|
Hier finden Sie laufend aktuelle Nachrichten aus dem Themenbereich Ökologie.
Wenn Sie Meldungen zu einem bestimmten Thema suchen, steht Ihnen die Navigation links zur Verfügung. - Mit ECO-News, dem Presseverteiler der ECO-World sind Sie immer auf dem Laufenden.
Aktuelle Pressemeldungen von Connection Medien GmbH
|
| ECO-News - die grüne Presseagentur |
Presse-Stelle: | Connection Medien GmbH, D-84494 Niedertaufkirchen |
Rubrik: | Umweltschutz Datum: 08.02.2002 |
|
|
Für die Tiefenökologin Joanna Macy kann »soziale Mystik« die Erde heilen |
|
|
Die
Erde heilt
Welt als Geliebte
"Für die Tiefenökologin Joanna Macy kann »soziale Mystik«
die Erde heilen"
Ökologie
gehört zwar heute zum guten Ton, und wir nicken ihr als Teil politisch
»korrekten« Denkens halbherzig zu. So richtig ergreifen lassen wir
uns aber nur selten vom Zustand unserer Wälder, unserer Meere, unserer
Luft und von der akuten Bedrohung, die daraus auch für uns Menschen resultiert.
Joanna Macy, die »Mutter« der spirituellen Ökologie, glaubt,
dass wir uns der Verzweiflung stellen müssen, um Tatkraft und Hoffnung
wieder zu gewinnen. Der Erkenntnis, dass »alles eins ist« werden
wir nicht durch Rückzug und Weltverleugnung gerecht, sondern indem wir
begreifen, dass wir keinen Baum fällen, kein Tier quälen können,
ohne zugleich uns selbst zu verletzen. Nur eine Mischung aus emotionaler Empfänglichkeit,
engagierter Spiritualität und gezielten politischen Aktionen kann die Wende
herbeiführen
Vorbilder
sind knapp geworden zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Es sind jene Leute, die
leben, was sie sagen, deren Biographie überzeugt und die das Engagement
nicht nur in den Fingern, sondern auch in den Augen haben. Joanna Macy gehört
zu dieser Spezies.
Die Ökophilosophin und Professorin für Religionswissenschaften und
Allgemeine Systemtheorie im kalifornischen Berkeley, hat ihren Platz immer dort
gesehen, wo Blockaden gebaut werden gegen Raketenstationierungen, Atomkraftwerke
oder den Kahlschlag von Regenwäldern. International ist ihr Engagement
als Ökoaktivistin ebenso gefragt wie als Mitbegründerin der modernen
Tiefenökologie oder als weltweit aktive Seminarleiterin. Die ungebrochene
Antriebskraft der heute 73-jährigen praktizierenden Buddhistin wird getragen
von einer tiefen Liebe zur Welt, zu ihren gegenwärtigen und künftigen
Bewohnern.
»Stell dir vor, du lebst 500 Jahre von heute, und der Atommüll
beginnt, aus den unterirdischen Lagern ins Grundwasser und die Flüsse auszutreten,
was zu Missbildungen und Krankheiten bei deinen Kinder führt. Wenn du dann
herausfinden würdest, dass das die Schuld deiner Vorfahren ist, wäre
es die ganze Generation, die die Verantwortung trägt. Deine Frage an mich
wäre: Was habt ihr, was hat diese Generation gemacht?«
Die
Zeit des großen Wandels
Joanna
Macy gehört nicht zur großen Mehrheit jener, die gebannt wie das
Kaninchen vor der Schlange auf eine düstere Zukunft starren. Die Großmutter,
Aktivistin und Autorin weiß, dass sie die Früchte ihres ökologischen
Engagements nicht mehr selbst ernten wird. Sie denkt in größeren
Zeiträumen und zieht die Kraft für ihre Arbeit immer wieder daraus,
sich in Gedanken mit zukünftigen Generationen zu verbinden um - stellvertretend
für sie - heute zu handeln. »Jetzt, in dieser Zeit, müssen
wir den Wandel von einer industriellen Wachstumsgesellschaft zu einer Gesellschaft
schaffen, die das Leben langfristig erhält. Wenn künftige Wesen also
zurückblicken, werden sie es mit Respekt tun, mit Mitgefühl und Dankbarkeit,
für das, was wir in der 'Zeit des großen Wandels' getan haben«.
Nie, sagt Joanna Macy, war die Gelegenheit größer, grundsätzlich
etwas zu verändern. Denn wenn alte Werte wertlos werden und die Menschen
ratlos in eine ungewisse Zukunft gehen, ist der Boden für das Neue schon
bereitet. Deshalb sieht sie in jeder Umweltkrise mehr den Vorboten einer Wende
als ein Zeichen des Untergangs.
