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Presse-Stelle:  Ökologischer Jagdverein e.V., D-88289 Waldburg
Rubrik:Naturschutz    Datum: 30.03.2002
Nachtjagd auf Schalenwild
Positionsbestimmung des ÖJV
Grundsätze ÖJV
Nach den Grundsätzen des ÖJV müssen sinnvolle Jagdmethoden möglichst effektiv, störungsarm und daher tierschutzgerecht sein. Sie haben einerseits wildbiologische Erkenntnisse zu berücksichtigen, andererseits soll insbesondere die Bejagung des Schalenwilds sich an dem Erhalt und der Förderung naturnaher Lebensräume orientieren. Darüber hinaus hat die Jagd in dem dadurch gegebenem Rahmen die Aufgabe, eine naturnahe Forstwirtschaft zu ermöglichen sowie unzumutbare Schäden in der Landwirtschaft zu verhindern.

Situation
Nach geltendem Jagdrecht wird auch bei der Regelung der Nachtjagd aufgrund einer aus ethischer und jagdpraktischer Sicht nicht nachvollziehbaren, überholten Weidgerechtigkeit mit zweierlei Maß gemessen. Raubwild als vermeintlicher Schädling und Konkurrent darf ohne Einschränkungen nachts bejagt werden. Das diesem in vieler Hinsicht (keine Abschussplanung, weniger Sorgfalt bei der Schussabgabe, kurze Schonzeit nur für Elterntiere) gleichgestellte Schwarzwild, obwohl es zum "Hochwild" zählt, ist ebenfalls nachts vogelfrei. Das übrige Schalenwild und Federwild (bis auf wenige Ausnahmen) darf nicht bejagt werden. Für das Rotwild gelten aufgrund hohem Schadendrucks in vielen Regionen Ausnahmegenehmigungen.
Letztlich sind es keine wildbiologischen, sondern Argumente der deutschen "weidgerechten" Willkür und mittlerweile obsoleter jagdlicher Traditionen, die diese Auswahl bedingen.


Biologie
Aus vermenschlichter Sicht drängt sich häufig spontan der Gedanke auf, den bedrängten und langem Jagdstress ausgesetzten Tieren wenigstens in der Nacht Ruhe zu gönnen.
Doch wenn wir möglichst naturnah jagen wollen, wäre die Nachtjagd aus Sicht der Beutetiere die natürlichste Sache der Welt, denn auch und oft gerade dann sind Prädatoren aktiv. Eine ungestörte Nachtruhe ist den Gejagten ebenso fremd wie ein angstfreies oder ungefährdetes Dasein am Tage.
Der Mensch ist als "Augentier" bei der Jagd auf sein Sehvermögen angewiesen, nachts hat er nur Erfolg unter besonderen Bedingungen (Schnee, Mond) und mit zusätzlichen Hilfsmitteln (Zielfernrohr, künstliches Licht). Die Verwendung künstlicher Lichtquellen ist in Deutschland im Gegensatz zur ständig steigenden Zahl und Raffinesse anderer technischer Hilfsmittel nicht erlaubt, da nicht weidgerecht.

Ziel
Zu unterscheiden ist, ob Ziel der Nachtjagd bloßes Beutemachen (Fuchs), Abschusserfüllung und Reduzierung der Wildbestände (Reh, Rotwild) oder der Vertreibungseffekt (Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft) sind oder für eine Wildart mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden sollen.

Für den bundesdeutschen Durchschnittsjäger, der die Jagd in seiner Freizeit ausübt und nach wie vor der Einzeljagd verhaftet ist, ist die abendliche Dämmerung die bevorzugte Jagdzeit. Dabei wird bis zum letzten Büchsenlicht in den Wald gefahren, angesessen, eventuell auch geschossen, das Wild versorgt und abtransportiert. Durch immer weitere Perfektionierung der Optik kann die nutzbare Phase schwindenden Lichts immer weiter ausgedehnt werden. Darauf reagiert das Wild zwangsläufig mit der Verschiebung der Aktivitäten in die Nacht. Nicht der am helllichten Tag agierende Wanderer, Landwirt oder Jogger ist dafür verantwortlich, wie das oft vorschnell seitens der Jägerschaft behauptet wird.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Wild, das am Tage bejagt wird, seine sichtbaren Aktivitäten in die Dämmerung verlegt und Dämmerungsjagd die Nachtaktivität bedingt. Dem trugen auch früher manche der hirschgerechten Weidmänner Rechnung, indem sie bereits bei noch gutem Büchsenlicht abbaumten, um das Wild nicht zu stören. Hingegen waren das Abklingeln der Felder oder die Treibjagd bei Mondschein als effiziente Jagdarten durchaus üblich.


