... damit endlich zusammenhält, was zusammen gehört
1996 veröffentlichte connection Herausgeber Sugata W. Schneider den Gründungsartikel
zum Connection-Netzwerk. Etwa 200 Menschen beteiligten sich daran. Was ist daraus
geworden? Zeit für eine Bestandsaufnahme - und für einen Neuanfang.
Die destruktiven Kräfte, die unser Ökosystem und die Psyche vieler
Menschen an den Rand des Kollaps gebracht haben, schlafen nicht. Sie befinden
sich ebenso in der äußeren Realität wie in unserem Inneren.
Aber es gibt auch Anzeichen der Hoffnung auf eine menschlichere Zukunft. Netzwerke
können dazu beitragen, die schon vorhandenen kreativen Kräfte zu bündeln,
den Hoffnungsträgern bewusst zu machen, dass sie zusammengehören und
gemeinsam einen wirksamen Beitrag zu den anstehenden Veränderungen leisten
können. Ein Aufruf von Roland Rottenfußer
Isolation ist die große Wunde unserer Gesellschaft. Und vielleicht wird
diese Wunde ja bewusst offen gehalten - von denen, die ein Interesse daran haben,
dass wir nicht zueinander finden. Nicht umsonst sind +Zusammenrottung½ und +Meuterei½
beim Militär die schlimmsten Vergehen, die mit härtesten Strafen belegt
werden. Kein Wunder: Menschen, die sich gegenseitig unterstützen, sich
Halt, geistige Anregung, Zugehörigkeitsgefühl und menschliche Wärme
geben, sind nicht so leicht kontrollierbar und für destruktive Zwecke einzuspannen
- zum Beispiel für die Zerstörung der äußeren und inneren
Natur, der Unterdrückung von Sexualität und freier, kreativer Selbstentfaltung,
für religiöse, politische und ethnische Intoleranz, für entseelenden
Materialismus ... Die isolierten Appartment-Waben unserer großstädtischen
Wohnsilos sind äußerer Ausdruck der Entfremdung, der Beziehungslosigkeit,
an die wir uns offenbar gewöhnt haben wie Gefangene an ihre Isolationshaft.
Aber die Mauern, die uns voneinander trennen existieren nur in unserem Geist,
sie sind nicht wirklich. Was wäre, wenn wir beginnen würden, uns +zusammenzurotten½?
Isolation - die Wunde unserer Gesellschaft
Aber wir wollen uns nicht nur darüber definieren, was wir nicht
mögen. connection Leser wissen, was gemeint ist und +wes Geistes
Kind½ sie sind. Durch die Inhalte, den Geist der connection berührt
sein, in den Artikeln - wenigstens in manchen - innere Verwandtschaft, geistige
Nähe entdecken - dies ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich
die meisten Leser dieser Zeilen sicher einigen könnten. Wer aber sind +wir½
eigentlich? Gibt es überhaupt ein +Wir½, eine übergreifende Gemeinsamkeit?
Eine Netzwerkaktion spiritueller Zeitschriften hat im Frühjahr 2001 die
Entdeckung eines neuen, zukunftsfähigen Menschentyps, des +kulturell Kreativen½
aufgegriffen. Der Begriff wurde erstmals in den USA von Paul H. Ray und Sherry
Anderson in ihrem Buch "The Cultural Creatives" geprägt.
Kennzeichen dieser Gruppe ist +Interesse an spiritueller Selbstverwirklichung,
Wertschätzung von Beziehungen und ökologischer Lebensweise und eine
engagierte Anteilnahme an der Welt (...). Offenheit für fremde Kulturen
und neue Ideen sowie für die Transformation der Geschlechterrollen½. Beteiligt
sind auch die vielen neuen Formen +freier Spiritualität und Lebensberatung,
grenzwissenschaftlicher Untersuchungen und Bewusstseinsforschung, praktischer
Anwendungen lebensenergetischer Gesundheitskonzepte sowie holistischer Wirtschaftsmethoden
und Gesellschaftssysteme.½
Spiris und Aktivisten, vereinigt Euch!
Das Faszinierende an dieser Charakterisierung ist, dass die ökologische,
die gesellschafts- und wirtschaftsreformerische +Szene½ nicht mehr als prinzipiell
unvereinbar wahrgenommen wird mit spirituellen und alternativheilerischen Ansätzen.
