraftfutter und Dünger) erlaubt sind." Diesen Ansatz verfolgen übrigens auch die Öko-Anbauverbände Bioland und Demeter. So hat die Bundesdelegiertenversammlung von Bioland im November 2002 die Weichen für 100%-Biofütterung gestellt. "Bei der Erzeugung von Bioland-Produkten dürfen zukünftig grundsätzlich keine konventionellen Futtermittelkomponenten mehr eingesetzt werde", schreibt Bioland. Nur wenn aufgrund von Futterknappheit den Tieren Schaden droht, könnten ab Oktober 2003 wenige Einzelkomponenten in geringen Prozentanteilen aus konventioneller Erzeugung zugefüttert werden. Damit setze Bioland bei seiner Qualitätsoffensive einen wesentlich engeren Rahmen, als dies die EG-Ökoverordnung und bisher übliche Verbandsstandards vorsehen. Juni vergangenen Jahres hatte bereits der Öko-Anbauverband Demeter angekündigt, "als erster Anbauverband in Kürze 100-Prozent-Öko-Futter für Rinder erreichen."



Kommentar von Norbert Suchanek

Gerechte Preise für Öko-Bauern und Verbraucher


Niedrige Preise für Bio-Milch und andere ökologische Nahrungsmittel sind im Grunde nichts Schlechtes. Schließlich wollen wir doch alle die Öko-Nahrungsmittel aus der Luxus-Nische herausbringen und Bio-Produkte für alle Menschen, auch für Sozialhilfeempfänger kaufbar machen. Dass nun Supermarktketten die Gunst der Stunde nutzen und sich beispielsweise mit Bio-Milch einen Preiskampf liefern, könnte uns Verbrauchern und der Umwelt deshalb eigentlich nur Recht sein. Wenn die niedrigen Preise allerdings zu Lasten der Bauern gehen, dann ist etwas falsch am System. Höhere Preise und zurück zur kuscheligen Luxus-Nische für Öko-Produkte kann dabei aber langfristig nicht die Lösung sein. Die Direktorin der International Society for Ecology and Culture, Helena Norberg-Hodge, warnt bereits seit Jahren vor einer Hochpreispolitik für ökologische Produkte. "Wenn sich Gruppen für nachhaltige Landwirtschaft, für Naturschutz und bessere Nahrung einsetzen und dabei die versteckten Subventionen nicht berücksichtigen, dann riskieren sie in die Falle zu tappen und zu argumentieren, dass Konsumenten mehr für ihr Essen zahlen sollten, um die Bauern ausreichend zu finanzieren. Dieser Ansatz aber grenzt die Armen aus", schreibt sie im Ecologist. Außerdem werde dadurch die Kampagne für Öko-Produkte in das negative Licht des Elitismus gerückt. Bio-Nahrungsmittel aus der Region, so Helena Norberg-Hodge, seien aber in Wirklichkeit nicht teurer, sondern eher billiger als konventionelle Produkte, wenn sich die wahren Kosten für diese konventionellen Produkte auf dem Preisschild widerspiegelten. Ihrer Meinung nach ist es deshalb wichtig alles zu tun um das System, das Umweltzerstörung und De-Regionalisierung z.B. durch Straßenbau für lange Transportwege subventioniert, zu ändern. Helena Norberg-Hodge: "Wir haben die Kraft die Dinge zu ändern. Das zerstörende globale System existiert nur solange wie wir es akzeptieren und unterstützen."



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