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Fair Trade boomt wie nie zuvor
Erfolgskonzept Fairer Handel
Von der Banane bis zur Schokolade; vom Kinderspielzeug bis hin zu Kerzen, Goldschmuck und Kleidung: Es gibt heutzutage faktisch kaum ein Importprodukt mehr, das in Europa nicht auch mit einem Fair Trade-Label zu haben ist. Selbst der 10-Euro-Geldschein ist aus fair gehandelter Baumwolle hergestellt. Fehlt bloß noch, dass irgendwann selbst Diamanten, Thyssen-Krupp-Stahl oder aufbereitetes Uranerz, Yellowcake, mit einem Fair Trade-Label daher kommen.

Während Großbanken und so manche Industriekonzerne in den jüngsten Jahren Pleite machten oder in die tiefroten Zahlen gerieten, legt der so genannte Faire Handel jedes Jahr mehr und mehr zu. Was einst lediglich mit Kaffee anfing, ist nun ein Big Business, das unter den Bezeichnungen wie "Max Havelaar", "TransFair" oder "Fairtrade" im Jahr 2007 weltweit rund 2,4 Milliarden Euro umgesetzt hat, etwa drei mal so viel wie im Jahr 2004.

"Der Faire Handel ist eine Erfolgsgeschichte. In den letzten Jahren lassen sich jährliche Umsatzsteigerungen von 30 Prozent und mehr verzeichnen", so das nun vom Evangelischen Entwicklungsdienst (eed) veröffentliche Dossier "Perspektiven im Fairen Handel".

"Der Faire Handel expandiert wie nie zu vor", resümiert auch die 2008 veröffentlichte Studie "Fair Trade 2007: New Facts and Figures from an ongoing Success Story". "1969, als wir den ersten Weltladen in den Niederlanden eröffneten, hatten wir von diesem bemerkenswerten Geschäftserfolg des Fairen Handels nicht mal träumen können", so Huub Jansen, Direktor der niederländischen Weltladenvereinigung DAWS. Heute, 40 Jahre später beliefern über 450 "faire" Importorganisationen in Europa, den USA, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland 4000 Weltläden und über 112.000 Supermärkte.

Jobmaschine Fair Trade in Europa und Nordamerika

Die ehrenamtliche, oft von Kirchen organisierte, karitative Mitarbeit ist bis heute einer der Grundpfeiler des gerechten Handels mit dem Globalen Süden. Etwa 80.000 Menschen stellen in Europa ihre Arbeitskraft dieser "Guten Sache" kostenlos zur Verfügung. Doch gleichzeitig wird ebenso festangestelltes Personal benötigt, weshalb das faire Erfolgsbusiness ebenso eine Jobmaschine ist, die in den so genannten Industriestaaten bis heute über 2.700 Vollzeitjobs geschaffen hat. Allein in Europa stieg die Zahl der Arbeitsplätze im Fair Trade-Bereich von 849 im Jahr 2001 auf 2116 im Jahr 2007.

Im selben Zeitraum stieg der Verkauf der fairen Produkte aus dem Globalen Süden in den Welt- oder Eine-Welt-Läden von rund 42 Millionen Euro auf 132 Millionen Euro. Noch erheblich stärker wuchsen aber das Zertifizierungsbusiness und die Verkaufszahlen der zertifizierten Produkte bei den großen kommerziellen Partnern, den internationalen, traditionell vom "unfairen" Handel profitierenden Konzernen wie den US-Restaurant- und Café-Ketten Starbucks und McDonald's sowie den Supermarktriesen wie Carrefour, Rewe, Spar/Eurospar, Co-op, Marks & Spencer, Tesco und Wal-Mart. Der Umsatz stieg in diesem Bereich von 209 Millionen auf satte 1,5 Milliarden Euro. Die von Organisationen des gerechten Handels finanzierte Studie "Fair Trade 2007" spricht hier von "large-scale Fairtrade certification of products", als von der Zertifizierung im großen Maßstab.

FLO legt fest was fair ist

Organisiert wird das ganze seit 1997 über die Fairtrade Labelling Organizations International (FLO International). Sie ist Zentrale eines Netzwerks von 20 nationalen Fair-Trade-Zertifizierern in 21 Ländern vornehmlich der so genannten Er-sten Welt, die international festlegt, was "fair" ist. Der Globale Süden war lange Zeit gänzlich außen vor und lediglich der Produkt- oder Rohstofflieferant. Seit Mai 2007 allerdings hat FLO International auch drei Mitglieder aus der so genannten Dritten Welt: African Fairtrade Network (AFN); Coordinadora Latinoamericana y del Caribe de Comercio Justo (CLAC) und das Netzwerk der Asian Producers (NAP).

Weltweit größtes Unternehmen im Fair Trade ist die deutsche, von kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen gegründete GEPA mit dem neuen englischen Namen "The Fair Trade Company". Sie beliefert 800 Weltläden, tausende von Solidargruppen und etliche Supermärkte, Bioläden und Kantinen in Deutschland und exportiert darüber hinaus die aus dem globalen Süden importierten Produkte in andere Länder Europas.

