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Rubrik:Essen & Trinken    Datum: 05.08.2005
Mar del Plástico
Wo unser Gemüse wächst
Marianne Weno, Vorstandsmitglied der Stiftung Naturschutz Berlin, greift monatlich aktuelle Entwicklungen im Umwelt- und Naturschutz auf und kommentiert sie.

Wir bedanken uns bei der Autorin für die Abdruckerlaubnis
Wenn man über die südspanische Provinz Almeria fliegt, könnte man meinen, unten ein silbrig schimmerndes Meer zu sehen. Es erstreckt sich über 350 Quadratkilometer - etwas mehr als die Fläche Münchens. Die Einheimischen nennen es "mar del plastico", "Plastikmeer". Tatsächlich ist die ganze Ebene zwischen den Badestränden im Süden und dem Gebirgszug im Norden überspannt mit Plastikfolien. Landschaft, wie wir sie kennen, gibt es dort nicht: keinen Baum, keinen Strauch, keine Tiere. Auch Menschen sieht man kaum, aber sie sind da - bei bis zu 60° Hitze unter den Polyethylenplanen. Einen "Moro" pro Hektar brauche man, sagt einer der Landbesitzer. "Moro" - gemeint sind die ausländischen, meist marokkanischen Saisonarbeiter, oft "Papierlose", die keinerlei Rechte haben und für minimale Löhne unter fast unerträglichen Bedingungen arbeiten.

Am Grund dieses "Meeres" wächst, was vor allem im Winter so bunt, schön und billig in unseren Supermärkten liegt: Tomaten, Paprika, Melonen und Erdbeeren. 350 000 Tonnen im Jahr werden mit Lastwagen dreitausend Kilometer weit zu uns transportiert, 2,8 Millionen Tonnen in die EU insgesamt. Almeria ist der größte und produktivste Agrarstandort und das wichtigste Anbaugebiet für den deutschen Gemüsemarkt. Der Preis dafür ist die Ausbeutung der Menschen und eine gigantische Umweltzerstörung. Nur so kann das Riesengeschäft
funktionieren.

Mangelware Wasser
Almeria ist das Gebiet mit den meisten Sonnenstunden und zugleich die trockenste Gegend Europas. Das Grundwasser ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und versalzen. Heute werden fossile Wasservorräte aus 100 MeterTiefe hochgepumpt. Auch aus den Bergen nördlich des Gebietes wird Wasser in die Anbaugebiete geleitet. Es gibt sogar Pläne, über Pipelines den Rio Ebro im Norden Spaniens anzuzapfen.

Fördermittel der EU haben den Hightech-Ausbau der Anlagen und damit den wirtschaftlichen Aufschwung der Provinz erst möglich gemacht. Die Pflanzen in den Gewächshäusern wachsen meist nicht in Erde, sondern in Substraten. Bewässerung und Düngung werden von Computern gesteuert. Diese Form des Anbaus bringt bis zu fünf Ernten im Jahr. Heute reicht die Ebene nicht mehr für neue Anlagen, und man beginnt schon damit, Berge abzutragen, um neue Flächen zu gewinnen.

Berge aus Plastik und Giftmüll
Alle zwei bis drei Jahre müssen die Folien ausgewechselt werden. Recyclinganlagen gibt es, aber sie werden wenig genutzt. Kunststoffberge, vermischt mit Pestiziden, rotten übelriechend zwischen den Gewächshäusern vor sich hin.

Die Monokulturen locken viele Schädlinge an. Drei- bis viermal so viel Pestizide wie in Holland werden hier gespritzt. Entsprechend übersteigen immer wieder Rückstände auf dem Gemüse die bei uns erlaubten Höchstmengen. Auch die Böden werden mit Chemikalien desinfiziert. Die Arbeiter sind an ihren kaum belüfteten Arbeitsplätzen ständig den vielfältigen Giften ausgesetzt. Auch die primitiven Unterkünfte zwischen den Gewächshäusern und neben den Chemikalienlagern schützen kaum vor den schädlichen Emissionen. Hunderte von schweren Vergiftungsfällen mussten im nahegelegenen Krankenhaus behandelt werden, 25 Menschen starben an den Folgen.


Und die Verbraucher?
Ahnen sie, wenn sie selbstverständlich zu Weihnachten Erdbeeren kaufen, unter welchen Bedingungen diese gewachsen sind? Fragen sie sich, wie die günstigen Preise zustande kommen? Hören sie auf die Warnungen von Greenpeace und den Verbraucherverbänden vor überhöhten Pestizidrückständen? Und wie schmeckt ihnen das Obst und Gemüse zur Unzeit? Die Tomaten zum Beispiel werden grün auf die Reise geschickt und reifen unterwegs nach. Untersuchungen von Wissenschaftlern der HU haben ergeben, dass sich die meisten wertvollen Inhaltsstoffe nur bilden können, wenn die Tomate am Strauch reift. Eine Kostprobe beweist es: die schönen roten Früchte schmecken fast nur nach Wasser. Die Kunden scheint das nicht zu stören.
Marianne Weno
Sandra Blessin: "Am Ufer des Plastikmeeres", Fian-Magazin Food First, Nr. 2/05

Christoh Arndt, Felix Eisele, Christian Schulze, Isa Knauf: "Ein Meer aus glitzernden Plastikfolien", TU intern

Eckart Granitza "Frühreif und geschmacksarm", Textarchiv Berliner Zeitung


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