Zurück zur ECO-World Startseite

Haftungsausschluss
Impressum
Datenschutzerklärung
 








  Forum
 
 
HOME | Top-Nachrichten | Politik & Gesellschaft alle Nachrichten
 Hier finden Sie laufend aktuelle Nachrichten aus dem Themenbereich Ökologie.
Stichwort    Art 
Hilfe   neue Suche  alle Pressestellen anzeigen 
Wenn Sie Meldungen zu einem bestimmten Thema suchen, steht Ihnen die Navigation links zur Verfügung. - Mit ECO-News, dem Presseverteiler der ECO-World sind Sie immer auf dem Laufenden.

 ECO-News - die grüne Presseagentur
Presse-Stelle:  ECO-News Deutschland, D-81371 München
Rubrik:Politik & Gesellschaft    Datum: 08.03.2016
Ein Nein ist ein Nein
Zur öffentlichen Diskussion über Frauenrechte, Rassismus und Gewalt nach der Kölner Silvesternacht
Ein Kommentar von Gabriele Michel

Von den gewaltsamen Übergriffen, die Deutschland im zurückliegenden halben Jahr erschütterten, hat eine den Diskurs über sexuelle Gewalt gegen Frauen grundlegend verändert: die Silvesternacht in Köln. Eine fatale Verknüpfung von Fehleinschätzungen durch Polizei und Politik und ein dadurch angeheizter medialer Aufruhr haben dazu geführt, dass seit dieser Nacht in vielen Stellungnahmen die Forderungen nach Schutz von Frauen eine unselige Allianz mit rassistischen Vor-Urteilen eingeht.
Plötzlich scheint die Ablehnung von Flüchtlingen erlaubt, schließlich geht es um die Sicherheit deutscher Frauen. Inzwischen sind aus zahlreichen Bundesländern sexuelle Übergriffe im Umfeld der Silvesternacht gemeldet worden. Das ist alarmierend, denn hinter jeder dieser Anzeigen steht eine angstvolle, entwürdigende Erfahrung für die betroffene Frau. Alarmierend ist aber auch, wie diese sexuellen Übergriffe die Auseinandersetzung über die beschworene Bedrohung durch "die Flüchtlinge" in falsche Bahnen gelenkt haben: Dass und wie hier die Forderung nach einem wirkungsvollen Schutz von Frauen in Politik und Medien für rassistische Argumentationen missbraucht wird, ist inzwischen gerade von Frauen vielfach analysiert worden. Zu den unmittelbar-körperlichen Übergriffen kommt  die Übergriffigkeit einer Diskussion, die Frauen neuerlich zu Verhandlungsobjekten macht.

"Frauenrettung" in Konfliktsituationen für politische Zwecke zu benutzen hat eine lange Tradition, in der Frauen, die sich gegen diese Form von Instrumentalisierung wehren, ihrerseits angegriffen oder unterdrückt wurden und werden. Empörend - und aufschlussreich - ist auch, was der plötzliche Aufschrei jetzt wieder ins Bewusstsein ruft: die achselzuckende Gleichgültigkeit, mit der weite Teile der Öffentlichkeit all jenen sexuellen Übergriffen begegnet, die Frauen tagtäglich von deutschen Männern erfahren. Unbefangen titelte "die Welt" am 10.1.2016, das Phänomen `taharrush gamea` - gemeinschaftliche sexuelle Belästigung - sei nun in Deutschland angekommen. Als handele es sich dabei um eine bei uns bis dato völlig unbekannte, spezifisch arabische Form von sexueller Gewalt.
 
Natürlich nimmt der Verweis auf die alljährlichen Übergriffe und Vergewaltigungen zum Beispiel während des Oktoberfests oder beim rheinischen Karneval den Verbrechen, die sich auf der Domplatte ereignet haben, nichts von ihrer Scheußlichkeit. Aber dass allein an einem Karnevalsfest - in Köln 2014 - sechs Vergewaltigungen zur Anzeige kamen, hat damals keineswegs bundesweite Empörung ausgelöst. Und niemand kam auf die Idee, daraus einen Generalverdacht gegenüber karnevalistisch feiernden Männern abzuleiten.

Statt den Horror der Silvesternacht politisch auszuschlachten, sollten Politik und Zivilgesellschaft Initiativen starten, die den Schutz von Frauen wirklich verbessern. Das Sexualstrafrecht muss endlich im Sinne der Istanbuler Konvention von 2011 ("Ein Nein ist ein Nein") umgesetzt werden. Auch "ein bisschen Grabschen" ist ein Vergehen, das geahndet gehört. Bezeichnenderweise ist ein Teil der rund 400 inzwischen gemeldeten sexuellen Übergriffe aus der Silvesternacht dem aktuell geltenden Strafrecht zufolge nicht strafbar. Doch die Empörung  nach Köln reicht offenbar nicht aus, um die Reform des Sexualstrafrechts entsprechend zu verschärfen.
 
