Roland Rottenfußer sprach mit Barbara Rütting, Filmschauspielerin,
Autorin, Tierschützerin und Gesundheitsberaterin
Barbara Rütting kenne ich, seit ich klein war und von meiner Mutter
mit dem würzigen Barbara-Rütting-Vollkornbrot gefüttert wurde.
Ich erinnere mich auch an einige Filmrollen, z.B. +Edgar Wallace: Der Zinker½
mit Klaus Kinski und Eddie Arendt. Seitdem habe ich von der heute 74-jährigen
immer wieder die wildesten Geschichten gehört: Sie ließ sich 1982
ihr schönes dunkles Haar abschneiden, verfasste Bücher über
vegetarische Vollwertkost, wurde bei der Mutlangen-Blockade gegen die Stationierung
von Pershing-Raketen verhaftet und ließ sich am Tor des Pharma-Konzerns
Schering anketten, um gegen die Tierversuche zu protestieren. Sie wurde eine
Sannyasin, eine Anhängerin des indischen Mystikers Osho und nannte sich
von nun an +Ma Anand Taruna½. Eine spirituelle und doch tatkräfige Frau
mit reicher Lebenserfahrung - was hat sie über die Licht- und Schattenseiten
von Erfolg und Starruhm zu berichten? Und wie ist sie so als Mensch? Naja,
in einer Zeit, in der mir immer mehr Menschen (inklusive der spirituellen
Meister) ein bisschen wie Schauspieler vorkommen, erschien mir die Profi-Schauspielerin
Barbara Rütting erfreulich echt. Am 21. November, ihrem Geburtstag, traf
ich sie in Ihrem Haus in Bernau am Chiemsee.
Sie wollten ursprünglich Ärztin werden, was
aber wegen der Kriegswirren nicht klappte. Bald darauf wurden Sie Filmschauspielerin.
Wollten Sie das ganz bewusst +ein Star½ werden, oder sind Sie da so rein gerutscht?
Hinein gerutscht nicht. Ich glaube, ich bin hinein geflüchtet. Ich sehe
das mehr wie eine Flucht vor der Wirklichkeit, die mir nicht gefiel. Die Welt
war mir zu grob, zu lieblos. Ich fühlte mich eigentlich immer heimatlos
hier auf dieser Erde, schon als Kind. Dann bin ich in die Schauspielerei geflüchtet,
weil ich auf der Bühne natürlich ein tolles Leben haben konnte.
Aber der Gedanke war eigentlich immer, die Welt zu verbessern und Menschen
zu berühren. Das ist mir auch ganz gut gelungen. Irgendwie bin ich jetzt
wieder bei dem Ursprünglichen gelandet, mich mit dem Heilen zu beschäftigen.
Die Schauspielerei hat mich schon sehr mitgenommen und hätte mich auf
Dauer zerstört.
Was macht aus einem Menschen einen +Prominenten½? Die
Leute gehen dann ja gar nicht mehr normal mit einem um, sondern wenn Sie eine
Bühne betreten, brüllt der Moderator +Hier kommt Barrbaaraah Rrrütting!!!½
,und auf der Straße tuscheln sie: +Boah, das ist ja Barbara Rütting!½
Schrecklich! Es wirkt so ungeheuer verlogen! Die Menschen sind nicht so,
wie sie sich den Promis gegenüber geben. Wenn man mal nicht erkannt wird,
sieht man, wie die Leute eigentlich sind. Ich hab mir angewöhnt, weder
den Tadel noch das Lob groß zu beachten. Ich freu mich, wenn ich wie
ein normaler Mensch behandelt werde, darum war's in Indien so schön,
als mich keiner kannte.
Was betrachten Sie denn als Ihren größten
Erfolg, nach äußerlichen Kriterien? Waren das die Edgar-Wallace-Filme?
Nein, für die Wallace-Filme habe ich mich eigentlich immer geschämt.
Ich finde es nicht gut, wie da mit Tod umgegangen wird, dass da immer geknallt
und geschossen und geprügelt wird. Das war mit der Grund, warum ich diese
Filmlaufbahn aufgegeben habe, ich konnte diese Krimis nicht verantworten.
Ich hab mich eigentlich auch nie gefreut, wenn jemand sagte +die Schauspielerin½.
Ich hab mich wahnsinnig gefreut, als ich einmal in eine Französischgruppe
kam, und der Lehrer sagte: +Ah, vous-etes l'écrivain½ (+Sie sind die
Schriftstellerin½).
