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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Gesundheit    Datum: 20.09.2001
Sichere Kleidung für Kinder
- über das Risiko von Kordeln an Kinderkleidung.
Kinderkleidung wird von uns Eltern ausgesucht und gekauft. Unsere Kinder vertrauen darauf, dass alles, was sie von den Eltern bekommen, sicher ist. Das ist bei Kinderkleidung, die mit Kordeln im Halsbereich oder am unteren Kapuzen- bzw. Jackenrand versehen ist, leider nicht so. In der Vergangenheit sind immer wieder Unfälle mit Kindern bekannt geworden, bei denen die Kleidung eine Rolle gespielt hat.

Hauptsächlich gefährdet sind Kinder (ca. 1,5-12 J.), die bereits laufen können und sich ohne beständige Aufsicht auf dem Spielplatz oder in anderer Umgebung bewegen. Es sind gerade die Kordeln und Bänder an Anoraks, Kapuzen und Sweat-Shirts, die ein Risiko darstellen. Sie verfangen sich in Spalten von Spielplatzgeräten, Rolltreppen, Schulbustüren, Automatiktüren von z.B. U-Bahnen, Fahrradspeichen und Zäunen. Es hat tragische, z. Teil tödliche Unfälle gegeben. Für diese Unfälle gibt es keine besondere Statistik, deshalb reagierte man erst so spät. Oft wird das Gefahrenpotential von den Eltern unterschätzt bzw. nicht ernst genommen. Helfen Sie bitte mit, Gefahren für Kinder abzuwenden.

Das Problem:

In den USA und Groß Britannien sind Kleidungsstücke mit Kordeln verboten. Ebenso in vielen skandinavischen Ländern. In Deutschland muß nun möglichst schnell und unbürokratisch gehandelt werden. Für Spielplatzgeräte hat man mittlerweile eine Lösung in der neuen Spielgerätenorm DIN EN 1176 (gültig seit 1.1.1999) gefunden, um das Risiko zu mindern. Die Gefahren sind jedoch im gesamten Alltagsgeschehen verborgen und hier nicht regelbar, außer durch einen Verzicht der Kordeln an der Kleidung. Die deutsche Textilindustrie ist aufgerufen, freiwillig keine Kleidung mehr mit Kordeln anzubieten bzw. alternative Lösungen zu erarbeiten. Im Rahmen einer Selbstverpflichtungserklärung wurde von den maßgeblichen Textilverbänden ein freiwilliger Verzicht auf Kordeln bereits ausgesprochen. Dieser sieht eine Abverkaufsfrist von Kleidung mit Kordeln bis zum Jahr 2002 vor. Leider ist keine Regelung enthalten für den Fall, dass sich ein Hersteller nicht an die freiwillige Übereinkunft hält. Leider sind Beschränkungen auf Kleidergrößen enthalten, die nach unserer Meinung und Beobachtung nicht ausreichen. Es gibt in der Erklärung der Textilindustrie auch die Verpflichtung zu einer breiten medienwirksamen Aufklärung über das Problem. Dieses Versprechen ist bisher nicht eingelöst worden. Nach eigenen Erfahrungen wissen noch nicht einmal alle Hersteller, hier vor allem mittelständische Unternehmen, um die Problematik. Alle Maßnahmen zur Abschaffung der Kordel werden Zeit in Anspruch nehmen, ebenso wie eine notwendige legislative Regelung, die nur EU-weit gefunden werden kann. Deshalb ist Elternaufklärung besonders wichtig.

Was Eltern tun können:

Wenn Sie bei Ihrer Kinderkleidung feststellen, dass sie mit Kordeln und Bändern ausgerüstet ist:
Kürzen Sie die Bänder so, dass sie maximal 8 cm an jeder Seite heraushängen und auch nicht weiter herausgezogen werden können. Verzichten Sie auf die manchmal klobigen Feststeller.
(Annähen an den roten Punkten)
oder:
Trennen Sie die Kordel in der Mitte auf und nähen Sie sie mit wenigen Stichen zusammen, so dass sie unter Belastung reissen kann.
oder am besten:
Verzichten Sie ganz auf die Kordeln und ziehen Sie einen Gummizug ein oder nähen Sie eine Lasche mit
Klettverschluß an.

Was die Regierung tut:

Im Juli 1999 hat die Kinderkomission des deutschen Bundestages unter Leitung von Peter Stöckel, MdB eine Presseerklärung zu dem Thema herausgegeben und sowohl die Regierung (in diesem Fall das für Produktsicherheit zuständige Wirtschaftsministerium) als auch die Verbände der Textilwirtschaft aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Kinderkleidung sicher wird. Seit Februar 2000 ist ein Gremium unter Federführung des BMWI (BundesWirtschaftsministerium) damit beauftragt, Regelungen auf freiwiliger Basis für die Textilunternehmen zu finden. Mitte des Jahres 2000 wird eine Selbstverpflichtungserklärung von verschiedenen Verbänden der Textilindustrie unterzeichnet, in der auf Kordeln mit möglicher Strangulationswirkung ab der Kollektion 2002 verzichtet werden soll. Gesetzliche Regelungen werden nicht in Angriff genommen, jedoch verweist man auf die Möglichkeiten einer europäischen Direktive.

