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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 31.05.2007
G8-Gipfel: Nur Tamtam in Scheinheiligendamm?
Als Institution hat die Gruppe der G8-Länder nur symbolische Wirkung auf die internationale Klimapolitik
Mit dem Weltklima beschäftigten sich die vergangenen beiden G8-Gipfel eher appellierend denn richtungsweisend. Auch von dem diesjährigen Treffen im Juni ist eine klimapolitische Kehrtwende nicht zu erwarten: Die USA haben schon im Vorfeld den Rotstift bei konkreten Zielen im Deklarationsentwurf angesetzt. Welcher Natur die Erklärung von Heiligendamm auch sein wird - den Rahmen für Klimaschutzmaßnahmen setzen andere Schaltstellen wie die WTO. VON BERND BROUNS, DIE LINKE.

Der Klimawandel ist gegenwärtig in aller Munde. Neue Berichte des UN-Klimarats zeigen die dramatischen Folgen einer Politik des "weiter so". Selbst die BILD-Zeitung hat sich momentan der Rettung des Klimas verschrieben. Im Sog dieser öffentlichen Debatte erklomm das Thema Klimawandel in den letzten Monaten auch die Agenda des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007. Noch zur Jahreswende hatte die Bundesregierung bei der Präsentation für das Treffen der größten Industrienationen und Russland nur eine Nebenrolle für den Klimaschutz vorgesehen. Auch wenn der aktuelle Klimahype in Medien und Politik teilweise absurde Formen angenommen hat, gibt es gute Gründe für den Bedeutungszuwachs des Themas. Neue Erkenntnisse der Klimawissenschaft aus den letzten drei bis vier Jahren haben mehr als zuvor die Notwendigkeit schnellen Handelns offenbart. Wenn verhindert werden soll, dass einzelne Folgen des schleichenden Klimawandels plötzlich und abrupt in irreversible Änderungen umschlagen, ist ein Umsteuern in den nächsten zehn bis 15 Jahren erforderlich. Dieser Zeitraum ist auch deshalb so knapp bemessen, weil in vielen Ländern umfangreiche Infrastrukturinvestitionen in Energiewirtschaft und Transportwesen anstehen, die entweder den Weg in eine solare Energiewirtschaft ebnen oder die Nutzung fossiler Brennstoffe auf mehrere Jahrzehnte zementieren.
Die nächsten zwei Jahre sind auch für die UN-Klimaverhandlungen entscheidend. Bis 2009 soll ein Kyoto-Folgeabkommen beschlossen werden. Nur dann ist ein nahtloser Übergang zum Kyoto-Protokoll zu gewährleisten, das im Jahr 2012 ausläuft. Nachdem das Protokoll bestenfalls ein Trippelschritt auf dem Weg zur Minderung der globalen Treibhausgasemissionen war, müssen nun deutlich ambitioniertere Klimaschutzziele vereinbart werden, soll der Klimawandel nicht völlig außer Kontrolle geraten.

USA lassen konkrete Ziele streichen

Dem G8-Gipfel könnte hierbei eine entscheidende Rolle zukommen, hofft ein breites Bündnis von Umwelt- und Entwicklungsverbänden. In einem gemeinsamen Positionspapier haben sie Forderungen an die G8+5-Länder (Brasilien, China, Indien, Mexiko, Südafrika) formuliert. Diese sollen sich u.a. zu einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius, einer Halbierung der globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 und einer Ausweitung der Emissionshandelsmärkte bekennen. "Die G8+5 sind ein wertvoller Prozess, der politische Diskussionen auf höchster Ebene zu wichtigen globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel erlaubt", schreibt der WWF in seinem G8-Positionspapier.
Die Forderungen des NGO-Bündnisses unterscheiden sich nicht allzu sehr von den Zielen der Bundesregierung. Das geht aus einem Entwurf der Abschlussdeklaration des diesjährigen G8-Gipfels hervor, der im Februar an die Öffentlichkeit gelangte. Wie Mitte Mai bekannt wurde, hatte die US-Administration jedoch gegen diesen Entwurf interveniert und alle konkreten klimapolitischen Zielsetzungen gestrichen. Umweltverbände fordern nun von der Bundeskanzlerin, einer Verwässerung der Deklaration entgegenzuwirken. "Entweder es kommt zu einem ernsthaften Schritt zu mehr Klimaschutz oder aber zu einem offenen Eklat", fordert Christoph Bals von Germanwatch nach Bekanntwerden der US-Forderungen.
Wer auf eine klimapolitische Kehrtwende auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm hofft, wird jedoch nicht nur wegen der Blockadehaltung der Bush-Administration enttäuscht werden. Die für den internationalen Klimaschutz wichtigen Entscheidungen werden schlicht an anderen Stellen getroffen. Neben dem Kyoto-Prozess ist es insbesondere die internationale Handels- und Finanzpolitik, die mittelbar den Rahmen für das Ergreifen von Klimaschutzmaßnahmen absteckt. Die einzelnen G8-Staaten haben in diesen Politikarenen zweifelsohne wesentlichen Einfluss auf Entscheidungen, doch die G8 als Institution hat nur symbolische Wirkung auf die Entwicklung der internationalen Klimapolitik.

