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 ECO-News - die grüne Presseagentur
Presse-Stelle:  Connection Medien GmbH, D-84494 Niedertaufkirchen
Rubrik:Soziales u. Gesellschaft    Datum: 03.12.2001
Gemeinsam verschieden sein
Das Ökodorf Sieben Linden

Connection-First Lady Iris Kunze reiste in die Mitte der Republik, um eine sehr vielfältige und offene Gemeinschaft zu besuchen, die sich noch im Aufbruch befindet. Das Ökodorf Sieben Linden praktiziert weitgehend Selbstversorgung in den elementaren Bereichen des Lebens: Wohnen, Bauen, Lebensmittel, Energie, Kultur und soziales Leben. Toleranz, demokratische Entscheidungsstrukturen und eine liebevoll-kritische Förderung des gegenseitigen persönlichen Wachstums bilden die Eckpfeiler der dörflichen +Philosophie½. Ein Modellprojekt für das menschliche Gemeinschaftsleben der Zukunft?

Weit ab vom Schuss in der Altmark, irgendwo zwischen Braunschweig und Magdeburg, fahre ich mit dem Schienenbus nach Bandau. Unbeschrankte Bahnübergänge kreuzen Feldwege, ansonsten Wiesen, Sumpf und Riesenfelder. Ich bin unterwegs ins Ökodorf bei Poppau. Vom Bahnhof radle ich zum Dorf. Eine einsame Gegend, Einfamilienhäuser, holprige Strassen lassen auf die sozialistische Vergangenheit schliessen ... Und hier soll sich ein alternatives, ökologisches Gemeinschaftenprojekt befinden? Ich staune, als ich schon von weitem die Tippi-Zelte und bunten Fahnen flattern sehe. Ja, hier ist man verschont vom kapitalistischen Alltagsgeschehen, hier ist der Freiraum, in dem sich ein kleines Ökodorf entfalten kann.

Initialzündung in Gorleben

Der erste Funke für die Entstehung des Ökodorfes wurde Mitte der achtziger Jahre bei Platzbesetzungen am Atomzwischenlager in Gorleben entfacht. Der gemeinsame Widerstand schweißte zusammen, und es wurden Hüttendörfer errichtet, um dem Machtregime zu trotzen. Doch die Panzer kamen und zerstörten, was die Visionäre voll Idealismus und Hoffnung auf eine lebenswertere Gesellschaft zu erschaffen versucht hatten. Die Enttäuschung und der Schmerz waren groß, doch daraus erwuchs eine neue Stärke: +Unsere Hütten könnt ihr zerstören, nicht aber die Kraft, die sie schuf.½ Diese Kraft wollten die Träumer nun nicht länger nur destruktiv in der Anti-Atom Arbeit einsetzen, sie wollten etwas Positives dagegen setzen. Zeitungsannoncen für die Gründung eines Ökodorfes brachten damals 30 Menschen aus der ganzen BRD zusammen, die sich von nun an regelmäßig trafen, um zu planen.

+Wie können wir leben, ohne andere Lebewesen auszubeuten? Wie schaffen wir es, achtsam mit Ressourcen und Energien umzugehen? Wie können wir ein liebevolles Zusammensein in Freiheit leben, ohne Dogmen und Zwänge?½ Das waren die Fragen, die die Ökodörfler zusammenbrachten. Die wichtigste Frage war die, wie sich all dies verwirklichen lässt?

Um richtig planen und experimentieren zu können, brauchte man einen Platz. 1992 wurde im Wendland, östlich von Hannover ein altes Gehöft mit Grünfläche gefunden, wo zunächst zehn Menschen einzogen.. Der Gutshof wurde mit einfachen Mitteln und viel freiwilliger Hilfe ökologisch saniert. Um das Projektzentrum herum entstanden Betriebe, eine freie Schule und ein Tagungshaus. Die individuelle Finanzierung wurde durch Arbeitslosengeld oder Teilzeitjobs an der Uni gedeckt, um wirklich Zeit für das Projekt zu haben. Man dachte, in zwei Jahren wäre man so weit, das Ökodorf in die Praxis umzusetzen. Es wurden fünf Jahre daraus. Das Zusammenleben brachte zwischenmenschliche, psychologische und soziale Themen zu Tage, die mehr Kraft in Anspruch nahmen, als man vermutet hatte. So waren z.B. alle davon ausgegangen, dass die Kindererziehung in der Gemeinschaft leichter wäre. Es stellte sich aber heraus, dass Meinungsverschiedenheit und Missverständnisse über richtige Erziehung viel Energie benötigten.