Folgerungen für die Praxis
Auch wenn im Folgenden wildbiologische und soziologische Erkenntnisse vereinfacht dargestellt sind, sollte den artspezifischen Unterschieden bei der Jagdpraxis doch Rechnung getragen werden. So ist beispielsweise der Störeffekt für das eher territorial und solitär lebende Reh sehr viel geringer als für das eher in größeren und festeren Sozialverbänden organisierte Rot- oder Schwarzwild. Wird aus einer Rotte oder einem Rudel ein Stück herausgeschossen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Rest die Kirrung oder das Feld meidet. Ihr Aktionsradius ist wesentlich größer, besonders die Sauen können weit umher "vagabundieren". Im Gegensatz dazu überwiegt beim Rehwild überwiegt die Bindung an den Ort die Bindung an seine Artgenossen, sein Aktionsradius ist wesentlich geringer. Gerade auf die eher sensiblen Arten wird in der Praxis aber nachts "Dampf gemacht", das oft erstaunlich unempfindliche Reh dagegen unbehelligt gelassen, seine Erlegung ist verboten.

Rehwild: Besonders bei frühwinterlichen Witterungsbedingungen (Frost, leichte Schneedecke) ist beim Rehwild die Kirrjagd eine sehr erfolgsträchtige und aus o.g. genannten Gründen auch störungsarme Jagdart. Dann können bei einem Ansitz oft auch mehrere Stücke in kurzer Zeit erlegt werden, so dass es keinesfalls mit Sanktionen belegt werden darf, wenn sich dieser Ansitz in die Nachtstunden hinein erstreckt. Die Unterscheidung von Kitzen und erwachsenen Stücken ist relativ einfach, andere Ansprechmerkmale sind im Winter nicht erforderlich. Voraussetzung für eine effektive Jagd ist - wie bei der Bewegungsjagd - die Angleichung der Jagdzeit auch des Rehbockes, der versehentliche Abschuss darf keine Ordnungswidrigkeit mehr sein.

Rotwild: Aufgrund der höheren Störungssensibilität ist mit der Bejagung von Rotwild an der Kirrung und zur Nachtzeit weit restriktiver umzugehen als beim Reh. Der notwendige Abschuss ist - den entsprechenden Willen seitens der Jagdausübenden vorausgesetzt - auch leichter auf Bewegungsjagden zu erbringen als beim Rehwild, der Schwerpunkt der Rotwildbejagung ist daher zunehmend auf diese Jagdart zu verlegen.

Schwarzwild: Neben einer mittlerweile in fast allen Vorkommensgebieten notwendigen Bestandsreduzierung oder zumindest Beibehaltung der vorhandenen Dichten sind beim Schwarzwild die Verhinderung von Schäden in der Landwirtschaft Gradmesser sinnvoller Bejagungsstrategien. Kirrung und Einzelabschuss im Wald haben bis zum Herbst ganz zu unterbleiben, lediglich im Feld und Grünland sind gezielte Abschüsse mit Vertreibungseffekt zu tätigen. Dabei kann auf die Nachtjagd nicht verzichtet werden. Auch der Einsatz künstlicher Lichtquellen ist zu erwägen, um einen in dieser Zeit äußerst problematischen Bachenabschuss zu verhindern. Da Sauen bei gutem Mondlicht freie Flächen meiden, müssen zwangsläufig suboptimale Sichtverhältnisse genutzt werden und würde ein "Kunstmond" auch zu tierschutzgerechter Senkung der Zahl der schlechten Schüsse und extrem hohen Nachsuchenrate führen.
Der erforderliche zahlenmäßige Abschuss ist in erster Linie im Spätherbst und Winter auf konsequent durchgeführten Bewegungsjagden zu erfüllen.


Für eine generelle Empfehlung der Praktizierung der Nachtjagd gibt es kein allgemeingültiges, überall anwendbares Patentrezept. Abhängig von den bejagten Wildarten, den Revierverhältnissen, der zeitlichen Flexibilität der Jagdausübenden, dem Wildschadensdruck etc. ist eine angepasste zielführende Jagdstrategie zu wählen. Grundsätzlich ist auch bezüglich der Nachtjagd die Konzentration auf erfolgversprechende Jahreszeiten wichtig, der Schwerpunkt aller jagdlichen Aktivitäten im Herbst und Frühwinter ist sowohl für Bewegungs- als auch Nachtjagd sinnvoll.

Elisabeth Emmert
ÖJV-Bundesvorsitzende
Alte Poststr. 20
57537 Wissen
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