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Meere: Missbraucht aber nicht am Ende
Der Mensch braucht gesunde Ozeane
Seit Jahrzehnten müssen die Meere als schier endlose Müllschlucker herhalten und alles ertragen - vom Londoner Klärschlamm bis zum radioaktiven Abfall aus Frankreich. Millionenmetropolen wie die künftige Olympiastadt Rio de Janeiro pumpen bis heute ihre stinkenden Abwässer ungeklärt ins offene Meer.

Weitere Giftfrachten von Binnenstädten, Industrie und Landwirtschaft gelangen über die Flüsse in die Ozeane, durchpflügt von immer mehr Fracht- und Kreuzfahrtschiffen, die gleichfalls ihre täglich anfallenden Abwässer schlicht über Bord kippen. Gleichzeitig scheint die Abholzung der für das marine Ökosystem wichtigen Mangrovenwälder in den Tropen kein Ende zu finden. Lagunen werden zugemüllt, Strände verbaut, rücksichtslose Raubfischerei betrieben.

Die Liste der dringend abzustellenden Umweltfrevel, die die globale Konsumgesellschaft den Meeren tagtäglich zufügt, ist lang. Von sterbenden Meeren zu reden ist aber dennoch nicht angebracht. 2006 noch hatte der Meeresbiologe Boris Worm die Welt in Angst und Schrecken versetzt mit seiner Aussage, spätestens im Jahr 2048 würden die Fischressourcen der Meere erschöpft und kommerzielle Fischerei nicht mehr möglich sein. Eine neue Untersuchung mit seiner Beteiligung kam 2009 zum Ergebnis: In sieben der zehn untersuchten Fischereiregionen werden die Bestände "nachhaltig" befischt. Lediglich in drei Regionen lagen die Fangquoten zu hoch. "Es gibt Hoffnung", so Boris Worm, "dass wir das Problem der Überfischung in den Griff bekommen und die Meeresfischerei und damit verbundenen Ökosysteme langfristig erhalten bleiben."

Island: Vorbildlich und doch angeklagt

Einer der Bösewichte ist weiterhin die Europäische Union. Laut Meeresforscher Christopher Zimmermann liegen die - von den ökonomischen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten - Fangquoten durchschnittlich 35 Prozent über den von der Wissenschaft empfohlenen Mengen. Die Nicht-EU-Mitglieder Island und Norwegen hingen zählen zu den Ländern mit den strengsten Fischereigesetzen und nachhaltigem Fischfang. Die Demeter-Felderzeugnisse GmbH bezieht deshalb seine, unter der Marke "Wild Ocean" angebotenen Fische aus Alaska und Island. Paradoxerweise stehen aber gerade Island und Norwegen sowie die Bewohner der dänischen Färöer-Inseln in der Schusslinie der großen Tier- und Naturschutzorganisationen, weil sie den Walfang in ihren Gebieten erlauben.

Für die Skandinavier sind Wale genauso wie Hering oder Kabeljau eine Meeresressource, die es nachhaltig zu nutzen gilt. Für die großen Tierschutzverbände hingegen sind Wale zu intelligent, um auf dem Teller zu landen. Dabei stand Walfleisch seit Jahrtausenden auf den Speisekarten der Küsten- und Inselbewohner von Skandinavien bis zu den Azoren, von Alaska bis Feuerland. Wal und Mensch sind Teil eines gemeinsamen Ökosystems, Teil einer Nahrungskette. Und es war auch nicht der Fleischhunger, der die verschiedenen Walarten im 19. Jahrhundert bis an den Rand der Ausrottung brachte, sondern der Hunger nach Bioenergie der aufstrebenden Industrienationen. Schlichtweg für Tran, Walöl, genutzt als Lampenöl, um Städte wie London, Hamburg oder Rio de Janeiro zu erleuchten, wurden die Meeressäuger bis in die Antarktis gejagt.

Stichwort Thunfisch

Der Rote Thunfisch des Mittemeeres, auch Blauflossenthun genannt, ist eine der gefährdetsten kommerziellen Fischarten. Seine starke Überfischung hat dazu geführt, dass heute nur noch geschätzte 20 Prozent des ursprünglichen Bestands vorhanden sind, was dessen Preis nach oben schnellte. Der Großteil der Fänge landet deshalb auch nicht auf europäischen Tellern, sondern in den Sushi-Bars von Japan. "Seit über zehn Jahren tragen auch Thunfisch-Mastbetriebe zur Ausrottung des Tieres bei", kritisiert der Schweizer Verein Fair-Fish. "Für die Zucht werden junge Thunfische gefangen, in Unterwasserkäfigen während sechs bis zwölf Monaten gemästet und dann geschlachtet - ohne dass sie sich fortpflanzen können."

Bei der Mast von Thunfischen treten überdies dieselben Probleme auf wie bei der Lachszucht. Da das Wasser durch die Haltung auf engem Raum stark verschmutzt wird, breiten sich Keime und Parasiten rasch aus und Medikamente müssen eingesetzt werden. In zehn verschiedenen Mittelmeerländern sind derzeit bereits über fünfzig Thunfischfarmen mit einer Gesamtkapazität von über 50 000 Tonnen registriert.