Doch allen Wachstumszahlen zum Trotz: im Vergleich zu Weltmarkt und Welthandelwachstum ist der faire Geschäftserfolg weiterhin ein Minizwerg. Dem gehandelten Umsatz von 2,4 Milliarden Euro steht ein Billionen schwerer wachsender Welthandelsumfang gegenüber. So haben sich zwischen 2003 und 2008 die weltweiten Warenexporte auf 15,8 Billionen US-Dollar fast verdoppelt. Lateinamerika allein hat im vergangenen Jahr Rohstoffe und Produkte im Wert von 602 Milliarden US-Dollar exportiert, das ist ungefähr das zweihundertfache des gesamten heutigen Fairtrademarktes. Der mit Arbeitsschweiß, Spenden und Steuergeldern und höheren Preisen subventionierte Fair Trade ersetzt nicht den unfairen Welthandel, sondern ergänzt ihn lediglich. Er schmälert nicht die Gewinne der großen, die Welt erdrückenden Konzerne wie Nestlé, McDonalds, Rewe oder Wal Mart, sondern eröffnet ihnen weitere Gewinnchancen, wobei vor allem auch die Zertifizierungsfirmen gewinnen.

Natürlich, die am Fairen Handel beteiligten Menschen in den Produktionskooperativen in den so genannten Entwicklungsländern oder besser gesagt "Rohstoffexportländern" des Südens bekommen mehr fairere Preise und gerechtere Löhne als im kontinuierlich wuchernden Raubtierkapitalismussystem. Dennoch ist der faire Welthandel lediglich der kleine freundlichere Bruder des brutalen Weltmarkts. Er ändert nichts an den schon vom Kolonialismus geschaffenen unökologischen und unsozialen Strukturen, schafft lediglich weitere Abhängigkeiten, Abhängigkeiten von neuen Firmen, wie den Zertifizieren, die bezahlt werden wollen. Dritte-Welt-Exportland bleibt Dritte-Welt-Exportland. Und während gut betuchte Europäer, Nordamerikaner, Neuseeländer, Japaner und Australier hochwertige faire, köstliche Schokolade, besten Arabika-Kaffee konsumieren oder faire Bio-Baumwollkleidung mit gutem Gewissen tragen können, bleiben den produzierenden Menschen im Globalen Süden nur das Billig-Shirt aus China und die minderwertigen Rest-Kaffee- oder -Kakaobohnen. "Fair" und "Bio" sind Luxusgüter fast ausschließlich nur für den Export oder für eine reichere Mittelklasse und Oberschicht, und das ist, so mein persönlicher Eindruck aus dem Globalen Süden, unfair!

Es ist nur natürlich, dass diese Kritik auf Unverständnis oder Gegenkritik bei manchen "Entwicklungshelfern" und Fair-Handels-Unternehmen führt. Doch andererseits meinen Nord-Süd-Experten wie Michael Frein, Referent für Welthandelspolitik und internationale Umweltpolitik beim EED, und Tilman Santarius, Referent für Internationale Klima- und Energiepolitik bei der Heinrich Böll Stiftung, dass man verstärkt darüber Nachdenken müsse, ob die Steigerung des Anteils fair gehandelter Produkte tatsächlich als (primäres) Ziel des Fairen Handels angemessen sei. Denn "schließlich dürfte selbst eine Verzehnfachung des Konsums fair gehandelten Kaffees wohl nur einen geringen Beitrag zu einem global gerechten Welthandelssystem leisten. Und zweitens müsste der Faire Handel in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit die staatliche Handelspolitik kritisch thematisieren, insbesondere die Exportpolitik", so die beiden Autoren im eed-Dossier Perspektiven im Fairen Handel. "Will der Faire Handel angesichts seiner Begrenzungen nicht in die Gefahr geraten, in einer politischen Nische stecken zu bleiben, wird er sich politisieren und die deutliche Kritik an der Exportorientierung der globalen und europäischen Handelspolitik aufgreifen müssen." Die Welthandelsstrukturen seien auch 40 Jahre nach Gründung des Fairen Handels noch unfair. Michael Frein und Tilman Santarius: "Der Faire Handel bietet dem Einzelnen zwar eine ethische Konsumoption. Die Kritik an einer zunehmend unfairen globalen Ordnungspolitik bedeutet jedoch eine Herausforderung, der der Faire Handel nicht ausweichen darf."

Dieser Herausforderung sollten sich aber auch die Konsumenten stellen, die schliesslich an der Wahlurne die Europa- und Weltpolitik mitentscheiden können.
Bei allen kritischen Blicken auf den gerechten Handel: Nicht von der Hand zu weisen ist, dass fair gehandelte Kolonialwaren, wie Bio-Kaffee oder faire Bio-Bananen aus den Weltläden den Menschen des Südens bessere Einkommen und gesündere Arbeits- und Umweltbedingungen bieten.

Norbert Suchanek
Rio de Janeiro

Weitere Infos über Fair Trade und faire Produkte:
FLO International: www.fairtrade.net
www.banafair.de
www.el-puente.de
www.dwp-rv.de
www.forum-fairer-handel.de
www.gepa.de
www.contigo.de
www.transfair.org
www.weltladen.de
www.eine-welt-handel.com
www.eza.cc
www.european-fair-trade-
association.org
www.fairtradefederation.org
www.fairtrade-advocacy.org
www.ifat.org
www.worldshops.org
www.eed.de


 
Quelle: Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
http://www.derspatz.de/
derSpatz@t-online.de
    

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