Was die Industrie tut:

Die Verbände haben relativ schnell auf die Aufforderung zum freiwilligen Verzicht reagiert - siehe oben. Auch haben einige Unternehmen die Ernsthaftigkeit des Problems erkannt und schon neue Kleidungsstücke entwickelt. Sie bieten Kinderkleidung an, die ohne Kordeln auskommt. Andere sehen noch Schwierigkeiten, ihre Kollektion kordelfrei zu gestalten oder möchten aus modischen Gründen auf die Kordeln nicht verzichten. Im Grundsatz gilt jedoch:
Es ist nicht hinnehmbar, dass Kinderleben gefährdet werden, nur weil man auf modische Attribute nicht verzichten will oder weil man eine Umstellung in der Produktion für zu umständlich hält.

Zur aktuellen traurigen Bestätigung der Gefährlichkeit der Kordeln wurde ein Unfall in einer Berliner Kindertagesstätte Ende April diesen Jahres. In der letzten Aprilwoche 2001 starb der 2 1/2 järige Justin S. beim Spielen auf einer Rutschbahn. Die Kordel seines Anoraks verfing sich am Einsitzbereich einer Rutschbahn, er wurde stranguliert und starb nach ca. 5 Minuten, da niemand die lebensbedrohende Situation sah und zu Hilfe kam. Die polizeilichen Ermittlungen richteten sich gegen die Erzieherinnen und gegen die für die Wartung des Spielgerätes zuständige Stelle. Es wurde auch der Frage nachgegangen, ob der Hersteller des Anoraks aus der Produkthaftung heraus verantwortlich sein kann.
Links zum Thema finden Sie auch unter folgenden Adressen:
www.bundestag.de/gremien/a13_kk/kk_p_06.html
home.nikocity.de/simsala/tips.htm#kinder
www.sozialnetz-hessen.de/pgs/men_akt.html
www.evita.de/artikel/0,,35868,.html
www.evz.de/presse/sicher_kordeln.html

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Gefährliche Unfälle mit Kordeln an Kinderkleidung - ein Appell
Stellen Sie sich ein Kind vor, dass sich in der lebensbedrohenden Situation der Strangulation befindet. Eben noch ist es voller Elan im Spiel begriffen und plötzlich hängt es am Hals, wird gewürgt, merkt, dass es sich selbst nicht befreien kann, kann nicht schreien, kann nicht mehr atmen ... und Hilfe kommt innerhalb von 4 Minuten nicht. Stellen Sie sich einen Menschen vor, den man seiner Lebensaufgabe beraubt, dem man plötzlich alle seine Hoffnungen nimmt. Kinder sind ein Großteil der Lebensaufgabe von Eltern und sie sind ihre Hoffnungsträger.

Stellen Sie sich den Schmerz von Eltern vor, die ihr Kind verloren haben. Wieviele Kinderunfälle mit Kordeln an der Kleidung wollen wir uns noch leisten? Können wir es verantworten, nach statistischen Gesichtspunkten abzuwägen, - wann - wir aktiv werden wollen? Natürlich sterben im Straßenverkehr mehr Kinder, natürlich gibt es in der Welt viel mehr Probleme, die viel mehr Menschen treffen. Aber die Unfälle mit Kinderkleidung sind seit geraumer Zeit bekannt, sie sind vorhersehbar und sie sind mit einfachen Mitteln sofort vermeidbar. Es wurden bei der Neufassung der für Gesamteuropa gültigen Spielplatzgerätenorm die Risiken von Kordeln an Kinderkleidung berücksichtigt. Es wurde ein spezieller Test für die gefährlichen Spalten an den gefährdeten Geräten wie Rutschen, bekletterbare Dächer und Rutschstangen eingeführt. Doch das reicht nicht aus.
Nicht nur an Spielplatzgeräten geschehen die manchmal tödlichen Unfälle, sondern überall da, wo sich Maschinen bewegen, die Menschen transportieren: Rolltreppen, Autos, Schulbusse, U-Bahntüren usw. Kein Arbeiter, der z.B. an einer Drehbank steht, käme auf die Idee, sich einen Kittel anzuziehen, an dem eine lose Kordel mit einem dicken Knubbel am Ende hängt. Wir ziehen so etwas aber unseren Kindern an und lassen sie damit herumlaufen. Weil wir arglos und nicht informiert sind ?

Sensoren, die sich in der U-Bahntür befinden, sollen verhindern, dass Körperteile eingeklemmt werden; auf Rolltreppen gibt es Notausschalter, im Schulbus ist ein Fahrer, der im Spiegel beobachtet, was an der Tür geschieht. Aber diese Sicherungsmaßnahmen versagen alle bei Kordeln, die an Kapuzen und am Saum von der Kleidung eingezogen sind.

