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Presse-Stelle:  Fachzeitschrift MüllMagazin Rhombos-Verlag, D-10785 Berlin
Rubrik:Umweltschutz    Datum: 11.05.2000
VGH Rheinland-Pfalz bestätigt Beschränkung der Kommunalwirtschaft
Gesetzauslegung muß aber berechtigte Interessen beachten
Koblenz. Die Subsidaritätsklausel, derzufolge die Gemeinden wirtschaftliche Unternehmen nur mehr errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern dürfen, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann, ist mit der Landesverfassung vereinbar. Übermäßige Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht sind damit nicht verbunden; sie können und müssen durch eine zweckentsprechende Auslegung des neuen Gesetzes vermieden werden. So entschied in einem Anfang Mai veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen: VGH N 12/98) der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Subsidaritätsklausel trat 1998 in Kraft. Früher durften die Gemeinden ein Unternehmen bereits dann errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn andere den Zweck nicht besser und wirtschaftlicher erfüllen konnten. Mit der Verschärfung will der Gesetzgeber die weit verzweigte Wirtschaftstätigkeit der Gemeinden einschränken und sie stärker auf ihre eigentlichen öffentlichen Aufgaben festlegen. Neu ist in diesem Zusammenhang auch die den Kommunen auferlegte Pflicht, über ihre wirtschaftliche Betätigung periodisch zu berichten und hierüber auch die Öffentlichkeit in geeigneter Form zu unterrichten. Gegen diese Bestimmungen hatte die Stadt Bad Kreuznach stellvertretend für andere Gemeinden in Rheinland-Pfalz den Verfassungsgerichtshof angerufen. Die Kommunen befürchten, daß sie auf defizitären öffentlichen Aufgaben wie dem Nahverkehr "sitzen bleiben", während Privatunternehmen die gewinnträchtigen Bereiche an sich ziehen. Deshalb sehen sie die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof folgte dieser Argumentation nicht: Der Zweck des Gesetzes, die Gemeinden vor übermäßigen wirtschaftlichen Risiken zu bewahren und zugleich die Privatwirtschaft vor unangemessener öffentlicher Konkurrenz zu schützen, sei durchaus sachgerecht. Zwar sei die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zum Zweck der Daseinsvorsorge verfassungsrechtlich geschützt. In diesem Bereich dürfe der Gesetzgeber "weder faktisch noch rechtlich beseitigen, was herkömmlich das Bild der gemeindlichen Selbstverwaltung in ihren verschiedenen Erscheinungsformen durchlaufend und entscheidend prägt". Diese verfassungsrechtliche Grenze halte das neue Gesetz aber ein, so die Verfassungsrichter in ihrer Entscheidung.

Maßgeblich für diese Beurteilung sei, daß die umstrittene Neuregelung für wichtige kommunale Tätigkeitsfelder wie die Abfallwirtschaft nicht gilt. Die vorhandene Kommunalwirtschaft genieße im Übrigen Bestandsschutz, weil das neue Recht sich nur auf die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines kommunalen Unternehmens beziehe.
Darüber hinaus berücksichtigte der Verfassungsgerichtshof aber auch, daß die Gemeinden sich wirtschaftlich ohnehin nur insoweit betätigen dürfen, als ein öffentlicher Zweck dies rechtfertigt: Die Gewinnerzielung dürfe für die Kommunalwirtschaft niemals Selbstzweck sein. Diese wesentliche Einschränkung bestehe seit jeher. Sie dürfe mit der hier umstrittenen Neuregelung nicht verwechselt und ihr auch nicht angelastet werden, argumentieren die Richter.

