Ein Beitrag aus dem ECO-News Presseverteiler, der Ihnen von ECO-World.de zur Verfügung gestellt wird.
In der Rubrik:   
Geld & Investment   
85 Prozent Wachstum
Nachhaltig Geld anlegen mit gutem Gewissen
Nachhaltig Geld anlegen kann ganz einfach sein: Beteiligen Sie sich schlicht an Ihrer Bio-Bäckerei oder Ihrem Naturkostladen um die Ecke. Finanzieren Sie den Aufbau von produktiven Stadtgärten in Ihrer Nähe, und die Rendite fällt nicht nur in schwarzen Zahlen aus, sondern auch in Form von frischen Tomaten und Radieschen. Wechseln Sie von einer Großbank zu einer Bank, die in sozial und ökologisch verantwortliche Projekte investiert. Beteiligen sie sich - falls möglich - an den Stadtwerken Ihres Wohnortes, die Ihnen Trinkwasser, Strom, Wärme und öffentlichen Nahverkehr bieten, oder finanzieren Sie mit anderen Mitbewohnern eine Solaranlage auf dem Dach Ihres Wohnblocks.

Je näher das Unternehmen, an das man sich beteiligen will, örtlich gesehen liegt, desto besser, je weiter entfernt desto schlechter. Aus den Augen aus dem Sinn. Die Definitionen von Nachhaltigkeit sind im internationalen Finanzgeschäft schwammig und die Dutzende von neu erfundenen Begriffen verwirrend wie zum Beispiel: Carbon Disclosure Project (CDP), Code of Conduct, Compliance, Corporate Citizenship, Corporate Governance, Domini Social Index, Eco-Management and Audit Scheme (EMAS), Equator Principles, Ethibel Pioneer und Excellence Label...

Geht es bei internationalen, nachhaltigen Finanzgeschäften tatsächlich um das Überleben der kulturellen und biologischen Vielfalt auf unserem Planeten? Oder zählt doch nur die Rendite?

Seit der ersten Umweltkonferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 sind etliche Institutionen gegründet worden, die dem Anleger sagen, was Nachhaltige Geldanlagen sind. So wurde 2001 das European Sustainable and Responsible Investment Forum (Eurosif) gegründet, das sich als ein europaweiter Zusammenschluss mit der Aufgabe versteht, Nachhaltigkeit über den Weg der Finanzmärkte zu fördern. Eurosif ist Partner des europaweiten, nationalen Sustainable Investment Forums (SIFs). Das gleichfalls 2001 gegründete Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) wiederum ist Mitbegründer von Eurosif und gilt als das nationale SIF für den deutschsprachigen Raum. Das FNG versteht sich selbst als Fachverband für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der Aufgabe "umfassende Informationen zu nachhaltigen Geldanlagen bereitzustellen und eine Plattform für Vernetzung und Kommunikation in diesem Bereich zu bieten."

Im FNG wiederum ist so ziemlich alles versammelt was Geld, Macht und Interessen hat: Banken und Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen, Beteiligungsgesellschaften, Finanzberater und Vermögensverwalter, Rating-Agenturen (der neue lukrative Fluch der Erde), Stiftungen, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen. Das bunte Potpuri reicht von der Bank für Kirche und Caritas, der GLS Bank bis hin zur Hypo Vereinsbank, West LB und der Zürcher Kantonalbank. Die Missionszentrale der Franziskaner ist auch dabei, sowie etliche Stiftungen und Institutionen mit Vor- und Nachsilben wie Umwelt, Ethik oder Nachhaltigkeit in Englisch und Deutsch. Zum Beispiel das Sustainable Business Institute (SBI), dessen Leiter, Paschen von Flotow, zuvor Produktmanager bei der Volkswagen AG war. Laut Eigendarstellung hat das SBI mit folgenden Partnern "erfolgreich" zusammengearbeitet: ABB, BASF, BAYER, Boehringer Ingelheim, C&A, Degussa, Merck, Siemens und natürlich VW um nur einige zu nennen. Oder kennen Sie die Partner von "Green Economy"? Hier nur ein kleiner Teil der umfangreichen Liste: Adidas, Audi, Axel Springer, Cargill, Coca Cola, Deutsche Bank, Mitsubishi, Monsanto, Wal-Mart. Kann dies wirklich nachhaltig sein, wenn man die üblichen, garantiert nicht ökologischen Firmen als Partner hat? Nichtsdestoweniger oder gerade deshalb liegen nachhaltige Anlagen heutzutage voll im Wind.

5 Billionen nachhaltige Euros

Im Oktober veröffentlichte Eurosif eine neue Studie zum nachhaltigen Anlagenmarkt in Europa. Dieser sei seit 2008 stark gewachsen und umfasse inzwischen ein Finanzvolumen von ungefähr fünf Billionen Euro. "Die anhaltende Finanzkrise und Desaster wie die Umweltkatastrophe um Deepwater Horizon im Golf von Mexiko haben viele Investoren wach gerüttelt", analysiert Eurosif. Die Anleger seien sich jetzt stärker der Notwendigkeit bewusst, die Themen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung bei ihren Investitions-Entscheidungen zu berücksichtigen.