Frauen müssen im Mittelpunkt der Diskussionen über Gewalt gegen Frauen stehen. Konkret zu Köln: Welche Institutionen kümmern sich um die Folgen der Silvesternacht für die attackierten Frauen? Gibt es Gesprächsangebote für sie, Unterstützung bei körperlichen oder emotionalen Traumatisierungen, Rechtsbeistand, wenn sie Anzeige erstattet haben?
 
Doch den Blick ausschließlich auf die Frauen zu fokussieren, reicht nicht aus. Wir müssen uns fragen, welche Wege es gibt, wirkungsvoller für den Schutz von Frauen zu sorgen und zugleich den Schutz jener zu gewährleisten, die als Schutzsuchende zu uns kommen. Das verlangt kompetente und differenzierte Konzepte für Integration.

Berücksichtigt werden muss in dem Zusammenhang beim Thema Gewalt, dass Gewalterfahrungen gewalttätiges Verhalten hervorrufen. In vielen unserer Projekte, z.B. in Bosnien, Palästina und Libyen, nahm die häusliche Gewalt nach kriegerischen Auseinandersetzungen signifikant zu.

Gewalttätigkeit wird in diesem Kontext häufig zu einer Art Ventil für das Trauma selbsterlebter Gewalt - als Opfer oder Täter. Das rechtfertigt keinerlei gewaltsame Handlung - aber um gegen latente und manifeste Gewalt wirkungsvoll vorzugehen, muss dieser Zusammenhang mitgedacht werden. Und: Junge Männer mit geringer Bildung und wenig beruflichen Chancen sind in westlichen Ländern die Gruppe mit der höchsten Kriminalitätsrate. Entsprechend sind auch die vielen jungen Männer, die jetzt zu uns kommen, eine besonders gefährdete Gruppe. Aber sie sind weder genuin noch durch ihre kulturelle Prägung und schon gar nicht "alle" kriminell.
 
In Kairo zum Beispiel arbeiten auch Männer an sog. Harass Maps, die sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen dokumentieren, damit diese zur Anklage kommen. Politische Aktivisten im kurdischen Teil des Irak engagieren sich gegen die Straflosigkeit von sexueller Gewalt gegen Frauen in ihrer Region. Und es sind junge Männer, die in unserem Libyenprojekt- manchmal unter Lebensgefahr - Seite an Seite mit unseren Projektpartnerinnen für den Schutz von Frauen kämpfen. Auch solche Männer kommen jetzt als Flüchtlinge nach Europa. Viele von ihnen haben Angst, seit der Silvesternacht, seit Clausnitz und Bautzen. Viele von ihnen wollen nichts mehr als hier ankommen, Deutsch lernen, arbeiten, sich ein Leben aufbauen, aus eigener Kraft. Manche haben es geschafft; sie leben und arbeiten hier, für manche ist Berlin, Köln oder Freiburg schon seit Jahren "home". Dieses Potential gilt es zu nutzen, diese Männer in die anstehende Integrationsaufgabe mit einzubeziehen. Denn wenn jemand die frauenfeindlichen Anteile des Frauenbilds junger Männer aus dem arabischen Raum kennt, dann Männer, die ähnlich sozialisiert sind. Sie wissen, wo es Geduld braucht, damit Werte wie Toleranz  und Gleichberechtigung nicht als Ausdruck von Kulturimperialismus erlebt werden, sondern als Weg hin zu einer respektvollen, pluralistischen, nicht patriarchalen Gesellschaft. Einem Ziel, das ja auch in westdeutschen Gesellschaften keineswegs schon erreicht ist.
 
Aber konzentrieren wir den Blick damit nicht doch wieder auf die Männer - und auf die "Täter"? Ja, aber im Interesse der Frauen! Nicht um Gräben aufzureißen und "feindliche Elemente" auszumachen, sondern um der reflexhaften Abwehr eine differenzierte, realitätsgerechte Umsicht entgegen zu setzen. Die Täter von Köln müssen strafrechtlich genauso verfolgt werden wie jeder andere. Aber ihre Vergehen erlauben nicht, Flüchtlinge des Landes zu verweisen oder einen Aufnahmestopp zu fordern!

Im Gegenteil: Wenn wir von Flüchtlingen Akzeptanz der hier herrschenden Werte und Regeln verlangen, dann müssen wir uns umgekehrt auch für ihre Rechte stark machen. Integration funktioniert nur als wechselseitiger Prozess, d.h. wenn auch wir uns neu in die sich verändernde Gesellschaft integrieren, uns öffnen für Ungewohntes, wirklich willkommen heißen und zu teilen bereit sind. Und sie verlangt wache Kritik und entschiedenen Kampf überall da, wo sich unsere eigene Kultur in einer Weise als frauenfeindlich erweist, die sexuelle Übergriffe mit verantwortet oder doch in Kauf nimmt. Zum Beispiel in Gestalt von entwürdigenden Werbekampagnen, die hemmungslos Frauenkörper benutzen, um den Konsum anzukurbeln. Auch sie verhindern eine Gesellschaft, in der Frauen keine Angst haben müssen vor Männern; vor keinem weißen, keinem schwarzen und keinem "arabisch aussehenden" Mann.
 