Es ist, als wären wir der Vision, die Geseko von Lüpke schon 1997
für das connection special +Spirituelle Ökologie½ ausgesprochen
hat, ein Stück näher gekommen: +Spiritualität kann Politik befruchten,
und Politik kann zur spirituellen Praxis werden. Die alten Trennungen sind aufgehoben,
die Grabenkämpfe können eingestellt werden. In Zukunft wird es darum
gehen, den spirituell Suchenden dabei zu helfen, die inneren Reformen nach außen
zu tragen und die Aktivisten dabei zu unterstützen, die Reform der Welt
im Innen zu verankern.½ connection hat schon seit 16 Jahren diesen Ansatz
vertreten: +Connecten½ (verbinden) statt Spalten. Ein +connection½ nicht nur
zwischen Politik und Spiritualität, sondern auch zwischen Spiritualität
und Kultur, östlicher Weisheit und westlicher Psychotherapie, geistiger
Orientierung und einer diesseitigen, körperbejahenden Grundhaltung. connection
ist daher in hervorragender Weise geeignet, die neue Bewegung (welchen Namen
man ihr auch immer geben möchte) mitzutragen und mitzugestalten.
Die neue Revolution - sanft, aber nachhaltig
Kennzeichnend an der neuen Aufbruchsstimmung ist die Überwindung einer
Haltung von Resignation und Depression, die sich in der Folge der 68er Bewegung
eingestellt hatte, weil deren praktische Ergebnisse die Erwartungen teilweise
enttäuscht haben. Die neue Bewegung ist sanfter, aber nachhaltiger, sie
gründet auf einem besseren Verständnis für die notwendige Langsamkeit
organischer Entwicklungsprozesse, auf einem tieferen Einblick in die innerpsychischen
Voraussetzungen des eigenen Handelns und auf dem Wissen um eine geistig-spirituelle
Innenseite aller im Außen ablaufenden Vorgänge. Die neue Bewegung
setzt weniger auf Verweigerung, Kampf, Widerstand gegen das als unzureichend
erkannte bestehende System. Sie vermeidet damit den Effekt des +bellenden Hundes
vor seinem Spiegelbild½, der sich über die Aggressivität seines Gegenübers
wundert und sich infolgedessen immer mehr in seine eigene Wut hineinsteigert,
bis er erschöpft zusammenbricht. Statt dessen investieren die +Neuen Revolutionäre½
Energie in den Aufbau positiver Gegenmodelle. Der +Ausstieg½ wird zum Einstieg
in die Avantgarde- und Pilotprojekte einer neuen, menschlicheren Weltordung.
Wer seine Ohren in den Wind hält, spürt, dass wieder mehr Mut da ist,
mehr geistige +Morgenluft½, mehr Lust auf Zukunft. +Aus Angst, Isolation und
Enttäuschung lässt sich keine Zukunft gestalten. Sie muss uns anziehen
mit der Kraft des Eros, sie muss inspiriert sein von der inneren Visionen der
Lebensqualität, des Friedens und der Liebe. Politisches Engagement für
eine lebenswerte Zukunft ist wichtig, doch es braucht das innere Feuer derer,
die den dringenden Wandel für die Welt schon in sich selbst entfalten½,
spricht connection Autor Geseko von Lüpke.
+Wer denkt schon wie ich?½ - Viele!
Eines der wesentlichen Kennzeichen der neuen Bewegung - und damit einer der
größten Hemmschuhe für ihre Durchschlagskraft - ist die Tatsache,
dass die Beteiligten meist gar nicht wissen, dass sie zu einer Bewegung gehören.
Auch die Größe und Bedeutung der neuen, der sanften Revolution wird
gemeinhin unterschätzt (eine US-amerikanische Studie schätzt die Bewegung
auf 29% Anteil an der US-Gesamtbevölkerung, Tendenz steigend!). Weithin
herrscht noch das Gefühl von Isolation und abwartender, gebremster Tatkraft.
