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Presse-Stelle:  Dr. Franz Alt Journalist, D-76530 Baden-Baden
Rubrik:Soziales u. Gesellschaft    Datum: 11.06.2002
Wie besiegen wir den Hunger von einer Milliarde Menschen?
Tagtäglich sterben hunderttausend Menschen an Hunger - eine schier unfassbare Zahl. Doch es gibt Lösungen und es gibt Projekte, die das Elend lindern. Franz Alt zeigt Wege der Hoffnung.

An dem Tag, an dem Sie diese Zeilen lesen, sterben wieder 100.000 Menschen durch Hunger. 1976 hat die UNO in einem Hungerbericht behauptet: "In 10 Jahren wird kein Mann, keine Frau und kein Kind auf dieser Erde mehr mit leerem Bauch schlafen gehen." Seither sind etwa eine Milliarde Menschen verhungert! Auf dem "World Food Summet" 1996 in Rom hieß es: "Bis 2015 werden alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Anzahl der Hungernden auf der Erde um die Hälfte zurückgeht."

Mitte der siebziger Jahre hat die sozialliberale Regierung von Helmut Schmidt den Entwicklungsländern zugesagt, Deutschland werde künftig 0,7 Prozent seines Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe ausgeben.1991 hat der christdemokratische Kanzler Kohl dieses Ziel bekräftigt. Heute, im Jahr 2002, gibt die rot-grüne Bundesregierung gerade mal ein Drittel der versprochenen Hilfe für die Entwicklungsländer aus. Global sieht es nicht besser aus:

Die UNO hat in einem Jahr soviel Geld zur Verfügung wie die NATO in 1,5 Tagen.
Wie aber soll es Frieden geben ohne mehr Gerechtigkeit?

Der größte soziale Skandal, der das Gesicht unseres Planeten entstellt, ist der weltweite Hunger und das weltweite Verhungern. Jetzt, im Juni 2002, gibt es in Rom wieder einen Welternährungsgipfel der UNO! Mit welchem Ergebnis?

Sicher ist: auf unserer Erde wächst mehr als genug für alle. Die UNO geht davon aus, dass unser Planet etwa 12 Milliarden Menschen ernähren könnte - 6 Milliarden sind wir heute. Unter diesen sechs Milliarden hungern zwar eine Milliarde. Aber noch mehr, etwa 1,2 Milliarden, leiden an Übergewicht. In Afrika sterben Millionen an Hunger, in den USA Millionen an Fresssucht. Das Hungerproblem ist primär ein Verteilungs- und ein Armutsproblem. Nahrungsmittel gibt es genug. In den USA und in Europa werden Überschüsse vernichtet.

Die andere Seite des Skandals:
  • In der Karibik und in Lateinamerika hungern 14 Prozent der Bevölkerung;
  • in Ost- und Südostasien sind es 18 Prozent und
  • in Afrika gar 35 Prozent - jeder Dritte!
  • Neu ist, dass auch in Russland viele Menschen hungern. Russen
    sterben im Durchschnitt 17 Jahre früher als die Menschen in Schweden.
Hunger und Verhungern ist weder eine "Weisheit der Natur" noch unumgänglich. Der Hunger kann besiegt werden, wenn weltweit wirklich der politische Wille dazu vorhanden ist.
Mit dem Geld eines einzigen "modernen" Waffensystemens, zum Beispiel dem jetzt geplanten Raketen-Abwehr-Schild der USA im Weltraum, wäre der Hunger ein für allemal zu überwinden.
Das wäre ein wirklicher Beitrag zum Frieden. Was aber George W. Bush mit seinem neuen Raketensystem betreibt und seinem neuen Militärrekordhaushalt, ist ein neuer Beitrag zum Wettrüsten und zum Hungertod von Millionen. Die weltweite Anti-Terror-Koalition wird erfolglos bleiben, wenn es nicht endlich eine weltweite Anti-Hunger-Koalition gibt.

Warum der Magen bei vielen leer bleibt
Das Schlimmste am Hunger ist, dass er von Generation zu Generation "vererbt" wird. Millionen von schwer unterernährten Müttern gebären Millionen schwer geschädigte Kinder.

