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Essen & Trinken   
Trinkwasser oder Treibstoff?
Und das alles ist nur die Spitze des Eisbergs...
"Wasser ist das Leben aller Wesen, durch das alle Kreaturen gedeihen,
aber auch vergehen, wenn sie von ihm verlassen sind.."

Mahabharata

Der umweltzerstörenden Fahrzeug- und Transportindustrie geht der Treibstoff Erdöl aus. Sie schreit lauthals nach Ersatz und erfindet das Märchen vom umweltfreundlichen Alternativtreibstoff vom Acker. Dass damit die seit Jahren virulente Wasserkrise unseres blauen Planeten noch verschärft wird, kümmert weder die Auto- noch die Agrarspritlobby und schon gar nicht das Agrobusiness. Schließlich sind sie ja bereits die Hauptverantwortlichen für die bisherige Wasserverknappung und Wasservergiftung - vor allem in den Ländern des Südens. Außerdem bedeutet "Verknappung" betriebswirtschaftlich gesehen lediglich steigende Profite.

Ein mathematisch begabter Mensch hat vor einiger Zeit errechnet: Die Menge an Süßwasser, die die Menschheit verbraucht, habe sich in den vergangenen 100 Jahren quasi verhundertfacht. Der Löwenanteil des Gesamtverbrauchs entfalle auf die bewässerte Landwirtschaft, rund 60 Prozent. Knapp 20 Prozent flößen in die Industrie, und nur 10 Prozent dienten wirklich als Trinkwasser. Doch das sind in Wirklichkeit globalisierende, nur wenig aussagende Durchschnittszahlen.

Die Bundesbürger gelten beispielsweise derzeit beim direkten Wassersparen als die vorbildlichsten Europäer. Unser Wasserverbrauch je Einwohner ging seit 1990 von durchschnittlich 147 Litern pro Tag auf heute 125 Liter zurück. Die mit schlimmsten Wasserverschwender Europas hingegen sind laut Durchschnittsstatistik die Italiener, die fast das doppelte an kostbarem Nass verbrauchen. Doch die Statistik lügt, denn es sind vor allem Deutsche, Millionen von Deutschen, die in italienischen Tourismusressorts urlauben und in saus und braus Wasser verschwenden, oder Wasser verbrauchende italienische Äpfel, Tomaten und Chiantiwein konsumieren oder auf Kunstschnee-Skipisten ins Tal wedeln. Die Wasserrealität unseres globalisierten Planeten ist eben erheblich komplexer als es uns vereinfachende Statistiken und Propagandaschriften der Industrie weis machen wollen. In Wirklichkeit sind die Deutschen zusammen mit den anderen führenden Industriestaaten die schlimmsten Wasserverschwender des Planeten. Denn wir verbrauchen und verseuchen Milliarden von Liter Wasser mit unseren Importen aus aller Welt.

57 Tonnen Wasser für 1 Tonne Alu

Unsere Automobilfirmen - und mit ihnen die Autofahrer - beispielsweise zählen zu den Hauptverbrauchern von Aluminium vornehmlich aus den Tropen. Doch jede dort produzierte Tonne Primäraluminium benötigt rund 57 Tonnen Wasser. Gleichzeitig bleiben neben gesundheitsschädlichen Abgasen rund drei Tonnen giftiger, schwermetallhaltiger Rotschlamm zurück, der Brunnen und Flüsse gefährdet. Doch nicht nur dies: Bereits der weiträumige Abbau des Alu-Rohstoffs, Bauxit, ist ein extrem Wasser verbrauchender und Wasser verschmutzender Prozess. "Durch das Waschen des Rohbauxits wurden die Gewässer des Lago Batata und Rio Sapone sehr stark belastet, so dass die Bevölkerung der Region das Flusswasser nicht mehr als Trinkwasser benutzen kann", so der Bericht "Aluminiumproduktion und Zivilgesellschaft in Brasilien" von Forschern der Universität Kassel und TU Berlin.

Auch der zweite Automobilrohstoff, Stahl, ist ein globaler Wasserverschwender und wird in erster Linie aus Brasilien geholt. Besonders katastrophal wirkt sich dort die Rohstahlerzeugung aus, weil zur Verhüttung Holzkohle eingesetzt wird: Holzkohle, die durch Naturwaldabholzung und oder durch Eukalyptusplantagen gewonnen wird. Beides hat negative Folgen für den Wasserhaushalt der betroffenen Regionen.

