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 ECO-News - die grüne Presseagentur
Presse-Stelle:  Dr. Franz Alt Journalist, D-76530 Baden-Baden
Rubrik:Gesundheit    Datum: 04.06.2002
Nitrofen in Geflügelprodukten
Die Ursache der Nitrofen-Belastungen scheint geklärt - was ist bisher bekannt?
Nach den bis heute bekannten Ermittlungen wurde das mit Nitrofen belastete Öko-Getreide in einer Lagerhalle einer Saatgutfirma in Malchin / Mecklenburg-Vorpommern mit dem verbotenen Unkrautvernichtungsmittel verseucht. In der Halle bei Neubrandenburg lagerten zu DDR-Zeiten die Staatsreserven für Pestizide. Nach Untersuchungen der Behörden war die Lagerhalle hochgradig mit Nitrofen verseucht. In einer Staubprobe aus der Lagerhalle wurde eine Konzentration von 2 Gramm Nitrofen pro Kilo Staub nachgewiesen. Der Grenzwert für Lebensmittel liegt bei 0,01 mg pro Kilo. Auch Belastungen mit Lindan und DDT wurden entdeckt. Laut Presseagentur dpa hatte die Saatgutfirma die Halle in Malchin im Oktober 2001 gemietet und dort Öko-Getreide aufbewahrt. Nach der Wiedervereinigung hatte die Treuhand 1990 das Lager privatisiert. Der Bund hatte das Gebäude laut dpa später ohne Auflagen verkauft.

Wurde der verursachende Betrieb durch Naturland zertifiziert?
Die Norddeutsche Saat- und Pflanzgut AG (NSP), die das kontaminierte Lager in Malchin benutzte, ist nicht durch Naturland zertifiziert.
Die Futtermühle GS agri ist durch Naturland zertifiziert und berechtigt gewesen, an Naturland und andere Ökobetriebe, z.B. Bioland, Futter zu liefern. Es handelt sich dabei um eine Futtermühle, die sowohl herkömmliche als auch ökologische Futter vertreibt. Die Produktion zur Herstellung der Ökofutter findet an einem getrennten Standort statt, der Ökomühle Hackstette. An diesem Standort wird ausschließlich Ökofutter verarbeitet.
Die Firmen Wiesengold, und Grüne Wiesen Bio Höfe und weitere Höfe an die kontaminiertes Futter geliefert wurde, sind u.a. Naturland zertifiziert.

Wurde in der Halle nur Öko-Weizen gelagert?
Laut dpa wurden in der Lagerhalle außer den nach Niedersachsen zu GS agri gelieferten 304 Tonnen Öko-Weizen noch 50,6 Tonnen Lupinen und 72 Tonnen anderer Weizen in der Halle gelagert. Die Lupinen seien vollständig ausgeliefert worden, vom Getreide befänden sich noch 10 Tonnen in der Halle. Nach dem Verbleib der Leguminosen und des Getreides wird von den Behörden gefahndet.

Welche Geflügelprodukte waren von der Belastung mit Nitrofen-Rückständen betroffen?
Nitrofen wurde in Hähnchen- und Putenfleisch bzw. -wurstwaren gefunden. Auch in Eiern wurde Nitrofen gefunden. Die Tiere hatten belastetes Futter gefressen, das von GS agri, geliefert worden war, die wiederum Getreide, welches in der betroffenen Lagerhalle in Mecklenburg eingelagert wurde, bezogen hatte.

Welche Maßnahmen zum Verbraucherschutz haben die Unternehmen ergriffen?
Erste bestätigte Funde von Nitrofen in Geflügelfleisch gab es nach jetzigem Kenntnisstand bei einem Verarbeiter im Januar 2002. Das Fleisch wurde bei diesem Verarbeiter zur Verarbeitung gesperrt, gelangte also nicht in den Verkauf. Das Fleisch bei anderen Verarbeitern wurde ebenfalls gesperrt bzw. zurückgerufen oder eine Untersuchung angeordnet. Die Geflügelerzeuger veranlassten Untersuchungen der Wasserquelle, Impfstoffen, Futtermittel, Einstreu, Pflanzen in der Auslauffläche und Rückstellproben von Futter, um die Quelle der Belastungen zu finden. Seit Auftauchen der ersten Belastung haben die Unternehmen nach ihren Angaben laufend Futtermittel untersuchen lassen. Als Quelle der Belastung konnte eine Partie Weizen ausgemacht werden. Die Futtermittelanalysen wurden nach Angaben des Unternehmens fortgesetzt.
Putenwurst, in die belastetes Fett verarbeitet wurde, und TK-Ware wurde allerdings erst im April aus dem Handel zurückgerufen.
Ende April wurden dann erneut Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln gefunden. Nach den Naturland vorliegenden Informationen hat die Futtermühle nach Bekannt werden der neuerlichen Belastung am 10. Mai Futterauslieferungen gesperrt, die Rezepturen auf unbelastete Futterkomponenten umgestellt und das möglicherweise belastete Futter von den Erzeugerbetrieben zurückgeholt. Gleichzeitig wurden auch Untersuchungen in Geflügelherden vorgenommen, sowohl in Mast- als auch in Legehennenbetrieben. Tierbestände wurden nach Angaben der Unternehmen bei Belastung sofort gesperrt. Am 23. Mai wurde von dem Legehennenbetrieb eine Rückrufaktion von Eiern aus dem Handel gestartet. Weitere Eierchargen wurden am 17. Mai nach Angaben des betroffenen Unternehmens vorsorglich gesperrt und kamen nicht in den Handel. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Mecklenburg-Vorpommern vom 29.05. wurden in sechs Eier-Proben der gesperrten Ställe Nitrofen Belastungen bis zum 18-fachen des Grenzwertes festgestellt.