Sie haben sich dann sichtlich bemüht, aus der
Kitsch-Ecke rauszukommen und sich anspruchsvollen Projekten zuzuwenden, wie
z.B. Ihre Antikriegsfilme +Zeit zu leben, Zeit zu sterben½ und +Die letzte
Brücke½.
+Die letzte Brücke½ mit Maria Schell und Bernhard Wicki, das war ein
Film, auf den ich wirklich stolz bin. Er hat den Friedenspreis bekommen. Wir
dachten damals alle: Es gibt nie wieder Krieg! Ich bin schon 1958 mitmarschiert
gegen die Wiederbewaffnung. Das ist nun fast ein halbes Jahrhundert her. Dass
jetzt deutsche Soldaten wieder marschieren müssen, ist für mich
eine riesige Enttäuschung und Grund für die neueste Krise in meinem
Leben. Ich weiß noch nicht, wie ich die bewältigen werde.
Erfolg ist für mich z.B. dass meine Bücher so gut gehen. Es ist
toll, dass ich damit etwas bewirken kann, wenn ich das Feedback bekomme: +Mein
Kinder sind wieder gesund½, +Meine Neurodermitis ist weg½.
Sie kannten viele von den Schauspielern, die in den
60ern berühmt waren, auch persönlich, und Sie haben natürlich
auch etwas von deren Schattenseiten mitbekommen. Was für ein Menschentyp
ergreift normalerweise den Schauspielerberuf? Was steckt dahinter, wenn jemand
den Starruhm sucht?
Bei vielen ist es so, dass sie Minderwertigkeitskomplexe haben. Manche sagten
auch: Ich habe nichts anderes zustande gebracht, da bin ich Schauspieler geworden.
Es ist ja eine Scheinwelt, darum trinken viele und nehmen Drogen. Dieses Übersteigerte
- und dann diese Abstürze. Die Hauptschwäche, glaube ich, sind
die Minderwertigkeitsgefühle, die im Beruf kompensiert werden. Auch eine
gewisse Unfähigkeit, mit sich zurecht zu kommen. Das führt dazu,
dass sie in Rollen schlüpfen. Das war bei mir nicht so. Ich war eigentlich
keine Schauspielerin, ich war eine Schau-Leberin. Ich habe versucht, diese
Rollen zu leben.
Das größte Feindbild in der spirituellen
Szene ist wohl das +Ego½. Ich frage mich, ob es nicht viel schwieriger ist,
das Ego loszulassen, wenn man andauernd von außen bestätigt bekommt,
wie berühmt und bedeutend man ist.
Was ist das Ego überhaupt? Ich weiß, da wird immer unterschieden
zwischen dem Ego und dem Selbst. Das Ego ist ja nötig, damit ich überhaupt
überlebe. Bei Rot muss ich eben stehen bleiben an der Kreuzung, sonst
werde ich überfahren. Ich muss einfach zu einer gewissen Anpassung fähig
sein, und ich muss einen Beruf lernen, damit ich überlebe. Ich brauch
das Ego ja auch.
Sie wollen's also gar nicht los werden!?
Nein, mich interessiert auch nicht, ob ich erleuchtet werde, das ist mir
völlig egal. Ich will auch nicht unbedingt in frühere Leben zurück.
Die sind vorbei. Ich lebe jetzt. Das versuch ich so gut wie möglich und
so prall wie möglich. Ich wünsche mir, dass es mir gelingt, diesen
Körper eingermaßen gemütlich zu verlassen, gesund zu sterben.
Das ist fast schon etwas für das Ende eines Interviews:
Ist der Tod für Sie schon ein Thema?
Der war immer ein Thema. Ich bin mit dem Tod aufgewachsen. Mein Vater war
Lehrer in einer Schule, die direkt neben dem Friedhof lag. Ich sah, wie die
Menschen dort beerdigt wurden, verzweifelte Angehörige. Eine Frau wollte
in die Grube springen, hinter ihrem Mann her. Der Tod war für mich nichts
Schlimmes, er hat mich nie geschreckt. Als Kind habe ich staunend beobachtet,
wie die Leute sich am Grab benehmen: Sie weinen herzzerreißend, anschließend
gehen sie in die Kneipe zum Leichenschmaus, wo es ausgesprochen fidel zugeht.
Es ist ja eigentlich alles fürchterlich komisch. Ich habe eher das Gefühl,
dass das ganze Leben ein kosmischer Witz ist.