Hunger hat vielfältige Gründe:
  • Wassermangel, verseuchtes Wasser und Klimawandel;
  • der Fleischhunger der Menschen auf der nördlichen Erdhalbkugel; unsere Schweine fressen die Lebensmittel der Ärmsten;
  • Bodenerosion und Wüstenbildung in ehemals fruchtbaren Regionen;
  • die Habgier und die Manipulationen der Internationalen Getreidehändler und der internationalen Spekulanten, denen ihre Profitmaximierung viel wichtiger ist als die Hungernden in Haiti, Äthiopien oder Tschad;
  • und schließlich die vielen Bürgerkriege in Dritt-Welt-Ländern oder korrupte politische Regime wie in Nordkorea oder im Irak.
"Wir stehen", sagt der "Hunger-Botschafter" der Vereinten Nationen, der Schweizer Soziologie Professor Jean Ziegler, "an der Schwelle einer gigantischen Revolution: vor dem Ende des Landlebens und der Verstädterung des Planeten." Landflucht bedeutet Megastädte und Hunger. Heute lebt schon jeder zweite Mensch in einer Großstadt. Aber die Anzahl der Stadtbewohner wächst dreimal so schnell wie die Weltbevölkerung. Hauptsächlich in Dritt-Welt-Ländern fliehen die Menschen vom ausgedörrten Land in die Slums der Megastädte. Sind die Katastrophen unabwendbares Schicksal? Oder sind wir noch zu retten?

Wissenschaftler in den USA haben errechnet, dass jetzt um die Jahrtausendwende 40 Prozent aller Menschen durch die zerstörte Umwelt sterben.
Sie kamen zum Schluss, dass Klimaveränderungen nicht nur zum Ansteigen von Temperaturen, sondern auch zum Ausbreiten von Krankheiten führen, besonders in den Slums der schnellwachsenden Millionenstädte. Unterernährung und die Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden schwächen den menschlichen Organismus und machen ihn anfälliger für Krankheiten. Doch schon heute gibt es auch in Dritt-Welt-Ländern erste Beispiele für positive Zukunftsentwicklungen.

Solarenergie - ein wichtiger Baustein für den Wohlstand
Das Dörfchen Balde de Leyes in Argentinien gehört dazu. Das Freiburger Frauenhofer-Institut hat hier und in einem weiteren Dutzend Dörfer "Solar Home Systems" errichtet und Strom ins Dorf gebracht. Früher gingen viele arbeitsfähige Erwachsene und fast alle Jugendliche in die nächst größere Stadt. Dort gab es Arbeit und Elektrizität. Die gibt es jetzt auch im Dorf. Und deshalb funktioniert die alte Wasserpumpe wieder, abends gibt es Fernsehprogramme und im Sommer kalte Milch aus dem Kühlschrank. Die Kinder können am Abend mit Hilfe von Solarstrom ihre Hausaufgaben machen und besuchen deshalb die Schule im Dorf. Seither ist keine Familie mehr weggezogen. Die Landflucht ist gestoppt.

In wenigen Jahrzehnten gehen die alten Energiequellen wie Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran zu Ende.

Allein die weltweite Umstellung auf erneuerbare, umweltfreundliche und preiswertere Energiequellen in den nächsten Jahrzehnten ermöglichen Frieden und Wohlstand für alle.
Wir können an einer Entwicklung mitarbeiten, die dazu führt, dass schon in wenigen Jahrzehnten auf dieser Erde kein Kind mehr verhungern muss. Frieden ist möglich durch ökonomische Entwicklung. Und ökonomische Entwicklung ist möglich mit Hilfe von erneuerbaren Energien.

Es ist absehbar, dass spätestens 2050 die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in Entwicklungsländern auf zwei sinken wird. Bis dahin werden wir etwa acht bis neun Milliarden Menschen sein. Danach wird die Zahl zurückgehen wie heute schon in Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz. Denkbar ist, dass wir 2100 noch fünf Milliarden, 2300 noch drei Milliarden und im Jahr 3000 noch eine Milliarde Menschen auf diesem Planeten sein werden, sagen uns Bevölkerungssoziologen.

Welche Bedingungen müssen also gegeben sein, damit wir ein gutes neues Jahrtausend erleben und den Hunger besiegen?
  • Erneuerbare Energiequellen und bessere Energie-Effizienz
  • Globale ökonomische Entwicklung
  • Rückgang des Bevölkerungswachstums
  • Wohlstand und Arbeit für alle in demokratischen Verhältnissen.

Das ist das Kontrastprogramm zum heute vorherrschenden globalen Brutal-Kapitalismus: eine sozial-ökologisch orientierte Marktwirtschaft. Die Globalisierung muss mit sozialen und ökologischen Regeln ordnungspolitisch gebändigt werden. Wie das gehen könnte? Zum Beispiel so: Anfang 2001 erlebe ich in Südindien gleich zwei "Wunder", die Hoffnung auf Zukunft vermitteln - auch in der Dritten Welt.

Ein "Wunder" in Südindien
Ein gutes Beispiel dafür ist das Gemeinschaftsprojekt in der Nähe der südindischen Stadt Hyderabad. Hier haben Frauengruppen mit Förderung der deutschen Andheri-Hilfe in Bonn ein ökologisches Wunder vollbracht. In den letzten 10 Jahren war die Hälfte der 10.000 Ureinwohner - ursprünglich Bauern - in Slums der Großstädte geflüchtet. Das Land war abgeholzt, der Boden ausgedorrt und erodiert, der Grundwasserspiegel permanent gesunken. Neben dem Abholzen gilt die globale Erderwärmung als Ursache für die Katastrophe.