Bewusstseinswandel: Für Joanna Macy heißt das weder Ökoerziehung
mit dem moralischen Zeigefinger noch das Warten auf Erleuchtung oder Rückzug
in die Innerlichkeit. Bewusstseinswandel geschieht, sagt sie, wenn wir unsere
Beziehung zur Mitwelt, zu den Menschen und zu uns selbst verändern. Bewusstseinswandel
geschieht, wenn wir wach und mit allen Sinnen in der Welt sind. Wenn wir uns
erinnern, dass wir selbst Natur sind und nicht die Augen vor dem verschließen,
was in der Welt geschieht. »Ich glaube, dass von allen Gefahren, die uns
drohen - sei es der Militarismus, die Umweltverschmutzung, die Übervölkerung
oder das Artensterben - keine Gefahr so groß ist wie die Verdrängung.«
Die
Welt als Ort der Transformation
Die Ökoaktivistin weiß, dass sie hier einen wunden Punkt berührt.
Denn längst wissen wir mehr als jemals zuvor über den Zustand der
Umwelt auf dem Planeten und die Gefahren, die uns drohen. Doch wir lassen uns
nicht mehr berühren von dem Wissen. Es ist, als schauten wir teilnahmslos
unserer Hand auf einer heißen Herdplatte zu ohne die Finger wegzuziehen,
obwohl schon der Rauch aufsteigt.
Einsicht und Mitgefühl sind die beiden zentralen Werkzeuge, mit denen wir
die Welt verändern können, so Joanna Macy. Den alten Gegensatz zwischen
geistigem Wachstum und politischer Aktion sieht sie nur als zwei Seiten einer
Medaille: Die Welt selber soll zur Arena unserer Transformation werden. Statt
die Welt als Schlachtfeld zu begreifen oder als Ort der Versuchung, sucht sie
einen Weg, in der die Welt zur Geliebten wird oder - bestenfalls - zum größeren
Selbst. Bestimmen wir unsere Rolle in dieser Welt, von der wir ein Teil sind,
neu, dann entdecken wir uns selbst als die sinnliche Erde.
Auf ihrer Suche nach den Wurzeln des kollektiven Desasters ist die Autorin beim
einzelnen Menschen gelandet und bei der Geschichte jenes Missverständnisses,
das unsere Welt zerstört: unserem hartnäckigen Glauben, wir seien
getrennt und unabhängig von der Natur und könnten mit ihr umgehen,
wie wir wollen. »Wir sehen uns als Krone der Schöpfung, als Mittelpunkt
der Welt und alles, was unserer Bequemlichkeit und unseren eingebildeten Bedürfnissen
dient, scheint gerechtfertigt. Egal, was wir damit anderen Gattungen antun,
dem Boden, der Atmosphäre und anderen Wesenheiten.« Dabei liegt die
Alternative längst auf der Hand, sagt sie. Sie ist ein wenig verborgen
unter der Oberfläche unserer religiösen Traditionen, kommt nun aber
in der modernen systemischen Sicht des Lebens und in den Naturwissenschaften
deutlich zum Vorschein: »Es ist die Anerkennung der Tatsache, dass
alle Lebensformen voneinander abhängig sind und das der Mensch in diesem
Netz des Lebens nur ein Faden ist.«
Die Ethik des Nondualen
In allen großen religiösen Traditionen
wird zurzeit die nicht-dualistische Spiritualität wieder entdeckt, wo die
Grenzlinie zwischen Meditation und Aktion sowie zwischen dem Selbst und der
Welt verschwimmen. Das ist Bestandteil der buddhistischen Lehren, das gab es
immer in der Sufitradition, und auch im Christentum gibt es jetzt wieder Stimmen,
die sich dafür aussprechen. Alle diese Traditionen betonen das Beziehungsgeflecht
unserer Welt und ihre Heiligkeit. Der spirituelle Pfad wird dort nicht mehr
als Flucht aus der schlimmen Welt in einen separaten Himmel verstanden. Vielmehr
ist dort die Welt selbst unser Gotteshaus, die Welt selbst die Arena für
unsere Transformation.
Das griechische Wort »Apatheia« bedeutet wörtlich »Nicht-Leiden«.
Apathie ist demnach die Unfähigkeit oder Weigerung, Schmerzen zu spüren.