Ein Projekt wird aus der Taufe geholt

Schließlich wurde 1997 ein geeignetes Stück Land nicht weit vom Projektzentrum gefunden, das sich einen Kilometer außerhalb der Gemeinde Poppau in Sachsen-Anhalt befindet. Die Gemeinde Bandau ist den visionären Ökologen sehr freundlich gesonnenen und heißt das Projekt willkommen.

Inzwischen leben etwa 50 Menschen allen Alters hier, und viele Sympathisanten unterstützen das Projekt aus näherer oder weiterer Entfernung. Das Dorf ist in kleinere Gruppen unterteilt, die Nachbarschaften, wo sich Gleichgesinnte zusammenfinden können. So gibt es die +Unendlichen½, die es nicht eilig haben, zu bauen, sondern sich in Wägen wohlfühlen. Die +0815er½ haben sich zwei gleichnamige Niedrigenergiehäuser bauen lassen. Wegen ihrer Kinder hatten sie es eilig, komfortabel zu wohnen. Dann gibt es den +Club 99½, dessen Mitglieder ganz konsequent ökologisch und regional leben. Sie essen nur Lebensmittel aus der Region, bauen ihr Haus selbst, ohne Maschinen und nur mit regionalen Baustoffen. Die Dorfstruktur ist einmalig unter den Deutschen Gemeinschaften und bieten vielfältigere Möglichkeiten, als das sonst übliche Zusammenleben unter einem Dach.

Bis zu 300 Menschen sollen einmal hier wohnen. Das genügt, um sich in fast allen Bereichen des Lebens selbst zu versorgen. Bei einer größeren Anzahl befürchten die Bewohner, dass es unpersönlich wird und eine demokratische Entscheidungsstruktur, die auf Konsens beruht, unmöglich wird. Unter Selbstversorgung verstehen die Ökodörfler ein Wirtschaften in kleinen und engen Kreisläufen. Man kennt den Bäcker, der das Brot backt, sieht das Feld, wo das Getreide gewachsen ist. Man kennt die Arbeitsabläufe, die zu dem Endprodukt geführt haben. Außerdem werden unnötige Transportenergien gespart, und man weiß um die Qualität der Produkte, z.B. das Gemüse aus dem eigenen Garten.

Nach innen autark, nach außen engagiert

Um das zu gewährleisten, wollen die Siedler viele kleine Betriebe aufbauen, um ihre Bedürfnisse zu decken: eine Gärtnerei, Handwerksbetriebe, Ökologische Bauplanung, ein +Heilhaus½ und nicht zuletzt Bildung und Kultur. Jeder ist selbst für seine Grundbedürfnisse und sein Einkommen verantwortlich. In einigen Nachbarschaften gibt es aber Überlegungen, gemeinsame Kasse zu machen.

Ein nachhaltiger Lebensstil, wie man/frau so schwammig formuliert, zieht sich im Ökodorf konsequent und ernsthaft durch alle Lebensbereiche. Das Dorf hat seinen eigenen Brunnen und seine Pflanzenkläranlage. Es wird Regenwasser und Sonnenwärme genutzt. Im Baubereich gibt es einerseits moderne Niedrigenergiehäuser und andererseits den Bau eines naturnahen Strohballenhauses. Man ernährt sich ökologisch und aus der Region.

Die Döfler ziehen sich aber nicht in ihr idyllisches Landleben zurück, sondern engagieren sich auch politisch in der Region. Eine Putenmastanlage versuchten sie durch Gespräche mit dem Umweltminister zu verhindern. Heftige Kritik übt die Gemeinschaft am nahen Atomzwischenlager, und das Thema Fremdenhass wird mit Aufklärungsaktionen und Sonntagskaffee angegangen.