In der letzten connection haben wir einen KZ-Überlebenden
interviewt. Wir haben den Artikel überschrieben: +Was mich die Hölle
lehrte½. Bei Ihnen war es beinahe umgekehrt. Sie haben vieles gehabt, wonach
andere Menschen gieren: Schönheit, Reichtum, Prominenz, Ruhm, wahrscheinlich
auch attraktive Männer ... Ich würde gern von Ihnen wissen, was
Sie der +Himmel½ gelehrt hat.
Erst mal hab ich mich nie als schön empfunden, sondern immer als total
ungenügend. Ich bin immer zitternd zu den Aufnahmen gegangen, weil ich
dachte, ich bin nicht gut genug, ich bin nicht schön genug. Es war eher
eine Quälerei. Reich war ich auch nicht, weil ich mein Geld immer sehr
schnell loswurde. Prominent, ja, das war doch teilweise schön. Obwohl:
Ich hatte immer das Gefühl, ich werde nicht für das geliebt, was
ich bin, sondern weil ich +Die Rütting½ bin. Ich hab ja auch nie einen
Traummann gefunden. Ob das daran liegt, dass ich zu viel will? Wie auch immer
... Was hat der Himmel mich gelehrt? Ich hab ja gar nicht das bekommen, was
ich wollte. Ich wollte eine Familie haben mit Kindern und später mal
Enkelkinder - hab ich nicht bekommen. Statt der Kinder hab ich immer Hunde
bekommen.
Sehen Sie das als Ihren großen Misserfolg, dass
Sie keine Lebenspartnerschaft gefunden und keine Kinder bekommen haben?
Ich sehe es nicht als Misserfolg. Ich habe mich nur gewundert, dass ich immer
was anderes bekommen habe, als was ich wollte. Ich bin zur Bühne gegangen,
um die heilige Johanna zu spielen, um mich für die Menschheit verbrennen
zu lassen. Die hab ich nie gespielt, diese Rolle. Statt dessen hab ich lauter
neurotische Frauen gespielt: Strindberg, Ibsen, Shakespeare ... Was ich mir
sehnlichst wünschte, diese Wohngemeinschaft, eine Lebensgemeinschaft,
wo Jung mit Alt, ökologisch und spirituell zusammenlebt: Das ist meine
große Sehnsucht, und die erfüllt sich offensichtlich auch nicht.
Was ich gekriegt habe, habe ich gar nicht unbedingt haben wollen, und was
ich haben wollte, habe ich nicht bekommen. Insofern hatte ich ja nicht nur
den Himmel, ich hatte da auch meine kleine Hölle. Das Scheitern der Ökosiedlung
in Österreich z.B., das war die Hölle, ich hatte mein ganzes Herzblut
in dieses Projekt gepumpt. Es kann auch jeder Abend eine Hölle sein:
die Angst, ob der Abend gut wird, ob das auf der Bühne ist oder bei einem
Vortrag ... Der Himmel bedingt die Hölle, das Licht den Schatten, das
Helle das Dunkle. Ich fange an, mich abzufinden mit der Polarität, und
wahrscheinlich ist +Erleuchtung½ der Zustand, wo man die nicht mehr hat.
Ein großer Einschnitt in Ihrem Leben war, als
Sie sich die Haare abgeschnitten haben und damit Ihren Schauspieler-Beruf
auch symbolisch ...
abgeschnitten habe.
Ich erinnere mich an eine Szene aus dem Buch der buddhistischen
Nonne Ayya Khema, wo sie ihre Haare opferte, was ihr sehr schwer fiel, weil
sie ja auch ein bisschen eitel war. Das war für sie ein extremer Einschnitt.
Ihr Leben zerfiel dadurch in zwei Teile: vorher und nachher.
Ich habe diesen Einschnitt als toll empfunden. Es war wieder wie eine Häutung.
Ich komme in meinem Leben immer an Einschnitte. Beim Film gibt es ja Blenden
oder Schnitte, bei mir sind's Schnitte: Haarschnitt, Karriereschnitt. Das
bereitet sich langsam vor: Unbehagen steigt auf, z.B. über diese Haarfärberei
mit Mitteln, die mit Tierversuchen gemacht wurden. Dann kommt es zu einem
Punkt, wo ich plötzlich - und zwar dann mit einem Glücksgefühl
- diesen Schnitt mache. Das war mit der Karriere auch so. Alle haben gesagt:
+Bist du verrückt? Auf dem Höhepunkt!½ Ich habe es nicht eine Sekunde
bereut.
Aber Sie haben sich nie vollkommen versteckt. Sie haben
es immer geschafft, von sich reden zu machen und irgendwie prominent zu bleiben.