+Was soll ich denn bewirken? Wer denkt schon wie ich? Höchstens ein paar
durchgeknallte Freunde, die meditieren und Eier aus Freilandhaltung kaufen,
mein Heilpraktiker mit seiner Bachblütenbehandlung, die schrullige alte
Nachbarin, die liebevoll mit ihren Pflanzen spricht, der junge Computerbastler,
der immer etwas wirr davon schwafelt, dass man das bestehende Geldsystem von
Grund auf reformieren müßte ...½ Ja, wenn wir nachdenken, unsere
Vorurteile und inneren Grenzziehungen fallen lassen, stellen wir fest, dass
wir vielleicht doch nicht so wenige sind. Die Frage ist: Wie erfahren und lernen
wir voneinander? Wie organisieren wir uns?
Eine Zeitschrift kann als Medium zur Verbreitung von Geist, von Information
wertvolle Dienste leisten. Wenn die connection keinen anderen Zweck erfüllen
würde als den, ihren Lesern das Gefühl zu geben: +Du bist nicht allein½
- es wäre für mich Grund genug, mich als Redakteur für diese
Zeitschrift einzusetzen. Und doch kann eine Zeitschrift nicht alles leisten.
Sie ist ein Einweg-Kommunikations-Medium, vergleichbar einer Predigt vor mehreren
Tausenden Menschen, bei der keine Zwischenfragen und keine Diskussionsbeiträge
zugelassen sind. Ergänzend müssen also andere Organisationsformen
gefunden werden.
Gründung von +Geistesfamilien½
Eine wesentliche Idee, um die neue Bewegung voran zu bringen, ist die Gründung
von +Geistesfamilien½. Sie erscheint als Ergänzung zu den urprünglichen,
auf biologische Verwandtschaft basierenden Familien notwendig, um den Weg aus
der Isolation heraus zu finden.
Zwei Grundmodelle von +Geistesfamilien½ zeichnen sich ab:
1. Die Lebensgemeinschaft (Kommune) Gleichgesinnter, die in räumlicher
Nähe zueinander wohnen und oft auch arbeiten. Gemeinschaften sind Praxiswerkstätten
zur Erprobung alternativer Modelle bezüglich gelebter Spiritualität,
ökologischen Wirtschaftens, des Zusammenlebens, der Entscheidungsfindung,
der Liebe, Freundschaft und Kindererziehung. +Menschen, die vom Anders Leben
nicht nur reden, sondern versuchen, es in die Tat umzusetzen½, nannte Ady Köhn
diese Gruppe in ihrem Einleitungsartikel zur connection Serie +Lebensgemeinschaften
in Europa½, mit der connection zur Verbreitung der Kommunen-Idee beitragen
möchte. Leider haben aber oft nicht alle, die von ihrer geistigen Ausrichtung
her zusammengehören, auch die Möglichkeit, zusammen zu leben. Als
Ergänzung zur lokalen Geistesfamilie der Kommune bietet sich also eine
zweite Organisationsform an:
Das Netzwerk - eine nicht-lokale Gemeinschaft
2. Das Netzwerk ist ein durch moderne Kommunikationsmittel zusammengehaltenes
Forum zum Austausch von Ideen, Informationen und Unterstützung unter Gleichgesinnten.
Das Netzwerk ist im Gegensatz zur Kommune nicht-lokal, d.h. nicht an einen bestimmte
Orte gebunden. Netzwerk-Zugehörige können in der benachbarten Großstadt
wohnen, in der Toskana oder in New York. Durch Internet und Email können
diese Menschen unterschiedlichster Herkunft in Sekundenschnelle zusammengeschaltet
werden. +Anarchische½ Kommunikationswege wie Internetforum und Serienmail sind
hervorragende Werkzeuge einer +sanften Verschwörung½, die sich der Kontrolle
und dem Zugriff durch wie immer gearteter +Gegenkräfte½ entziehen. Netzwerke
sind lockere, frei lassende und zugleich integrative, das Bewusstsein weitende
Organisationsformen. Sie sind mit funktionierenden, authentischen Formen der
Kommune, aber auch der biologischen Familie grundsätzlich vereinbar. Sie
bilden ein Gegengewicht zum +Um-sich-selbst-Kreisen½ und +Im-eigenen-Saft-Schwimmen½,
das in Kleinfamilien und lokalen Gemeinschaften oft zu beobachten ist.