Außerdem wird im Ökodorf das Eurotopia-Gemeinschaftenverzeichnis erstellt, um andere Lebensweisen öffentlich zu machen. Noch immer gibt es in der Bevölkerung Vorurteile in Bezug auf Lebensstile, die über Kleinfamilie und Singledasein hinausgehen. Aber die Bemühungen sich gesellschaftlich zu etablieren, fruchten manchmal auch. Z.B. hat das Projekt im Jahr 2000 von der Deutschen Umweltstiftung einen Sonderpreis für seinen ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz erhalten.

Einzige gemeinsame Philosophie: Toleranz

Die Gemeinschaftsstrukturen des Ökodorfs sind vielfältig, weil die Menschen es auch sind. Es gibt keine gemeinsame Philosophie oder religiöse Praxis. Was die Menschen zusammenbringt, ist das Interesse an den anderen, am Leben in Gemeinschaft. Damit verbunden ist auch die Toleranz und Achtung vor Mensch, Natur und Erde. Das Fehlen einer gemeinsamen Ideologie und einheitlicher Persönlichkeitsmerkmale führt immer wieder zu Konflikten, aus denen die Dorfbewohner jedoch lernen. Die ökologisch Konsequenten müssen respektieren, dass die Genießer ihre Südfrüchte brauchen. Die Spirituellen sollten es aushalten können, für ihre Morgenmeditation verlacht zu werden. Die meisten sind froh, dass nicht alle gleich sind, denn Unterschiede ergänzen sich bekanntlich.

Die Nachbarschaften treffen regelmäßig im Plenum zusammen, um Praktisches und Persönliches auszutauschen. Von anderen Gemeinschaften angeregt, wird im Dorf wöchentlich ein +Forum½ praktiziert, bei dem Einzelne in den Kreis der Gemeinschaft treten, um +sich zu zeigen½. Liebevoll und im Rahmen einer klaren Kommunikationsstruktur bekommt der Redner/die Rednerin Feedback und die Chance, sich selbst aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Der zweite Effekt ist, dass man durch die Öffnung immer wieder neu in die Gemeinschaft integriert wird.

Den rechtliche Rahmen bildet zunächst der 1991 gegründete Verein. Später, als das Ökodorf entstand, wurde eine Siedlungsgenossenschaft ins Leben gerufen, der alle Immobilien gehören. Alle Siedler sind Mitglied darin und entscheiden gemeinsam über sie betreffende Belange. Diese demokratische Grundlage bietet die Voraussetzung dafür, dass alle Beteiligten gleichberechtigt zusammenleben können, ohne von den Launen und der Willkür einiger Weniger abhängig zu sein.

Alternativ, aber etabliert

Das Ökodorf ist inzwischen weit bekannt und gut besucht. Fraglich ist, ob die strukturschwache Gegend genug Möglichkeiten für Arbeitsplatzentwicklung bietet. Wenn viele Menschen ins Dorf ziehen, werden auch mehr Arbeitsplätze entstehen. Hier ist eine junge Gemeinschaft mit viel Enthusiasmus und großem Potential, die in ihrer zehnjährigen Geschichte schon einige Hürden überwunden hat. Obwohl es auf einem +alternativen½ Konzept beruht, ist das Ökodorf politisch und gesellschaftlich akzeptiert, was ihm ein gutes Fundament verschafft. Mir scheint, das Projekt ist aus den Kinderschuhen herausgewachsen und realistisch genug, um die anvisierten Ziele erreichen zu können.

Das Ökodorf bietet ein buntes Seminarprogramm sowie Camps und Festivals - gute Gelegenheiten, um das Projekt kennen zu lernen.

Infos: Ökodorf Sieben Linden, 38486 Poppau, Tel: 039000-51235, www.oekodorf7linden.de

Text von Iris Kunze

Iris Kunze, 25, engagierte sich zunächst in der Anti-Atom-, Anti-Auto- und Anti-Kapitalismus-Arbeit in politischen Gruppen. Heute empfindet sie sich als +pro Anders Leben½. Sie lebte drei Jahre lang in kommunitärer Gemeinschaft, sie schreibt nebenbei an einer Geographie-Diplomarbeit über Leben in Gemeinschaften.

Beiträge zur Ökologie, Spiritualität, Bewusstsein und einem ganzheitlichen Verständnis von Mensch und Natur www.connection-medien.de



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