Sind Sie nicht doch ein bisschen süchtig nach Publikum, nach dem Bekanntsein?
Das habe mir auch schon überlegt. Eine Frau sagte mal: Warum müssen
Sie immer Sachen machen, die auffallen? Aber ich mache es ja nicht, um aufzufallen.
Z.B. dieses Anketten bei Schering damals habe ich ja nicht gemacht, um in
die Zeitung zu kommen, sondern um auf die Tierversuche bei Schering aufmerksam
zu machen. Natürlich fällt das dann auf. Ich bin ein extremer Mensch.
Ich bin heftig in meinen Gefühlen ...
Wenn Sie solche Aktionen machen wie das Anketten bei
Schering oder die Blockade in Mutlangen, ist das nicht frustrierend, wenn
sich die Welt nicht in der gewünschten Weise ändert? Waren das Misserfolge?
Also, ich finde die Friedensbewegung war ein Erfolg. Diese Riesenmenschenkette
damals, das hat die Menschen im ehemaligen Osten inspiriert. Die haben gesehen:
+Die haben ja gar keine Waffen in der Hand, um uns tot zu schießen½.
Das hat den Fall der Mauer vorbereitet. Manchmal denke ich mir: Phantastisch,
was wir alles erreicht haben! Mutlangen: Die Raketen sind weg. Die Wiederaufbereitungsanlage
Wackersdorf ist weg. Die Mauer ist weg. Jetzt hat die Künast auch geschafft,
dass die Käfighaltung aufhört. Das ist alles wahnsinnig zäh,
aber die Erfolge sind auch da. Jetzt kann ich nur hoffen, dass dieser irrsinnige
Krieg in Afghanistan dazu führt, dass es den Frauen besser geht und dass
da ein wirklich schlimmes Regime aufgelöst wird.
Sie haben sich lange Zeit allein durch's Leben gelenkt.
Warum glaubten Sie auf einmal einen Meister zu brauchen, nämlich Osho?
Für mich ist ein Meister einer, der einem alles wegnimmt, was nicht
wirklich zu einem gehört, alle diese Konditionierungen, die einem die
Gesellschaft übergestülpt hat, der einen zu sich selbst bringt,
nicht in Abhängigkeit zu ihm, der einen in die Unabhängigkeit und
Selbstverantwortung entlässt. Das verstehe ich unter einem Meister. Ich
sehe mich überhaupt nicht als abhängig, im Gegenteil.
Mussten Sie sich auch von Ihrer Rolle als +Die Rütting½
befreien?
Naja, darum habe ich auch gern diesen Namen los werden wollen. Barbara Rütting,
die muss nun dauernd gesund sein, die darf nicht schwach sein, die muss dauernd
Vorbild sein ...
... womöglich noch dauernd lachen ...
... dauernd lachen, ja. Ich hab mich riesig gefreut, dass mich Menschen dann
mit meinem Sannyas-Namen Taruna ansprachen. Barbara war auch nicht mein Name.
Ich hieß eigentlich Waltraud. Wir hatten einen Nazi-Vater, wir haben
alle nordische Namen gehabt, und als ich anfing zu spielen, hab ich gesagt:
Ich will nicht Waltraut heißen, sondern Barbara.
Wären Sie im Nachhinein lieber die schlichte Waltraut
geblieben?
Nein. Ich finde es fantastisch, so wie es alles gelaufen ist. Ich hab ein
sehr reiches Leben gehabt und das habe ich nach wie vor.
Die Medien haben nach dem 11. September schon das Ende
der Spaßkultur eingeleitet. Meinen Sie, man sollte trotzdem das Lachen
nicht verlernen?
Na unbedingt, das sagen ja sogar die New Yorker: +The show must go on!½.
Das ist auch wichtig. Ich finde nur, dass die Oberflächlichkeit, in der
viele gelebt haben, jetzt einen Dämpfer bekommen hat, und das finde ich
gut. Natürlich bedeutet das nicht, dass man jetzt nicht mehr lachen,
nicht mehr genießen soll, im Gegenteil. Ich finde, wir genießen
zu wenig oder eben auf Kosten anderer. Vielleicht sind jetzt viele zum Nachdenken
gekommen und aus ihrer eingebildeten Sicherheit herausgefallen. Sicher habe
ich mich nie gefühlt auf dieser Erde. Ich sagte ja schon am Anfang: Ich
war eigentlich immer heimatlos. Ich habe das Gefühl, ich war irgendwo
schon mal, wo es schöner war, liebevoller.