Im Frühjahr 99 betritt eine Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern eine Rolltreppe. Die Kinder rangeln und das Mädchen stürzt. Es hat einen Anorak mit Kapuzenkordel an. Die Kordel wird in die Zwischenräume der Rolltreppenstufen eingezogen. Die Mutter weiß nicht, wie sie reagieren soll. Die Treppe zieht die Kordel immer weiter zu. Zufällig hat ein Passant die Situation beobachtet, zufällig hat er ein Messer dabei. Es ist ein Beinaheunfall. Im gleichen Jahr in einem Fastfoodrestaurant: Eltern gehen spätnachmittags mit ihrem Kind essen. Sie sitzen im Restaurant, das Kind geht auf den eingezäunten leeren Spielplatz. Nach ca. 15 Minuten schauen die Eltern nach dem Kind. Zu diesem Zeitpunkt hängt es tot an der Rutschbahn. Ein ähnlich gelagerter tödlicher Unfall geschieht ein zweites Mal in diesem Jahr. Herbst des Jahres 2000: In der Hamburger U-Bahn verläßt ein ca. 12 jähriger Junge den Zug. Auch er trägt eine Jacke mit einer Kordel am unteren Saum. Die schließende Tür erfaßt ein Kordelende und der Zug fährt an. Der Junge wird auf dem Gehbereich mitgeschleift. Der Zugführer bemerkt den Unfall und bringt den Zug zum Stehen, bevor der Junge auf die Wand am Ende des Gehbereichs aufprallt.
Allen Unfällen ist gemein, dass niemand in den Kordeln das verursachende Element sieht. Immer wird nachgeforscht, wer die Aufsichtspflicht vernachlässigt hat, ob die Sensoren versagt haben, ob mangelnde Wartung für den Unfall verantwortlich war. Es gibt weder bei den Gemeindeunfallkassen noch bei anderen Krankenkassen Hinweise in den Unfallstatistiken auf die Beteiligung von Kordeln an Kinderkleidung. Bisher scheint in Deutschland niemand auf die Idee gekommen zu sein, dass gerade die Kordeln ein starkes Risikopotential darstellen.

Dabei gibt es weltweit genügend Aktivitäten und Hinweise auf die Gefährlichkeit der Kordeln. In den USA warnt seit vielen Jahren die CPSA (Consumer Product Association) vor den Risiken. In England gibt es seit 1976 im British Standard BSI eine Norm in der Kordeln an Kinderkleidung untersagt werden. In Norwegen und Kanada warnen öffentliche Stellen vor der Verwendung von Kordeln an Kinderkleidung. Die Kinderkommission des deutschen Bundestages wurde mehrfach informiert und gebeten aktiv zu werden. Es hat sich 1999 in der Folge eine Arbeitsgruppe im Bundeswirtschaftsministerium mit Erfolg bemüht, zumindest eine Selbstverpflichtungserklärung der Textilindustrie zu erwirken, auf Kordeln künftig zu verzichten. Es gibt inzwischen eine Arbeitsgruppe im CEN (europäisches Normungsgremium), die auf gesamteuropäischer Ebene eine Norm erarbeiten soll.

Alles das ist positiv und dennoch zu wenig, weil ein Unfall jeden Tag wieder geschehen kann. Eine Europanorm für sichere Kinderkleidung wird möglicherweise erst in 5 Jahren verabschiedet. Wichtig ist und bleibt es, Eltern über das Risiko aufzuklären und zwar so aufzuklären, dass sie anschließend auch bereit sind zu handeln - nämlich an der vorhandenen Kleidung ihrer Kinder die Kordeln herausziehen oder zu entschärfen. Dafür gibt es Tips und Hinweise, wie das geschehen kann. Elternaufklärung muß immer wieder stattfinden, weil es jeden Tag neue Eltern gibt und weil die Risiken als gering erachtet werden. In der Selbstverpflichtungserklärung der Textilindustrie ist auch das Versprechen enthalten, in den geeigneten Medien Aufklärung zu betreiben. Bisher ist in dieser Richtung nichts mit breiter öffentlicher Wirkung geschehen. Man könnte sich vorstellen, dass das Thema ganz schnell kein Thema mehr ist, wenn Menschen anfangen, verantwortlich zu denken. Die Sterbensqual der Kinder und den Schmerz der Eltern müssen wir nicht länger als Risiko akzeptieren. Können wir es verantworten, nach statistischen Gesichtspunkten abzuwägen, wann wir aktiv werden wollen? Wenn Sie mithelfen, könnte das Risiko morgen beendet sein.


Der Autor, Detlef Settelmeier, ist Industrie Designer und seit 1985 Mitglied im Normungsausschuß für Spielplatzgeräte DIN 7926 DINE/EN 1176, 1177.
Er ist Gründungsmitglied und Sprecher der Arbeitsgruppe im DIN "Sichere Kleidung für Kinder", die die Anstöße gegeben hat, dass man sich seitens Politik und Industrie des Themas annimmt und auf der DIDACTA im Februar 2000 einen großen Informationsstand zum Thema ausgerichtet hat.

©copyright:settelmeier2001


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