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Magazin Johan Galtung![]() gilt als zentrale Figur und Begründer der internationalen Friedens- und Konfliktforschung. Als Berater zahlreicher Regierungen, internationaler Organisationen und Akademiker trug er aktiv zur Lösung zahlreicher internationaler Konflikte bei. Er erhielt den Alternativen Nobelpreis 1987. Einsichten in die Strukturen der Gewalt Nicht nur prähistorische Kulturen, sondern noch die Begründer moderner Zivilisationen in der griechischen Antike und dem alten Rom hielten Krieg für so unvermeidlich, dass sie in ihrem Pantheon das Phänomen der Gewalttätigkeit Götter zuordneten. Weil Menschen scheinbar nicht in der Lage waren, ihre Aggressionen zu zügeln, wurden Kriege so zum 'Akt der Götter' und damit menschlicher Einflussnahme praktisch entzogen. Auch wenn wir heute an derartige Götter nicht mehr glauben, ist doch die Überzeugung vorherrschend geblieben, dass Kriege und bewaffnete Konflikte wie Naturkatastrophen über die Menschen einbrechen und solange erduldet werden müssen, bis der hohe Blutzoll, die Kriegskasse oder eine Niederlage das Unglück zu Ende bringen. 'Konflikt-Analphabetismus' ![]() Johan Galtung (RLA 1987), der international als der Begründer der modernen Friedensforschung gilt, spricht deshalb von einem 'Konflikt-Analphabetismus': "Die meisten Menschen wissen sehr wenig über Konflikte. Ihr Verhältnis zu Konflikten ist etwa so, wie das eines Analphabeten in der Industriegesellschaft. Sie sind schlecht vorbereitet". Seit rund 40 Jahren arbeitet der norwegische Sozialwissenschaftler daran, die komplexe Dynamik von Kriegen und bewaffneten Konflikten aufzuschlüsseln und hat durch seine beratenden Tätigkeiten dazu beitragen können, mehr als 40 militärische Konflikte beizulegen. Während sein langfristiges Ziel darin besteht, Krieg als Mittel der Politik überflüssig zu machen, arbeitet er mittelfristig Konflikte verstehbar, kontrollierbar zu machen und Methoden zu entwickeln, wie gewalttätige Auseinandersetzungen in friedliche Lösungswege transformiert werden können. Dazu gehört nicht nur die Analyse und praktische Auseinandersetzung mit bestehenden, künftigen und vergangenen Konflikten, sondern auch der weltweite Aufbau der Friedensforschung als akademische Disziplin. Er hat das Knäuel aus Interessenkonflikten, Mythen und Missverständnissen, rassistischen, religiösen oder geschichtlich begründeten Feindseligkeiten, Ängsten und Vorurteilen, die zur offenen Gewaltanwendung führen können, entwirrt. Galtung spricht von drei Formen von Gewalt 1.direkte Gewalt in Form von militärischer Macht, die auf schnelles Töten ausgerichtet ist; 2.strukturelle (oder systemische) Gewalt, die meist in wirtschaftlichen oder sozialen Strukturen wurzelt und zu einem langfristigen Leiden und langsamen Sterben führt, ohne direkt darauf ausgerichtet zu sein und 3.kulturelle (oder politische) Gewalt, welche die beiden ersten Gewaltformen legitimiert, indem sie den Machthabern das Recht gibt, Gewalt gegen Gruppen anzuwenden, die als Feinde wahrgenommen werden. Während er Frieden als die Fähigkeit definiert Konflikte gewaltfrei, mitfühlend und kreativ zu lösen, charakterisiert er Konflikt als ein komplexe Mischung aus Einstellungen, Verhaltensweisen und Widersprüchen. Wurzel einer bewaffneten Auseinandersetzung sind für ihn die scheinbare Unvereinbarkeit von Zielen und Interessen. Um sie bauen die Konfliktparteien emotionale und psychologisch begründete Freund-Feind-Schemata auf, durch die alles Negative auf den Gegner projiziert werden und paranoide Reaktionen ausgelöst werden. Während bei einem solchen "Krankheitsbild" der Gesellschaft Rationalität abnimmt, wachsen unterbewusste und wenig kontrollierbare Impulse, die zum Gewaltausbruch führen. Der Friedensforscher