Wenn Ihre Seele aus einer schöneren Welt kommt,
was könnte dann Ihr Auftrag sein, der Grund, warum Sie in diese eben
gerade nicht so tolle Welt gekommen sind?
Um das Leben durchzustehen. Als ich jung war, habe ich mal versucht, mich
umzubringen, aus Liebeskummer, weil mein Freund mich warten ließ ...
(lacht). Er kam einen Tag später. Ich hatte in der ersten Lebenshälfte
immer das Gefühl: Das halte ich nicht aus, dieses Leben. Es ist zu brutal,
es ist zu hart, es ist zu sehr mit Trauer verbunden. Als ich mir damals die
Pulsadern aufgeschnitt, das war in New York, kam ich natürlich in die
Psychiatrie, und ich fragte den chinesischen Arzt, der mir das zusammenflickte:
+Warum bin ich nicht gestorben?½. Da sagte der: +It was not your time, Madam½.
Also sollte ich offensichtlich weiterleben.
Sie haben in Ihrem Buch die Menschen aufgefordert,
zusammen zu lachen. Wenn Israelis zusammen lachen mit Palästinensern,
Amerikaner mit Afghanen usw. dann könnte es gar keinen Krieg mehr geben.
Ja, denn ein lachender Mensch kann kaum auf einen anderen lachenden Menschen
schießen. Ben Gurion hat gesagt: +Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein
Realist½, also: Warum soll das nicht vorstellbar sein? Ich wünsche mir
natürlich - und das ist wieder eine Anregung von Osho -, dass alle Religionen
abgeschafft würden, nicht dass sie verboten, sondern dass sie überflüssig
werden, weil sie alle nur Schaden anrichten. Jeder sagt: Meine ist die Richtige,
und darum schlag ich Dir den Schädel ein.
+Imagine no religions½, hat John Lennon gesungen.
Ja, das wäre fantastisch. Ich brauche keine Religion. Ich gehöre
keiner an. Ich glaube nicht an irgendeinen Gott. Mir scheint, dass wir selbst
schöpferisch sein und es schaffen sollten, die Welt so human zu gestalten
wie möglich.
Sie haben gesagt, Weinen ist genau so wichtig wie Lachen.
Worüber können Sie im Moment weinen?
Na gestern abend zum Beispiel habe ich wieder über die Situation der
Menschen in Afghanistan geweint. Ich fühle mich so verbunden mit allem,
was leidet. Ich nehme sehr teil an dem, was anderen Lebewesen passiert, auch
an dem, was den Tieren ständig geschieht. Ich habe diese furchtbaren
Schlachttiertransporte begleitet und an allen möglichen Demos teilgenommen,
gegen die grauenvolle Haltung der Schweine zum Beispiel. Ich weine über
Ungerechtigkeiten, aber ich versuche, nicht im Leiden stecken zu bleiben,
sondern das in Tun umzusetzen. Insofern lebe ich nicht gesund, als ich mir
viel zu viel auflaste. Es gibt einen Satz, der mein Leben geprägt hat.
Mein Vater war Nazi, meine Mutter war's nicht, aber sie hat auch nichts dagegen
getan. Und einmal hat sie gesagt: +Man geht eben immer den Weg des geringsten
Wiederstands.½ Da habe ich gesagt: +Ich nie!½ Vielleicht suche ich mir deshalb
immer den Weg des größten Widerstandes aus. Auch heute noch.
Barbara Rütting, geb. 1927 in Berlin. Seit 1952 Hauptrollen in
insg. 45 Filmen, u.a. "Die Geierwally", "Die letzte Brücke",
"Canaris", "Operation Crossbow" mit Sophia Loren, "Stadt
ohne Mitleid" mit Kirk Douglas. Seit 1956 auch Theaterschauspielerin.
Seit 1970 erscheinen Romane und Gesundheitsratgeber, u.a. "Diese maßlose
Zärtlichkeit", "Mein Gesundheitsbuch", "Grüne
Rezepte für den blauen Planeten" und zuletzt "Lachen wir uns
gesund". Zunehmendes Engagement in Umwelt-, Tierschutz und Friedensbewegung.
1982 gibt sie ihre Schauspielkarriere auf und schneidet sich die Haare ab.
1984 Mutlangen-Blockade gegen die Stationierung von Pershing-Raketen. Einsatz
für Vollwerternährung gegen den Hunger in Bulgarien und Russland
(u.a. in Michail Gorbatschows Kinderklinik). Barbara Rütting war zweimal
verheiratet und lebt heute als "glücklicher Single" in Bernau
am Chiemsee.