HINTERGRUND
AMICA e.V. - Hilfe für Frauen in Krisenregionen
Dr. Gabriele Michel ist Vorstandsvorsitzende von AMICA e.V. Die Hilfsorganisation wurde 1993 während des Bosnienkrieges gegründet. Sie setzt sich für Frauen und Mädchen ein, die unter den Folgen von Kriegsgewalt in ihren Heimatländern leiden. Vor Ort baut AMICA e.V. Frauenzentren auf, in denen Fachkräfte psychosoziale Beratung, therapeutische Begleitung und Maßnahmen zur Existenzsicherung anbieten.
Durch den Aufbau lokaler Fraueninitativen stärkt AMICA e.V. die Zivilgesellschaft in den Regionen und vernetzt die Partnerinnen untereinander. Die Stärkung der Rechte von Frauen in Krisenregionen und die Verminderung von Gewalt sind wichtige Bausteine für einen stabilen Frieden. Wichtigste Grundlage dieser Arbeit ist die UN-Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Sicherheit und Frieden aus dem Jahr 2000.
 
AMICA e.V. ist im arabischen Raum, auf dem Balkan und im Nordkaukasus tätig. Für das langjährige Engagement in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo erhielt AMICA e.V. den Deutschen UNIFEM-Preis 2010. 

Diskussion

Um in diesem Forum diskutieren zu können, benötigen Sie eine Zugangsberechtigung...   zur Anmeldung
BesitzerInnen einer gültigen ECO-Card oder Member-Card können gleich losdiskutieren.
User-ID:
Password:



 
 
  Aktuelle News
  RSS-Feed einrichten
Keine Meldung mehr verpassen

19.04.2024
"Das Beste an meinem Beruf ist, Menschen zu helfen und passgenaue, individuelle Lösungen für sie zu finden!" Interview mit Jacqueline Neubrand zum Karriereweg Orthopädietechnik anlässlich des "Girls' Day & Boys' Day" am 25. April


Nachhaltig, zusammen, laut: Messe München wird 700. BNW-Mitglied


Tag der Erde: Planet vs. Plastic VERBRAUCHER INITIATIVE gibt Tipps zur Vermeidung von Mikroplastik


15.04.2024
EU-Wahl: Das unterscheidet die Parteien beim Klima- und Naturschutz Auswertung des Abstimmungsverhaltens deutscher Parteien zeigt große Unterschiede

Nur Mut - Wie das "Wir" uns besser macht Josef Göppel-Symposium


Expertenrat für Klimafragen: Bundesregierung muss liefern Prüfbericht zu den Emissionsdaten 2023 veröffentlicht


Einigung zum neuen Klimaschutzgesetz: Schlag gegen den Klimaschutz BUND-Vorsitzender zum vom BUND erstrittenen Klimaschutz-Urteil gegen die Bundesregierung

Ampel-Koalition darf sich nicht aus klimapolitischer Verantwortung stehlen Germanwatch enttäuscht von Einigung beim Klimaschutzgesetz


Einigung zum Klimaschutzgesetz und Solarpaket durch stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Regierungsfraktionen

FH Münster startet Master Nachhaltige Transformationsgestaltung Regelmäßige Online-Infoveranstaltungen für alle Studieninteressierten - das nächste Mal am 25. April


Beim Putzen auf die Umwelt achten Die VERBRAUCHER INITIATIVE mit Tipps zum Frühjahrsputz

14.04.2024
7 Wege, wie uns Digitalisierung gegen den Klimawandel hilft


Umweltfreundliche Ideen für verspätete Geburtstagswünsche


Was tun gegen stille Entzündungen im Körper?


13.04.2024
In Straßburg nur ein Scheinsieg für den Klimaschutz? Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte setzt jetzt neuen Maßstab für mehr Klimaschutz

NICAMA meets Voelkel: Eine Haferdrink-Seife als vegane Alternative zur Schafmilchseife entsteht


12.04.2024
Veränderungen in Unternehmen integrieren

Erfolg: Gemeinwohl statt Ausverkauf! AbL begrüßt dauerhafte Verpachtung der BVVG-Flächen nach Gemeinwohlkriterien

Nama stellen klare Forderungen - Angst um Überreste der Völkermord-Opfer Deutsche Investitionen in grünen Wasserstoff in Namibia


Jetzt die Weichen für ein rechtskonformes und effizientes ESG-Reporting stellen Drei Säulen wichtig: Strategie - Datenbeschaffung - IT-Infrastruktur


 

 
An unhandled exception occurred at 0x4BED8402 : EACCESSVIOLATION : Access violation 0x4BED8402 An unhandled exception occurred at 0x0045635E : EACCESSVIOLATION : Access violation 0x0045635E 0x0047D50C