spricht dabei von 'tiefenkulturellen' Prozessen, tiefenpsychologisch verwurzelten Verhaltensweisen und 'tiefen Widersprüchen', die weitgehend unbewusst, versteckt und unter der Oberfläche einer Kultur wirken. Während die tiefenkulturellen Überzeugungen einer Gesellschaft die mythologischen Glaubenssätze, historischen Traumata und oftmals verdrängten Grundängste beinhalten, führt Galtung das Tiefenverhalten einer Gesellschaft auf die Sorge um die Sicherung der Grundbedürfnisse zurück. Sicherung der Grundbedürfnisse Sie bestehen zunächst aus dem Überlebenstrieb, zweitens der Gesundheit und fundamentaler Lebensqualität (Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung), drittens der Garantie physischer und geistiger Freiheit und viertens der Bewahrung kultureller Identität, die dem Leben einen Sinn gibt. Konfliktregulation ist nach seiner Erfahrung nur dann möglich, wenn die Grundbedürfnisse der Gegenseite akzeptiert und anerkannt werden. An der Basis von Interessengegensätzen, die zum Krieg führen, identifiziert er zahlreiche tiefe Widersprüche innerhalb der Konfliktparteien, die zum Ausbruch von Gewalt führen können. Diese 'tektonischen Linien' sind das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, zwischen Mann und Frau, zwischen den Generationen, zwischen Rassen, Klassen, Nationen und Staaten. "Um Konflikte zu verhindern, muss man daran arbeiten, an diesen Linien Parität und Egalität zu sichern. Wenn eine Geschlechts- oder Altersgruppe, eine Rasse oder eine Nation marginalisiert oder ausgegrenzt wird, besteht die Gefahr von Völkermord und Genozid". Friedensarbeit muss dementsprechend vielschichtig sein ![]() geht es doch gleichzeitig um innerpsychische, zwischenmenschliche, soziale, innerstaatliche und internationale Interessengegensätze und Widersprüche: Um tiefenkulturelle Einstellungen zu beeinflussen sind Öffentlichkeitsarbeit, Organisationen und Demonstrationen ebenso unverzichtbar wie Friedenserziehung und Aufklärung und der Aufbau von Friedenkulturen durch inneres Wachstum, Mediation, gegenseitiges Verständnis, Kontakt. Um gewalttätige Verhaltensformen zu ändern, muss nicht nur der Krieg als politisches Mittel intellektuell in Frage gestellt, sondern auch friedliche Lösungsstrategien für Konflikte erlernt und die menschlichen Grundbedürfnisse grundsätzlich garantiert und als nichtverhandelbar anerkannt werden. Um Interessengegensätze und Widersprüche kontrollierbar zu machen, braucht es nicht nur starke internationale Organisationen und Demokratisierungsprozesse bei den Konfliktparteien, sondern auch kreative Ansätze für ihre friedliche Transformation, sowie die nachhaltige Arbeit an den erwähnten 'tektonischen Linien'. Dabei können - je nach Stadium des Konflikts - bei der Friedensarbeit unterschiedliche Schwerpunkt gefragt sein, bei der auch ganz unterschiedlich Akteure eine Rolle spielen. Während vor bewaffneten Konflikten als Mittel der Deeskalation Kirchen, Parteien. Interessenverbände, Bürgerinitiativen, Medien, Künstler friedenschaffend und vermittelnd wirken können, spielen während eines Konfliktes auch staatliche und internationale Organisationen mit Friedenstruppen in entmilitarisierten Zonen eine zentrale Rolle. Neutrale NGO's können hier aber Lösungsmodelle vorgeben, die von den Konfliktparteien in Vertragsform gebracht werden. In der Nachkriegszeit sind für Wideraufbau und Versöhnung wiederum nicht-staatliche Organisationen gefragt, die - gerade wenn es um die Aufarbeitung von der Traumata geht - auch die staatlichen und militärischen Konfliktparteien einschließen müssen. Das internationale Friedens-Netzwerk TRANSCEND ![]() Wer die tektonischen Linien einer Gesellschaft im Blick hat, wird sich auch darum kümmern, gesellschaftliche Erdbeben zu verhindern bevor sie