Die Studie, finanziert von Amundi, BNP Paribas Investment Partners, Crédit Agricole Cheuvreux und Edmond de Rothschild Asset Management, komme auf Grundlage der Selbstauskünfte von Vermögensverwaltern und Vermögensinhabern zu dem Ergebnis, dass das Volumen der nachhaltigen Geldanlagen in Europa seit der letzten Eurosif-Erhebung vor zwei Jahren von 2,7 auf fünf Billionen Euro angestiegen ist. Das entspricht zwar einem eindrucksvollen Wachstum von 87 Prozent, doch steht die Studie eher auf wackeligen Beinen. In einem so sensiblen Bereich wie "Geld", wo kaum jemand die Wahrheit sagt, sind "Selbstauskünfte" als Studiengrundlage nicht gerade das stabilste Fundament. Entscheidend ist außerdem die Frage, was die befragten "Vermögensverwalter und Vermögensinhaber" sowie Eurosif als nachhaltige Anlagen definieren.

Eurosif schreibt dazu: "Es gibt eine Vielzahl an nachhaltigen Anlagestrategien, die das Thema nachhaltige Investments schon an sich kompliziert machen. Um hier vereinfachend zu wirken und damit Investoren, Politikern und der Öffentlichkeit zu helfen, nutzt Eurosif deshalb die Kategorien nachhaltige Geldanlagen im engeren Sinne (auf 1,2 Billionen Euro geschätzt) und nachhaltige Geldanlagen im weiteren Sinne (auf 3,8 Billionen Euro geschätzt)." Nachhaltige Geldanlagen im engeren Sinne wiederum bestünden aus norm- und wertbasierten Ausschlüssen und verschiedenen Arten von positiven Screenings. Nachhaltige Geldanlagen im weiteren Sinne umfassten die Anlagestrategien Engagement, Integration und einfaches Screening.

Laut der Eurosif-Selbstauskunftsstudie seien festverzinsliche Wertpapiere mit einem Anteil von 53 Prozent mittlerweile die wichtigste Anlageklasse im nachhaltigen Segment. Der Anteil an Aktien sei dagegen auf 33 Prozent zurückgegangen, während Mikrofinanzprodukte zunehmend mehr Interesse bei nachhaltigen Investoren weckten. Ist das ausreichend verständlich für die Öffentlichkeit?

Und was sind nun tatsächlich nachhaltige Geldanlagen?

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) definiert sie so: "Nachhaltige Geldanlagen ergänzen die klassischen Kriterien der Rentabilität, Liquidität und Sicherheit um ökologische, soziale und ethische Bewertungspunkte. Grünes Geld, Green Money, Social Investment, Ethisches Investment, ethische Geldanlage, sustainable Investments all das findet sich wieder unter der Begrifflichkeit: Nachhaltigkeit." Auch die so genannten Themenfonds wie Grüne Immobilien, Erneuerbare Energien/Energieeffizienz, Nachhaltige Rohstoffe und Mikrofinanzierung, Investitionen in soziale Projekte, Kultur, Bildung gehörten zu den Nachhaltigen Geldanlagen. Diese Definition ist schon etwas klarer. Doch aufgepasst: Unter den Begriffen "Nachhaltige Rohstoffe" und "Erneuerbare Energien" können sozial und umweltschädliche Baummonokulturen oder gleichfalls unökologische und unsoziale Zuckerrohrplantagen versteckt sein.

Argus-Auge aufgepasst

Eine praktische Hilfe durch den Dschungel von neudeutschen Nachhaltigkeitsbegriffen, unerlässlich für das Basisverständnis der verschiedenen Nachhaltigkeitsprodukte im Finanzsektor, ist das Glossar des Projektes Argus der Universität Stuttgart. Argus wurde als eine Kompetenzplattform gegründet zur Verbesserung der Transparenz in diesem kaum mehr zu überblickenden Nachhaltigkeitsbereich, in dem alle mitmischen, Konzerne genauso wie Kirchen, Banken, Regierungen oder Naturschutzorganisationen. In einem Zeit-Interview über Glück, Gewissen und nachhaltige Geldanlagen meinte im März der renommierte Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Zürich und Buchautor Bruno S. Frey, dass mit dem Begriff Nachhaltigkeit "ein Haufen Schindluder getrieben" werde. Frey: "Da werden einfach Anlagen umetikettiert, das berühmte »Greenwashing« - man muss da enorm kritisch sein, ob das, was als nachhaltig verkauft wird, auch tatsächlich nachhaltig ist."

Norbert Suchanek
Rio de Janeiro

Weitere Informationen:

www.uni-stuttgart.de/argus-responsibility/
www.green-economy.de
www.forum-ng.org
www.eurosif.org


 
Quelle: Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
http://www.derspatz.de/
derSpatz@t-online.de
    

Artikel drucken   Fenster schließen