Anstatt so zu leben, als sei nichts geschehen und mit diesem Selbstbetrug eine
Menge dringend benötigter Handlungsenergie zu verschwenden, empfiehlt die
Joanna Macy als ersten Schritt, sich der Verzweiflung, die wir in uns tragen,
zu stelllen. »Wir haben Angst. Wir glauben, so zerbrechlich und klein
zu sein, dass es uns in Stücke reißt, wenn wir es uns erlauben, unsere
Gefühle über den Zustand der Welt anzuschauen. Wir fürchten eine
tiefe Depression oder Lähmung. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir es
aussprechen, merken wir, dass wir nicht isoliert sind, sondern das dieser Schmerz
weit hinausgeht über das kleine Ego und Konsequenzen hat, die jenseits
unserer individuellen Bedürfnisse und Wünsche liegen. Wir erfahren
dann nämlich eine Art größerer Identität. Dieser Schmerz
befreit auch unsere Hilfsbereitschaft. Ich bin in dieser Arbeit zu der Erkenntnis
gekommen, dass unser Schmerz um den Zustand der Welt und unsere Liebe für
die Welt untrennbar miteinander verbunden sind.«
Aus Schmerz wird Hoffnung
In den Seminaren, die Joanna Macy rund um den Globus
anbietet (in Deutschland findet das nächste im August in Freiburg statt),
wird keine schöne neue Welt vorgegaukelt. Da wird aus Verzweiflung geheult,
aus Wut geschrieen, aus Resignation und Angst gejammert. Da werden Teile einer
selbstmörderischen Gesellschaft einer Therapie unterzogen. Denn Neues kann
nur entstehen, wenn wir die Dynamik des Alten verstanden haben. Neue Energie
und Mut zum Handeln stellt sich nur ein, wenn wir Dampf abgelassen haben. Engagement
bildet sich erst, wenn wir uns erlauben, mitzufühlen.
Heute vertritt sie als Ökophilosophin einen Ansatz, der darauf abzielt,
die kritisch-alternativen Strömungen in aller Welt miteinander zu verbinden.
Statt sich auf der Suche nach dem Stein der Weisen gegenseitig zu behindern,
plädiert sie dafür aus der Vielfalt der Ideen einen neuen Stein zu
formen. Gemeinsam mit Öko-Aktivisten aus aller Welt versucht Joanna Macy
eine Synthese aus den Erfahrungen persönlichen Wachstums und dem Engagement
in Frauen-, Friedens und Anti-Atombewegung.
Das ökologische Selbst
Tiefenökologie unterscheidet sich von der
traditionellen Ökologie dadurch, dass sie über den Anthropozentrismus
hinausgeht, der alle ökologischen Probleme immer nur zum Nutzen, zum Vorteil
oder zum Profit der Menschen reparieren will. Tiefe Ökologie konzentriert
sich stattdessen auf die essentiellen Kreisläufe und Systeme der Natur
selbst, um uns selbst dann zum Diener der Gesundheit des größeren
Ganzen zu machen. Mit einer Vielzahl von Methoden versucht dieser Ansatz, jeden
einzelnen Menschen darin zu unterstützen, das beschränkte und egozentrische
Selbstbild zu überspringen und so etwas wie ein »ökologisches
Selbst« zu entwickeln. Sie spricht von sozialer Mystik. »Es ist
eine Mystik, die in der Aktion deutlich wird, durch zivilen Ungehorsam, Sitzblockaden
vor Bulldozern oder durch die Gründung neuer Initiativen.«
Joanna Macy macht deutlich, dass ein engagiertes Eintreten für das Leben
nicht nur hilft, eine kranke Zivilisation zu heilen, sondern auch ein Schlüssel
sein kann für geistiges Wachstum. Sie ermutigt uns, »dankbar dafür
zu sein, in einer Zeit zu leben, die so sehr zur Veränderung herausfordert
und diesen sinnlichen, fast erotischen Instinkt in uns weckt, das Leben zu erhalten.
(...) Hab' keine Angst vor der Zukunft, die in der Dunkelheit liegt. Alles Neue
reift zuerst im Dunkeln.« Wer die Welt ändern will, muss bei sich
selbst anfangen, hat sie gelernt. »Wir müssen einerseits 'Sterbebegleiter'
für die alte Kultur und andererseits 'Hebammen' für die neue Kultur
sein.«
»Im Netz des Lebens sind wir unschlagbar«
connection-Interview mit Joanna Macy über die aktuelle
Weltlage
connection: Es scheint zwei Amerikas zu
geben: Die USA als imperialen Weltpolizisten einerseits und als Geburtsort alternativer
Ansätze wie der Tiefenökologie andererseits. Wie ist die Situation
seit dem 11. September?