Hat es Versäumnisse gegeben?
Staatsanwaltschaften und Lebensmittelbehörden fällt die Aufgabe zu, ungesetzliches Verhalten nach Lebensmittel- bzw. Futtermittelrecht, etwaige Versäumnisse der Unternehmen im rechtzeitigen Rückruf von belasteten oder möglicherweise belasteten Produkten bzw. in der Sorgfaltspflicht bei Rückstandsuntersuchungen zu recherchieren, zu bewerten und ggf. zu ahnden.
Die zertifizierten Unternehmen haben Naturland nur mit Verzögerung und zum Teil unvollständig informiert. Ob darüber hinaus Richtlinienverstösse vorliegen, muss geprüft werden. Selbstverständlich wird dies Sanktionen bis hin zum Ausschluss verbunden mit Schadensersatzforderungen nach sich ziehen können.

Was hat Naturland unternommen?
Naturland wurde Anfang April telefonisch von dem ersten Fall der Nitrofenbelastungen, die Anfang des Jahres aufgetreten waren, informiert. Zu diesem Zeitpunkt war die für die Überwachung des Ökokontrollverfahrens verantwortliche Behörde in Brandenburg bereits informiert. Naturland forderte daraufhin von den betroffenen Unternehmen vollständige Aufklärung und Informationen über die daraufhin ergriffenen Qualitätssicherungsmaßnahmen der Unternehmen. Nach den vorgelegten Informationen war kontaminierte Ware - nach damaliger Sachkenntnis - nicht an den Verbraucher gelangt.
Nachdem Anfang Mai ein zweites Mal Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln gefunden worden waren, von denen Naturland am 16.5. (Donnerstag vor Pfingsten) informiert wurde, sprach Naturland am selben Tag vorsorglich ein Kennzeichnungsverbot mit dem Naturland Zeichen für alle Produkte aus, falls durch weitere Untersuchungen Nitrofen-Rückstände in Tieren oder Produkten nachgewiesen werden. Naturland forderte die betroffenen Unternehmen auf, sowohl Naturland als auch ihre Kunden umfassend zu informieren. Am 21. Mai erhielt Naturland dann erstmals schriftliche Informationen über Rückstandsmessungen. Nach Auswertung dieser Untersuchungen informierte Naturland am 23. Mai selbst die Futtermittelhersteller und Mühlen - auch die Speisemühlen - über die mögliche Gefahr. Naturland informierte am selben Tag zuerst schriftlich das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) und anschließend die Öffentlichkeit.

Besteht eine unmittelbare Gesundheitsgefahr?
Ob eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für Verbraucher vorliegt oder nicht, schätzt jeweils die zuständige Lebensmittelbehörde ein. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) spricht am 28.05. von "einem unzureichenden Sicherheitsfaktor zu der niedrigsten Dosis im Tierversuch, bei der noch schädliche Effekte auftraten", bezogen auf die höchste Rückstandskonzentration, die bis zum jetzigen Stand im Putenfleisch gefunden wurde. Frau Dr. Irene Lukassowitz, die Pressesprecherin des BgVV in Berlin geht "von einem sehr geringen Risiko für den Verbraucher aus. Es besteht aber ein Restrisiko, insbesondere für Schwangere", so die Expertin.

Was mache ich mit Bio-Eiern der betroffenen Unternehmen, die ich jetzt im Kühlschrank habe?
Seit 17. Mai wurden von der Wiesengold GmbH keine Eier mehr in den Handel geliefert.
Noch im Handel befindliche Eier wurden am 23. Mai komplett zurückgerufen.
Die Wiesengold GmbH hat Naturland gegenüber versichert, dass sie gegenüber dem Endverbraucher folgendes erklärt habe: "Falls Sie ältere Eier der Wiesengold GmbH ("Tiemann's Bio-Ei", "Grüne Wiesen Biohöfe") haben, können Sie sie zurückbringen. Wiesengold erstattet den Kaufpreis."