Sonntagsreden statt Ergebnisse

Das Klima war bereits auf dem G8-Gipfel im schottischen Gleneagles 2005 eines von zwei Topthemen gewesen. Der vereinbarte G8+5-Dialogprozess blieb bisher allerdings ebenso ohne substanzielle Ergebnisse wie der Klimaaktionsplan. Bezeichnenderweise trat Klimaschutz schon ein Jahr später in den Diskussionen um die Energiesicherheit auf dem G8-Gipfel in St. Petersburg in die zweite Reihe. Die Regierungschefs betonten vielmehr die zentrale Rolle fossiler Brennstoffe für die zukünftige Energieversorgung.
Die in Heiligendamm versammelten Regierungschefs werden höchstwahrscheinlich einen Appell für mehr Klimaschutz in die Welt aussenden und damit den Anschein erwecken wollen, eine der großen Herausforderungen dieses Jahrhunderts anzugehen. Die Unverbindlichkeit und kurze Halbwertzeit der G8-Erklärung wird sich jedoch auf dem nächsten UN-Klimagipfel in Bali im Dezember offenbaren. Wenn es die Basis für ein Kyoto-Folgeabkommen zu legen gilt, werden sich zumindest Teile der G8+5-Staaten wieder in ihre Schützengräben zurückziehen, um eventuelle klimapolitische Offensiven abzuwehren.

Aus der Nische in die Zentralen der Macht

Bei aller Kritik am vor sich hindümpelnden Kyoto-Prozess ist die internationale Koordinierung von Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen der UN alternativlos. Hier besteht ein institutioneller Rahmen, der das Setzen verbindlicher Ziele und deren Überprüfung mit Sanktionsmechanismen erlaubt. Vor allem aber sind dort im Gegensatz zu G8+5 auch diejenigen Länder beteiligt, deren Bevölkerung zu den Hauptleidtragenden des Klimawandels zählt. Diese Staaten fangen gerade erst an, ihre Interessen an einer ambitionierten Klimapolitik und Ausgleichsmechanismen zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels zu artikulieren, können aber zukünftig eine zunehmend wichtigere Rolle für einen erfolgreichen Verlauf der Klimaverhandlungen spielen. In den letzten fünf Jahren war der UN-Klimaschutzprozess jedoch eine Farce, von Taktieren, Abwarten und Belanglosigkeiten geprägt. Um den nötigen Schwung in die Verhandlungen zu bringen, bedarf es zumindest zweierlei: Erstens müssen die Verhandlungen aus ihrem Nischendasein befreit werden. Die Bekämpfung des Klimawandels erfordert, das auf fossilen Brennstoffen basierenden Entwicklungsmodell der letzten 200 Jahre in Frage zu stellen. Dies übersteigt schlichtweg die Kompetenzen der bisher federführenden UmweltministerInnen. Würde Kanzlerin Angela Merkel mit der Autorität ihres G8- und EU-Vorsitzes die Staatschefs nach Bali statt nach Heiligendamm einladen, müssten sie tatsächlich Farbe bekennen.
Zweitens ist von entscheidender Bedeutung, dass den Sonntagsreden aus Politik und Wirtschaft endlich Taten folgen. Das beste Argument, um andere Staaten vom Einschlagen eines ambitionierten Klimaschutzpfads zu überzeugen, ist, selber beispielhaft voranzugehen. Die klimapolitische Performance der selbst ernannten Vorreiter EU und Deutschland lässt jedoch mehr als zu wünschen übrig: seit Jahren bestenfalls stagnierende Emissionen, ein Emissionshandelssystem, dessen gegenwärtige Ausgestaltung strukturelle Änderungen in der Energiewirtschaft verhindert und kaum Unterstützungsleistungen für die Opfer des Klimawandels. Eine Vorreiterrolle sieht anders aus. Wirkliche Klimapolitik muss daher auch an den vielfältigen Schaltstellen der Macht ansetzen - sei es bei der WTO oder beim Oligopol der Energiewirtschaft in Deutschland. Hier wird über die Zukunft des Klimas entschieden - in Heiligendamm wird nur darüber geredet werden.

Bernd Brouns ist Referent für Energie- und Umweltpolitik der Bundestagsfraktion DIE LINKE.Von 2000 bis 2006 arbeitete er am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie zu Fragen internationaler Klimapolitik.

Kontakt: bernd.brouns@linksfraktion.de

Erschienen in punkt.um 06/2007
www.oekom.de/nc/zeitschriften/punktum/aktuelles-heft.html



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