In den Tätigkeitsbereichen, in denen die neue Subsidiaritätsklausel zu Lasten der Gemeinden Anwendung findet, sieht der Verfassungsgerichtshof das kommunale Selbstverwaltungsrecht durch eine zweckentsprechende Auslegung und Handhabung des Gesetzes gewahrt. Hier konnten die Gemeinden im Urteil wichtige Klarstellungen zu ihren Gunsten erreichen: So haben sie bei der Frage, ob ein privater Dritter den öffentlichen Zweck "ebenso gut" erfüllen kann, einen Spielraum eigener Beurteilung. "Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auch und gerade auf die Güte der betreffenden Leistung. Damit ist vor allem deren Nachhaltigkeit, das heißt Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit angesprochen. Je wichtiger eine durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigte Leistung für die Bürger ist, desto größer ist das Bedürfnis nach einem krisenfesten, stetigen und möglichst ungestörten Angebot, und zwar zu sozial gerechtfertigten Bedingungen. Diese Kontinuität der Aufgabenerfüllung kann von Fall zu Fall den Ausschlag dafür geben, daß ein Privater den öffentlichen Zweck nach der rechtlich vertretbaren Einschätzung der Gemeinde nicht ebenso gut verwirklichen wird wie sie", heißt es in dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs.

Die Befürchtung, die Subsidiaritätsklausel gefährde die kommunalen Verbundunternehmen, weil die Gemeinden rentierliche Unternehmensteile privatisieren müßten und nur die defizitären Unternehmensteile behalten dürften, teilen die Verfassungsrichter nicht: Maßstab sei die von dem Verbundunternehmen zu erfüllende Gesamtaufgabe, beispielsweise Energieversorgung und öffentlicher Nahverkehr als Leistungsangebot der Stadtwerke. An dieser Gesamtaufgabe, die allerdings durch einen öffentlichen Zweck zu rechtfertigen sei, müsse das Leistungsangebot des privaten Dritten sich messen lassen.

"In der Gesamtschau zeigt sich, daß das neue Recht den Kommunen einen beträchtlichen Handlungsspielraum beläßt", faßte der Verfassungsgerichtshof seine Erwägungen zusammen. Bei verfassungskonformer, die berechtigten Interessen der Gemeinden wahrender Gesetzesauslegung sei sichergestellt, daß diese sich auf ihren angestammten, die Selbstverwaltung traditionell prägenden Betätigungsfeldern auch weiterhin in angemessenem Umfang wirtschaftlich betätigen könnten.

Verfassungsrechtlich unbedenklich sei schließlich auch die in das Gesetz neu aufgenommene Verpflichtung der Gemeinden, über ihre Wirtschaftstätigkeit regelmäßig zu berichten. Da die Bürger über die Teilnahme an Wahlen, aber auch unmittelbar durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auf die kommunale Willensbildung Einfluß nehmen könnten, hätten sie ein schutzwürdiges Interesse zu erfahren, in welcher Form, in welchem Umfang und mit welchen Ergebnissen sich ihre Gemeinde wirtschaftlich betätige.

In einer Stellungnahme erklärte der Präsident der Bundesingenieurkammer, Dr.-Ing. Karl H. Schwinn, "der mit Steuermitteln finanzierte Verdrängungswettbewerb der Kommunen zu Lasten des privaten Mittelstands habe eine empfindliche Niederlage erlitten". Der Richterspruch habe wesentliche Forderungen der Ingenieurkammern erfüllt. Scheinprivatisierte Unternehmen seien durch günstigere Finanzierungsmöglichkeiten, staatlich gewährte Mindestumsätze und durch Informationsvorsprünge geprägt, erklärte der Präsident der Bundesingenieurkammer. Ohne Konkursrisiko und mit Staatsgarantien versehen, würden sich die Ableger der Kommunen auch in riskante Geschäftsbereiche wie Projektentwicklung und Facility Management wagen. Laut Schwinn rechnen die 40.000 Mitglieder der deutschen Ingenieurkammern mit einer bundesweiten Signalwirkung des Urteils. Jetzt seien Bund, Länder und Gemeinden in ihrer Vorbildfunktion gefordert, so der Kammerpräsident.

Kontakt: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Pressestelle, Deinhardplatz 4, D-56068 Koblenz, Tel. 0261/1307-302, Fax 1307-350.
Bundesingenieurkammer, Dr. J. Meyer-Hesseln, Kochstrasse 22, D-10969 Berlin, Tel. 030/ 2534-2900, Fax 2534-2903.
Quelle: Abfallwirtschaftlicher Informationsdienst, 2000, RHOMBOS-VERLAG



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