Sugatas Visionen
Sugata Wolf Schneider hat in seinem Aufruf aus dem Jahr .... deutlich gemacht,
was ihm an einem Netzwerk wichtig ist:
- Dezentrale Struktur: +Jeder Knotenpunkt ist auch Zentrum. Das ideale
Netz hat keine Zentrale mehr, von jedem Knotenpunkt aus kann der Rest des Netzes
mit gleicher Berechtigung Peripherie genannt werden.½ Auch die connection
Redaktion ist in diesem Sinne nicht Zentrum des Netzwerks.
- Keine Einwegkommunikation: +In einer Zeit, in der Massenmedien und
Einwegkommunikation die Weltgesellschaft bestimmen, scheint es mir besonders
wichtig, das Schöpferische zu betonen und die Verantwortung des Einzelnen
als Schöpfer. Ich möchte mit dieser Zeitschrift gemeinschaftliche
Strukturen entwickeln, in denen Kommunikation weniger klischeehaft funktioniert.½
Netzwerker können durch ihr Feedback, ihre Ideen und Anregungen das Gesicht
und die Inhalte der connection mitprägen. Sie wird dadurch in einem
noch tieferen Sinn ein +Leser-Magazin½.
- Ähnlich Gesinnte zusammenführen: +Im Moment kann es sein,
dass du vielleicht im zweiten Stock eines fünfstöckigen Mietshauses
wohnst und gar nicht weißt, dass im vierten Stock ebenfalls connection
Leser wohnen.½ Warum also nicht einen lokalen connection Kreis oder connection
Stammtisch bilden? Oder Netzwerker in anderen Städten besuchen? Warum nicht
ein Netz von Anlaufstellen bilden, wo man im Austausch umsonst übernachten
und essen kann, Orientierung, Freundschaft und Gedankenaustausch findet? Warum
nicht eine Art +Seilschaft½ von Menschen, die sich in beruflichen, gesundheitlichen,
spirituellen und persönlichen Fragen um Rat bitten und gegenseitig unterstützen?
Warum nicht Produkte und Dienstleistungen bei einem connection Netzwerker
beziehen (oder an connection Netzwerker verkaufen) und somit das Geschäftliche
mit der Idee einer geistigen Gemeinschaft verbinden?
Wer darf/kann/sollte am connection Netzwerk teilnehmen? Zunächst
jede/r, die/der sich von diesem Artikel angesprochen fühlt, die/der sich
dem Geist und den Inhalten der connection verbunden fühlt. Nicht
jeder einzelne Aspekt, nicht jeder Artikel muss gefallen, aber die Linie sollte
stimmen.
Lasst uns ein Lichtnetz spannen!
Wenn du das Gefühl hast, dass das auf dich zutrifft, dann lies dir den
nebenstehenden Kasten durch, in dem die Beitrittsbedingungen, Rechte, Pflichten
und Vergünstigungen beschrieben sind, die für einen connection
Netzwerker gelten. Was du daraus machst, liegt dann zum großen Teil an
dir. Es kann der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit interessanten, engagierten
Leuten aus aller Welt sein. Der Beginn eines Beziehungsnetzes, das dich geistig,
teilweise vielleicht auch materiell nährt und trägt. Vielleicht kannst
du bei der Erschaffung eines neuen Puzzleteilchens mitwirken, das sich mit anderen
Teilen zum großen Panorama einer neuen, liebevolleren, gerechteren, spirituelleren
Weltgemeinschaft zusammenfügt.
Ob das klappt, können natürlich auch wir von der connection
nicht garantieren. Es gibt Hoffnungszeichen, aber auch Zeichen, die uns entmutigen
könnten. Fragen wir nicht danach, ob wir viele sind oder erst wenige, ob
uns die Zukunft gehört oder nur eine kleine +Licht-Nische½, in der es sich
ein bisschen behaglicher, lebendiger, authentischer leben lässt als anderswo
in dieser +kalten½ Welt. Ein Licht anzuzünden ist allemal besser als über
die Dunkelheit zu klagen. Und ein Streichholz, so klein es physisch gesehen
auch sein mag, ist in der Nacht kilometerweit sichtbar. Seine Bedeutung liegt
nicht in seiner Größe, sondern darin, dass die Dunkelheit nun nicht
mehr allmächtig, nicht mehr allgegenwärtig und selbstverständlich
scheint. Für viele kleine Lichter gilt das natürlich erst recht. Lasst
uns ein Lichtnetz spannen!