Kraftwerke sind die mit größten Wasserverbraucher

Ein anderer riesiger Wasserverbraucher sitzt in unseren Steckdosen. Laut aktuellen Zahlen des Wissenschaftlers Vincent Tidwell von den Sandia National Laboratories in Albuquerque sind in den USA tatsächlich die Elektrizitäts- vor allem die Atom- und Kohlekraftwerke mit ihren riesigen Kühltürmen die größten direkten Trinkwasserverbraucher Nordamerikas. Sie sind für 39 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs der USA verantwortlich. Dies sollte in Frankreich, Großbritannien oder Deutschland nicht anderes sein. Aber schlimmer noch: Die gar nicht so saubere Atomkraft ist tatsächlich für noch erheblich größere Wasserverschwendungen in anderen Teilen der Erde verantwortlich, weil ihr Rohstoff Uran heißt und mehrheitlich aus der südlichen Hemisphäre importiert wird. Die australische Uranmine Roxby Downs/Olympic Dam beispielsweise verbraucht derzeit 33 Millionen Liter Wasser täglich. Ein Wasserverbrauch, der mit der geplanten Ausweitung der Mine auf 150 Millionen Liter täglich steigen werde, so die Befürchtungen der lokalen Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Adelaide. Außerdem kann bereits die Uranexploration Grundwasserquellen zu gesundheitsschädlichen Strahlenquellen machen, in dem durch das Untersuchungsbohrloch Wasser führende Schichten mit Uran haltigen in Kontakt kommen.

Es scheint Paradox: Gerade in der offiziell unter Wasserknappheit leidenden Region mit Hunderttausenden von Menschen ohne sauberem Trinkwasser, dem Nordosten, liegen Brasiliens Wasser saufende und Wasser vergiftende Uranminen, in Bahia. Pro Stunde verbraucht die Mine 90.000 Liter Wasser allein zur Aufkonzentration des Uran zum so genannten Yellow Cake. Und wenn niemand die Regierung Lula stoppt wird ab 2009 auch im trockenen Ceará Uranerz ausgegraben und strahlender Yellow Cake produziert.

3500 Liter Wasser für einen Liter Ethanol

Eine weitere Bedrohung der knappen Wasserressourcen heißt Agrarsprit. Die internationale Biospritbranche macht sich seit kurzem in dieser zwar fruchtbaren aber eben relativ trockenen Region breit und lässt Zuckerrohrplantagen zur Ethanolproduktion in die Landschaft zu klotzen - bewässert mit dem knappen Wasser des Rio Sao Francisco und seiner Nebenflüsse. Das Internationale Institut für Wasserwirtschaft (IWM) warnte 2007 vor einer massiven Belastung der ohnehin schon angespannten Wasserversorgung durch den Anbau von Energiepflanzen. Je Liter Zuckerrohr-Ethanol würden bis zu 3.500 Liter Wasser verbraucht hauptsächlich durch die Bewässerung. Der Umweltexperte der katholischen Landpastorale (CPI) in Brasilien, Roberto Malvezzi, kritisiert schon lange den Ethanolwahn: "Das Volk ist am verdursten, aber das Zuckerrohr bekommt Wasser im Überfluss. Heute weitet sich Zuckerrohr über den Cerrado und das Pantanal aus - und in perverser Weise und bewässerter Form über die besten Böden der Caatinga (Arten reicher Trockenwald des Nordostens)."

In so manchen wissenschaftlichen Studien von Industrie finanzierten Universitäten oder NGOs heißt es fast schon Gebetsmühlenhaft: Biotreibstoffpflanzen wie Soja, die nicht bewässert würden, könne man als Benzinersatz empfehlen. Doch das ist Humbug. Keine Soja-Pflanze wächst ohne Wasser. Ob das Nass nun aus dem Regen stammt oder aus dem Fluss geholt wird. Wasser wird verbraucht, Grundwasserspiegel und Flusswasserpegel beeinflusst. Doch schlimmer noch: Die inzwischen 22 Millionen Hektar umfassenden Soja-Monokulturen Brasiliens vergiften durch die eingesetzten Pestizide und Kunstdünger Grund- und Flusswasser in einem erschreckenden Ausmaß: Und dies betrifft genauso das Soja-Meer in Argentinien und die wachsenden Soja-Plantagen in Paraguay und Bolivien. Man muss nur eben hin- und nicht vorbeisehen.