Doch die Frauen haben ein neues Wassermanagement gelernt. Das heißt: Dämme gebaut, Terrassenfelder angelegt und aufgeforstet. Mit unglaublichem Geschick und viel Energie wurde aus dem verdorrten Land ein blühender Garten Eden.

30.000 Bäume wurden gepflanzt. Mehrere Dutzend Brunnen gebaut. Der Grundwasserspiegel steigt wieder. "Wasser ist Gold. Wasser ist wichtiger als Gold", erzählen uns die Frauen begeistert und tanzen dankbar um einen Kokosnussbaum.

Alle Flüchtlinge kommen jetzt zurück, alle Kinder gehen in die Schule. Regierungsvertreter bezeichnen die nachhaltige Entwicklungsarbeit der Andheri-Hilfe als vorbildlich. Wir sehen saftige grüne Reisfelder, große Viehherden und unendlich glückliche Menschen, die konsequent ökologischen Landbau betreiben. Zu BSE-Zeiten wird deutlich, dass dies auch vorbildlich für Deutschland ist. Nicht mit Hilfe der Gentechnik haben diese BäuerInnen den Hunger überwunden, sondern mit Hilfe des ökologischen Landbaus.

Ein ähnliches Wunder, wiederum organisiert von Frauen, erleben wir noch einmal. Wir sind in Dörfern um die südindische Stadt Mysore. Hier begann vor 12 Jahren die Arbeit der Andheri-Hilfe mit Frauen. Wir sehen und spüren es auf Schritt und Tritt: Alle Kinder gehen zur Schule. Frühere Tagelöhner und Arbeitslose sind jetzt selbstständige Bauern. Jedes Haus hat Wasser und eine Biogasanlage. Zwei Kühe liefern ausreichend umweltfreundliche Energie. Die Häuser sind ökologisch gebaut. Ziegel werden von den Frauen selbst hergestellt. Frauen haben ihre eigene Bank gegründet und eine Milchgenossenschaft. Kredite werden pünktlich zurückgezahlt. Sie investieren in Kinder, Haus, Tiere und ein eigenes kleines Geschäft.

Die 30-jährige Elisabeth Rani zum Beispiel erzählt uns, dass sie mit Hilfe eines Frauenkredits eine Nähmaschine kaufen konnte und jetzt vielen Frauen Kleider nähen kann. Selbst aus den Nachbardörfern kommen ihre Kundinnen. Ihrer Familie geht es gut. Ihr Mann Antonitad sagt uns: "Ich bin stolz auf meine Frau."

Für das noch immer frauenfeindliche hinduistische Indien sind solche Entwicklungen eine Kulturrevolution. 143.000 Frauen sind dank der Andheri-Hilfe heute in Gruppen organisiert. In fünf Jahren wollen sie eine Million sein. Indiens Frauen verändern ihre Welt. Hier ist Entwicklung weiblich. Seit 20 Jahren zeige ich Fernsehfilme über die Arbeit der Andheri-Hilfe. Ich kann für die Effizienz dieser Hilfsorganisation garantieren. Deshalb nenne ich unten die Kontonummer und Adresse.

Heute haben die vier reichsten Männer der Welt so viel Geld wie die eine Milliarde der Ärmsten. Ursache: die totale Freiheit des Kapitals. Das so genannte "freie Spiel der Kräfte" ist zu einem "freien Spiel der Kräftigen" verkommen.

Die totale Freiheit des Marktes ohne Verantwortung für die Hungernden ist pervers und inhuman.

So wie die Menschheit den Kalten Krieg beenden konnte, kann sie auch den Hunger besiegen. Die Beispiele im Kleinen, die ich hier genannt habe, sind übertragbar auf das große Ganze. Was für ein paar Hunderttausend Menschen möglich ist, gelingt auch für eine oder zwei Milliarden, wenn es wirklich, wirklich gewünscht wird.

Hunger ist kein Schicksal, er ist gemacht. Und deshalb kann er auch überwunden werden.
Was wir dafür brauchen? Einen wirklichen Bewusstseinswandel bei vielleicht drei oder fünf Prozent der Menschheit. Wir müssen daran glauben und entsprechend dafür arbeiten.



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Videotipp: "Entwicklung ist weiblich - Indiens Frauen verändern ihre Welt"
Das Video erhalten Sie für € 5.-- bei der Andheri-Hilfe Bonn
Als Reportage hier nachzulesen.

Surftipp: Unter dem Motto: "Fortschritt durch mehr Menschlichkeit" feierte in Bonn die Hilfsorganisation Andheri-Hilfe ihren 35. Geburtstag.

Andheri-Hilfe Bonn
Mackestr. 53 - 53119 Bonn
Telefon (0228) 67 15 86 - Telefax (0228) 68 04 24
E-Mail: andheri.bonn@andheri.org




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