Anders als der für Sushi ausgebeutet Rote Thunfisch sind die eingedosten Bonito und Gelbflossenthunfische aus Atlantik und Pazifik nicht im Bestand bedroht, obwohl sie die meist gefangenen Thunfische sind. "Grundsätzlich sind Boniten anderen Thunfischarten vorzuziehen, da ihre Bestände noch weitgehend intakt sind", so Fair-Fish. "Fischkonserven stammen im allgemeinen aus einer weniger schädlichen Fischerei als frische oder gefrorene Fische. Das liegt daran, dass Konserven meist Arten wie Sardinen, Sardellen, Makrelen und Thon enthalten, welche sich innerhalb kurzer Zeit fortpflanzen. Dadurch widerstehen diese Arten selbst intensiver Befischung." Einer Pizza mit Thun steht deshalb eigentlich nichts im Wege, solange er Delphin freundlich gefangen wurde.

Stichwort Überfischung

Als überfischt gelten Bestände, die so stark befischt wurden, dass sich ein weiterer Fang wirtschaftlich nicht mehr lohnt, so das Institut für Seefischerei der Bundesforschungsanstalt für Fischerei. Auch wenn die überfischten Bestände auf einen Bruchteil ihrer ehemaligen Größe zurück gehen, sind sie nach allen Kriterien des Artenschutzes noch immer weit von einer Ausrottung entfernt. Die Probleme der Meeresfischerei liegen also nicht im Artenschutz, sondern beziehen sich auf die kommerzielle Übernutzung von regionalen Beständen.

Stichwort Omega-3 und Süßwasserfisch

Nicht nur Meeresfisch enthält die gesunden Omega-3-Fettsäuren, die das Risiko für Arterienverkalkung und seine Folgekrankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall mindern. Omega-3 steckt auch in Fischen aus Binnengewässern. "Entgegen der landläufigen Meinung sind auch Süßwasserfische wie Karpfen, Renke und Forelle gute Lieferanten für Omega-3-Fettsäuren", so die Ernährungswissenschaftlerin Christine Stein, die verschiedene Süß- und Salzwasserfische verglich.

Weiterer Plus des heimischen Süßwasserfischs: Dank regionaler Produktion und regionaler Vermarktung ist er wahrscheinlich auch der Klima freundlichste Fisch mit vorbildlicher CO2-Bilanz. Problem ist, dass die Binnenfischerei in Deutschland ein aussterbender Berufszweig ist. "Die historisch bedeutsame Berufsfischerei in den großen Flüssen und Strömen beispielsweise ist durch industrielle Gewässerverbauung und -verschmutzung im vorigen Jahrhundert heute nur noch in wenigen Regionen existent. Ebenso werden viele Seen - eine Ausnahme bilden nur großflächige Gewässer - heute nicht mehr bzw. nicht mehr ausschließlich von Erwerbsfischern bewirtschaftet, da dieser Berufszweig wegen veränderter Rahmenbedingungen einem enormen Anpassungsdruck ausgesetzt ist", so das Institut für Binnenfischerei. Noch werden in Deutschland etwa 230 000 Hektar Flüsse, Talsperren und Seen durch rund 900 Unternehmen der Erwerbsfischerei im Haupt- und Nebenerwerb bewirtschaftet. Jährlich fangen sie rund 3.200 Tonnen Süßwasserfisch, der vor allem regional vermarktet wird.

Stichwort Aquakultur

Die so genannte Aquakultur, also die Massenzucht von Fischen wird manchmal als Alternative bezeichnet, um die Meere vor Überfischung zu schützen. Doch eher das Gegenteil ist der Fall. Die meisten gezüchteten Fische sind Räuber und keine Vegetarier. Und das Futter dieser Zuchtfisch wird aus dem Meer geholt: zu Fischmehl und Fischöl verarbeitete Wildfische. Nicht mehr Aquakultur ist die Lösung: sondern verstärkte Renaturierung unserer Flüsse und Seen, Förderung der Binnenfischerei und verstärkter Schutz der Meere vor unseren Abwässern und Abfällen, Einhaltung von nachhaltigen Fangquoten.
Auch die Bio-Aquakultur von Raubfischen kann kaum eine Lösung sein, schon zum einen weil die dabei eingesetzten Abfälle der Fischverarbeitung eine viele zu begrenzte Futtermittelquelle ist. Fair-Fish: "Gerade die Bio-Bewegung müsste es sich zum Ziel setzen, nur die Zucht von Friedfischen zu fördern, also von Arten, welche nicht mit Fisch gefüttert werden müssen", wie zum Beispiel der Karpfen.

Norbert Suchanek, Rio de Janeiro

Weitere Informationen
www.portal-fischerei.de
www.bfa-fish.de
www.fair-fish.ch


 
Quelle: Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
http://www.derspatz.de/
derSpatz@t-online.de
    

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