Die brasilianische Nichtregierungsorganisation Repórter Brasil hat genau hingesehen. "In Formoso do Araguaia nahe der Indianergebiete Karajá und Javaé werde das Wasser der Fluesse Javaé und Formoso kontinuierlich durch große bewässerte Soja- und Reismonokulturen vergiftet", so ihr gerade veröffentlichter Bericht zu den Folgen des Soja und Biodieselbooms. Besonders betroffen auch das von Soja-Monokulturen eingeschlossene Indianerreservat Tereza Cristina im Sueden Mato Grossos, die umwelt- und gesundheitsschädlich Abwässer der großen Soja-Firmen Basso und Amaggi die Wasserresourcen kontaminierten. Ihr Fazit: Die Verseuchung der Wasserressourcen sei ein zunehmendes Problem in den durch Soja-Anbau missbrauchten, zerstückelten und reduzierten Indianergebieten.

Da kann man nur wohl noch eine beruhigende Tasse trinken. Doch halt. Jede Tasse Tee verbraucht im Schnitt die 136fache Menge an Wasser in den Tee-Anbauländern. "Für eine Tasse Kaffee werden sogar 1.100 Tassen Wasser eingesetzt - also das Achtfache wie beim Tee", so der Wasserexperte Frank Kürschner-Pelkmann. Für die globale Kaffeeproduktion betrage das Volumen 110 Milliarden Kubikmeter im Jahr - 1,5 Mal so viel Wasser, wie jährlich in der Rheinmündung ankommt. Und wer sich eine Zitrone auspresst, um ein paar Milliliter Saft zu bekommen, hat in Wirklichkeit den Verbrauch von 100 Litern Wasser in der Hand.

10 Liter Wasser für ein Blatt Papier

Bei einer wirklichen Wasserbilanz kommt sprichwörtlich niemand unbeschadet davon. Nur ein einziges Blatt frisches Papier kostet 10 Liter Wasser plus mehr oder weniger starker Wasserverschmutzung in den Zellstoff produzierenden Regionen Skandinavien, Südostasien oder Brasilien. Papierrecycling ist deshalb auch Wasserschutz!

Ein Baumwoll-T-Shirt kostet 2.000 Liter, eine Jeans 6.000 Liter, ein Hamburger 2.400 Liter, ein Kilogramm Fleisch 15.000 Liter. Getreide kommt dabei noch relativ billig weg. Je Kilogramm Weizen werden nur 1000 Liter verbraucht, gleiches gilt für den bewässerten Salat aus Südspanien. Kürschner-Pelkmann schätzt schließlich den gesamten tatsächlichen Wasserverbrauch eines Bundesbürgers auf etwa 4.000 Liter - den indirekten Wasserverbrauch von Atomkraftwerken, Biodiesel, Ethanol, Aluminium und Stahl nicht mitgerechnet.

Schon diese wenigen in diesen 150 bis 200 Zeilen dargestellten Wasserfakten sollten betroffen machen. Doch das alles, was der Autor hier zusammenrecherchiert und zusammengeschrieben hat, ist nur die Spitze des Eisbergs: die Spitze eines Eisbergs, der im Gegensatz zu den tatsächlichen Eisbergen unser Polkappen aufgrund der Klimaerwärmung nicht abschmelzt, sondern täglich monströser wird. Millionen von Menschen in den südlichen Ländern droht eine Zukunft von straubtrockenen, durstigen Kehlen mitten in einem gesalzenen, vergifteten Meer. Doch wollen wir die Hoffnung nicht schon jetzt begraben. Vielleicht findet sich ja doch noch irgendwo eine vernunftbegabte, mutige Mehrheit, die endlich dem Big Business und seinen Helfershelfern wie dem Ethanol gut heißenden WWF (siehe Umweltnews) den Stinkefinger zeigt.

Norbert Suchanek
Rio de Janeiro

Weitere Wasserinfos unter:
www.wasser-wissen.de
www.wasser-und-mehr.de
www.aluwatch.net
www.reporterbrasil.org.br/biofuel/
www.regenwald.org


 
Quelle: Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
http://www.derspatz.de/
derSpatz@t-online.de
    

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