Joanna Macy: Die Reaktion war ein enormer Schock
und Angst. Doch was man in Deutschland über Amerika nach den Anschlägen
gehört hat, war nur die halbe Wahrheit. Das andere Amerika', von
dem du sprichst, reagierte ganz anders als die Bush-Regierung. Es rief zur Zurückhaltung
auf und war gegen den Afghanistan-Krieg. Vielmehr begann eine tiefe Selbsterforschung
der amerikanischen Politik. Die Leute fragten sich, wie hat es zu diesem Hass
auf uns kommen können? Und sie entdeckten, dass es mehr als genug Gründe
dafür gibt. Aber über die Demonstrationen der amerikanischen Friedensbewegung,
über all die Resolutionen und Aufrufe haben die Medien kein Wort berichtet.
connection: Welche Rolle spielen den aus der Sicht
dieser Friedensbewegung die USA bei dem Ausbruch terroristischer Gewalt?
Joanna Macy: Die Kritiker sind gar nicht nur irgendwelche
linken Alternativen. Der Pfarrer in der Kirche meiner Gemeinde in Berkeley ist
ein schönes Beispiel dafür. Nach dem 11. September stellte er seine
Predigt unter den Titel »Asche über Amerika« und erinnerte
seine Gemeinde an die Geschichte des Staatsterrorismus: Den Holocaust an den
Indianern, 200 Jahre Sklaverei und den fortgesetzten Missbrauch der schwarzen
Bevölkerung, die Ausbeutung Süd- und Mittelamerikas, die Unterstützung
von Diktatoren in aller Welt, unsere riesigen Waffenexporte, die Ausbeutung
der Ressourcen auf dem ganzen Globus. Er fragte wortwörtlich: Haben die
Terroristen angegriffen oder sind wir selbst die Terroristen? Für ihn war
der 11. September eine Chance für Amerika, endlich aufzuwachen und zu erkennen,
dass wir nicht schuldlos sind. Es ist schrecklich was da passiert ist! Aber
es ist schön, wenn ein Volk in der Lage ist, in den Spiegel zu schauen
und auf so eine wunderbare Art seinen Schatten zu erkennen. Darin liegt unsere
Hoffnung!
connection: Aber hat durch die Anschläge nicht
gerade der militärisch-industrielle Komplex in den den USA enormen Aufwind
bekommen?
Joanna Macy: Ja, bestimmt. Was meine Freunde sehr
enttäuscht hat, war die Unterstützung die G. W. Bush gerade auch aus
England und Deutschland erhalten hat, die herbei gesprungen sind, um den Krieg
zu unterstützen. Die Medien sind alles andere als neutral und berichten
nur, was der Regierung dient. Die Bilder vom Anschlag sind längst ein Mittel,
um das Trauma immer wieder wach zu rufen. Die Medien werden benutzt, um ein
Klima der Angst zu erzeugen, gegenüber einem Feind, der ständig präsent
ist, jedoch unsichtbar. Dieser unsichtbare Feind hinterlässt ein Gefühl
von tiefer Unsicherheit und versetzt uns ständig in Unruhe. Das Zusammenspiel
von Lähmung und Panik führt zu einem Zustand der Erstarrung. Dies
erzeugt ein Klima von Gehorsam und Unterordnung. In dieser psychologischen Situation
sind Gesetze verabschiedet worden, mit denen die demokratischen Rechte eingeschränkt
werden wie nie zuvor und die Geheimdienste fast uneingeschränkte Rechte
bekommen. Man kann sagen, dass die Polizei militarisiert wird, das Militär
dagegen immer mehr Polizeifunktion übernimmt. Wir erfahren und erleben
heute, dass die Gewalt welche in unserem Namen in der ganzen Welt ausgeübt
worden ist, sich jetzt immer mehr gegen uns selbst richtet.
connection: Wie kann man aus der Perspektive der
Tiefenökologie diese Entwicklung verstehen und nutzen?
Joanna Macy: Wir sind lebende Wesen im lebendigen
Körper der Erde, völlig wechselseitig und tief verbunden mit all den
anderen Lebensformen. Wenn wir uns das klarmachen, kann das helfen. Aus dieser
Perspektive lautet die Botschaft: Sei mit deinem Schmerz, verstehe diesen Schmerz
und schaue auf die Ursachen. Öffne dich der Kraft, der Verbundenheit und
der Gemeinschaft, die daraus hervor geht. Die Trauer um den Zustand der Welt
ist in Ordnung, denn dein Herz kann nicht brechen, und wenn es doch brechen
sollte, sagt man: »Ein Herz das bricht, kann das ganze Universum aufnehmen.«
Dieser Schmerz sagt dir, dass du nicht allein bist. Jeder von uns hat das Recht,
mit der Autorität der Erde aufzustehen und sich dieser Entwicklung in den
Weg zu stellen. Nur wer sich isoliert fühlt, ist schwach. Im Netz des Lebens
sind wir langfristig unschlagbar. Das müssen wir begreifen.
|
|