Sind möglicherweise noch belastete Geflügelprodukte im Handel?
Dieser Frage gehen die Behörden jetzt nach. So lange nicht restlos geklärt ist, was an weiteren Futtermitteln in der verseuchten Lagerhalle gelagert wurde und wohin es geliefert worden ist, gibt es darüber noch keine Gewissheit.

Ist Milch möglicherweise belastet?
Nach einer Stellungnahme von Prof. Paul Teufel, Bundesanstalt für Milchforschung tritt Nitrofen nicht in Milch und Körperflüssigkeiten über. Auch Abbauprodukte von Nitrofen seien im Tierversuch nicht nachweisbar.

Fleisch?
Bei einem Schweinemäster, der ebenfalls über GS agri ein Ergänzungsfuttermittel bezogen hatte, wurden im Futter zum Teil Nitrofenrückstände festgestellt. Ob auch die Tiere belastet sind, steht noch nicht fest. Erzeuger, Futtermühlen und Verarbeiter beproben Produkte, um sicher stellen zu können, dass keine belastete Ware in den Handel gelangt. Veterinärbehörden und staatliche Stellen sind eingeschaltet.

Wie ist der Weg der anderen Futtermittel?
Weitere Abnehmer, die womöglich Getreide über das kontaminierte Lager bezogen haben, werden derzeit von den Behörden ermittelt. Erzeuger, Futtermühlen und Verarbeiter recherchieren ebenfalls die Herkünfte von allen Getreidelieferungen. Veterinärbehörden und staatliche Stellen sind eingeschaltet.

Kann ich auch in Zukunft Bio-Produkte kaufen?
Es ist jetzt so wichtig wie nie, dass sich Verbraucher für Öko-Produkte entscheiden. Durch welche kriminellen Machenschaften oder Schlampereien auch immer das Nitrofen in Produkte gekommen ist, letztendlich ist der Öko-Landbau hier Opfer. Dies hat auch Verbraucherministerin Renate Künast jetzt betont: "Das ist und war kein Ökoskandal."
Solche Probleme wie das vorliegende mit einem Pestizid, das von der chemischen Industrie gemacht wurde und im Ökologischen Landbau immer schon verboten war, hat der Öko-Landbau nicht zu verantworten. Die Umweltorganisation Greenpeace fordert jetzt von der Chemieindustrie eine Entschädigung der vom Skandal betroffenen Öko-Höfe. Es sei nicht hinnehmbar, dass Konzerne, die jahrelang an dem Gift verdienten, für die Spätfolgen überhaupt nicht haften.
Wie man sieht, bietet nicht einmal das Verbot eines solchen Mittels Sicherheit, dies gilt solange chemisch-synthetische Agrochemikalien für den Einsatz in der Landwirtschaft entwickelt und zugelassen werden. Naturland wird sich deshalb auch zukünftig nachdrücklich für die Umstellung der Landwirtschaft auf den Ökologischen Landbau einsetzen. Ökologischer Landbau , der auf solche Agrochemikalien vollständig verzichtet, ist eine Investition in den vorbeugenden Verbraucherschutz.

Was ist Nitrofen?
Nitrofen ist ein Herbizid, also ein Unkrautvernichtungsmittel. Nitrofen ist ein braunes, kristallines Pulver, das in Form von Granulat gehandelt wurde.
Die Nachweisgrenze liegt bei 0,004 mg/kg.
Nach der Rückstands-Höchstmengenverordnung (RHmV) v. 21.10.1999 gilt eine tolerierbare Höchstmenge von 0,01 mg/kg Lebensmittel.
Chemischer Aufbau:
2,4 Dichlor-1-(4-nitrophenoxy)benzol
2,4-Dichlorphenyl-p-nitrophenylether
C12H7Cl2NO3

Ist Nitrofen ein zugelassenes Mittel?
Die Anwendung von Herbiziden ist im Ökologischen Landbau generell verboten.
Für den konventionellen Landbau wurde Nitrofen 1988 in der Europäischen Union und 1990 auch in den Neuen Bundesländern verboten. Aus diesem Grund wurde auch nur in einigen Labors routinemäßig auf Nitrofen untersucht.

Wie wirkt Nitrofen?
Nitrofen gilt als Chemikalie, die in das Hormonsystem eingreift. Es ist ähnlich aufgebaut wie ein Schilddrüsenhormon. Nitrofen gilt als mutagen (erbgutverändernd) und steht im Verdacht, kanzerogen (krebserzeugend) zu sein. Nitrofen reichert sich bei Masttieren über die ganze Fütterungszeit im Fettgewebe an und wird nicht abgebaut. Bei Legehennen kann es in die Eier übergehen.

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.naturland.de

Naturland Verbraucher Info ¨Verantwortlich: Gerald A. Herrmann
Naturland - Verband für naturgemäßen Landbau e.V.
Kleinhaderner Weg 1 ¨ 82166 Gräfelfing ¨ ' 089-898082-0 ¨ Fax 089-898082-90
naturland@naturland.dewww.naturland.de




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