auftreten. Dazu gehört auch der kritische Umgang mit gesellschaftlichen Entwicklungen, die langfristig zu sozialem Unfrieden und Gewalt führen können. In diesem Zusammenhang ist auch die Globalisierung und die daraus folgende Krise der Sozialsysteme in das Blickfeld der Friedensforschung gerückt. Johan Galtung betont, dass der globalisierte Welthandel auf dem gesamten Planeten Strukturen schafft, von denen soziale, ökologische und politische Gewalt ausgeht. "Die kapitalorientierte Globalisierung tendiert dazu", so der Friedensforscher, "demokratische Strukturen und Menschenrechte auszuhöhlen und fördert damit direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt auf der globalen wie lokalen Ebene" Aus diesem komplexen, vielschichtigen und interdependenten System der Sicherung von Frieden und Überwindung von Gewalt, hat Johan Galtung und das von ihm begründete internationale Friedens-Netzwerk TRANSCEND ein gutes Dutzend kombinierter Ansätze für die Schaffung einer friedlichen Welt herausgearbeitet. Dazu gehören: die Verpflichtung aller Staaten und Unternehmen sich mit entsprechenden Programmen dem Frieden zu verpflichten; Angriffswaffen wie beim Umgang mit harten Drogen in Entwicklung, Forschung, Produktion, Handel und Besitz unter Strafe zu stellen; die Vereinten Nationen durch Direktwahl und die Abschaffung des Vetorechts zu demokratisieren und als globales Mittel zur Friedenssicherung zu stärken; Friedenserziehungen an allen Schulen zum Pflichtfach zu machen; Journalisten und Medien zu friedensschaffenden Instrumenten zu machen; friedliche und pazifistische Formen des Engagements für die Durchsetzung von Zielen und der Verteidigung persönlicher Integrität zu fördern; die Auseinandersetzung mit dem verborgenen Gewaltpotential und den Tiefenstrukturen der eigenen Kultur zu entwickeln; die Sicherung der Grundbedürfnisse zur zentralen Leitlinie der Politik zu machen; die ausbeuterischen und repressiven Strukturen im Umgang mit der Natur, zwischen den Geschlechtern, Rassen, Klassen, Nationen und Staaten schrittweise durch Gleichberechtigung zu ersetzen; die Entwicklung vertrauensbildender Kontakte in alle Richtung und den Abbau der Feindbilder; der Einsatz von Friedenstruppen, um Minderheiten zu schützen und Gewalt einzudämmen; die Einrichtung von Friedenszonen und Friedensinseln, die bei der eigenen Person beginnen und sich langsam ausweiten; sowie das Erlernen von Formen Versöhnung, des Vergebens und Entschuldigung, um Konflikte abzuschließen. Was auf den ersten Eindruck wie eine Fata Morgana wirken mag, wird längst von zahllosen Organisationen in aller Welt in die Praxis umgesetzt. Johan Galtung und seine Organisation TRANSCEND, die mehr als 150 Friedensforscher in mehr als 50 Ländern miteinander vernetzt, bildet seit Jahren Politiker, Journalisten, Militärs, Diplomaten, Aktivisten, Entwicklungshelfer zu Friedensarbeitern aus und hat in den letzten Jahren nicht nur als Berater internationaler Organisationen, sondern auch in inner- und zwischenstaatlichen Konflikten erfolgreich als Vermittler gearbeitet. Die Friedensbewegung setzt auf die Synergie, die durch viele kleine Impulse große Veränderungen auslösen kann. In einer systemischen Weltsicht, in der jede Veränderung viele Ursachen hat, lässt sich der Erfolg der Friedensarbeit kaum messen. Doch die Friedensforscher verweisen darauf, dass das überraschende Ende des 'Kalten Krieges' undenkbar gewesen wäre ohne das Engagement von westlichen Bürgerinitiativen für Abrüstung und von östlichen Aktivisten für Menschenrechte und freie Meinungsäußerung. Wo und wann ein nächstes Wunder ähnlicher Größenordnung passiert, bleibt abzuwarten. Mehr Informationen unter www.transcend.org Quelle: Goethe Institut 2005
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