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Essen & Trinken   
Interview: Die BioFach im Gespräch mit Renate Künast
Renate Künast (links) und Barbara Böck (rechts)
  • Weltagrarbericht ist unterschätzt: Bio kann die Welt ernähren!
  • Mehr Selbstbewusstsein bitte: Wirtschaftszweig, der Gutes tut
  • Volle EU-Förderung nur für ökologischen Anbau
Einmal im Jahr versammeln BioFach, Weltleitmesse für Bio-Produkte, und die parallel stattfindende Vivaness, Leitmesse für Naturkosmetik und Wellness, die internationale Bio-Branche auf dem Messegelände in Nürnberg - zuletzt 2.557 Aussteller und 43.669 Fachbesucher.
Das nächste Mal findet das Messe-Duo vom 16. bis 19. Februar 2011 statt. Über BioFach und Bio-Branche sprachen wir mit Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag.

2010 durften wir Sie bereits zum 10. Mal bei uns auf dem Messegelände begrüßen. Was schätzen Sie an der BioFach?
Renate Künast:
Ich tanke dort auf! Durch alles, was ich sehe, höre und die Leute, die ich treffe. Das trägt einen, weil man sieht, dass die Qualität über die wir reden, wirklich existiert. Man gibt sich gegenseitig Kraft, Respekt und Wertschätzung. Und ich freue mich über die fachlichen Diskussionen. Man nimmt unheimlich viel mit. Inhaltlich gesehen sind für mich die europäische Finanzperiode 2013-2020 und Gentechnik die zentralen Themen der nächsten Jahre. Die Branche sollte ihre Forderungen auch im Rahmen der BioFach aufstellen. Und zwar im Selbstbewusstsein eines Wirtschaftszweiges, nicht nur einer kleinen Gruppe von Idealisten. Und natürlich ist es für mich persönlich immer wieder schön zu sehen, was es alles an tollen Bio-Produkten gibt!

Sie sind seit vielen Jahren eine Kämpferin für die Bio-Landwirtschaft. Welche Vorteile hat diese? Worin liegt der ökologische und gesellschaftliche Mehrwert, den Bio-Produkte bieten?
Renate Künast:
Zum einen: Es schmeckt einfach besser! Die Produkte sind nicht hochgepumpt mit Düngemitteln. Das bedeutet: Das Aroma ist authentischer. Der Genussfaktor Bio plus Regionalität ist ein herausragender Punkt für mich.
Zum anderen - und das gibt auch der konsumierenden Seele etwas - sind die dahinter liegenden politischen Aspekte wichtig. Bio-Produkte werden umweltgerecht hergestellt. Bio heißt: Reduzierung der CO2-Emissionen, Erhalt der Humusschicht und der Biodiversität. Der Weltagrarbericht, der in meinen Augen viel zu wenig beachtet wird, hat den ökologischen Anbau als die Produktionsweise der Zukunft identifiziert! Und natürlich bedeutet Bio Verzicht auf Gentechnik. Ich will mit meinem Essen nicht abhängig sein von Großkonzernen. Mir macht Sorge, dass diese sich zielstrebig als erstes an die Grundnahrungsmittel gemacht haben. All das, was mehr als die Hälfte der Ernährung der Menschen ausmacht, also Reis, Mais, Soja.
Fazit: Ich kaufe und esse Bio, wo immer es geht.

Sind wir global gesehen, was ökologische, nachhaltige und gesunde Ernährung angeht, auf dem richtigen Weg? Wie sieht Ihre Vision für die Zukunft aus?
Renate Künast:
Wir haben erst angefangen. Bis 2011 war mein Wunsch 20 % Bio-Landbau - da werden wir aber nächstes Jahr noch nicht sein. Heute würde ich das Ziel sogar noch höher ansetzen. Ich weiss, der ökologische Anbau ist die Lösung für die Zukunft. Es geht nicht anders. Wir überdüngen den Boden sonst weltweit und das System würde kollabieren. Das geht mit 8 Mrd. Menschen auf diesem Planeten so nicht. Wir sollten das alte Wissen um die Landwirtschaft wieder nutzen.
Meine Vision für die Zukunft: Die Europäische Union muss sich für die nächste Finanzperiode von 2013 bis 2020 für die gesamten EU-Gelder, die im Agrarbereich gezahlt werden, neue Vergabekriterien setzen, und zwar ökologische. Geld sollte nur bekommen, wer sich aktiv für Klimaschutz und Artenvielfalt einsetzt. Der nächste logische Schritt in der EU muss heißen: Volle Zahlung bekommt nur, wer ökologisch arbeitet.

Heute ist - auch Dank prominenter Fürsprecher wie Ihnen - Bio breit und in vielen Handelskanälen vertreten. Wie steht es um Qualität und Glaubwürdigkeit von Bio-Produkten? Weshalb können die Menschen Bio-Lebensmitteln vertrauen?
Renate Künast:
Ganz grundsätzlich der Kontrolle wegen! Generell ist der Bio-Bereich schärfer kontrolliert als der konventionelle. Neben der staatlichen Kontrolle hatte die Branche immer schon ihr eigenes Kontrollsystem. Themen wie Nitrofen zum Beispiel sind im Ökobereich aufgedeckt worden, obwohl ein Vielfaches an Getreidemenge im konventionellen Bereich verunreinigt war. Da hat es nur niemand gemerkt.

Sie fordern die Branche immer wieder auf, sich Verbündete zu suchen, mehr Lobbyarbeit zu betreiben und so den politischen Druck zu erhöhen. Was heißt das konkret?
Renate Künast:
Ich denke, die Bio-Branche könnte noch mehr Selbstbewusstsein haben und sich mehr Verbündete suchen! Es kann nicht sein, dass der Großteil unserer Gelder - bei bekannter Finanzknappheit - in Deutschland und Europa für unökologisches Wirtschaften ausgegeben wird. Wir reden über Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt, investieren aber Milliardenbeträge in das Gegenteil. Unter anderem im Bereich der Landwirtschaft, die ja für circa 15 % der Treibhausgase verantwortlich ist.

Die Branche muss sich verbünden - mit wem?
Renate Künast:
Mit allen anderen, die Interesse an gesunder Ernährung haben! Der Bio-Gedanke gehört noch weiter in die Elternschaft - es sollte nicht Schluss mit Bio sein, wenn die Kinder keine Gläschennahrung mehr bekommen. Man muss sich mit großen Unternehmen zusammen tun, mit allen Orten der Gemeinschaftsverpflegung! Vom Kindergarten über Schulen bis zum Unternehmen. Alle müssen ihren Beitrag leisten gegen den Klimawandel und regionale Wertschöpfung ermöglichen.
Ich glaube zudem, die Branche muss sich stärker konzentrieren. Sie muss sich fragen, welches sind die zwei Weichenstellungen, um die wir gemeinsam kämpfen? Und das dann mit ihren Partnern tun. Also erstens mit allen, denen ökologische Landwirtschaft und Ernährung wichtig sind, zweitens, Vertretern der Gemeinschaftsverpflegung und, drittens, allen, die am Thema Gesundheit und Prävention interessiert sind.

Was kann eine Plattform wie die BioFach als Interessenvertretung des internationalen Bio-Marktes leisten?
Renate Künast:
Die BioFach muss weiter darauf achten, eine spezielle Messe zu sein, die die dahinter liegende Idee auch lebt. Zusammen mit denen, die ökologische Landwirtschaft und Lebensmittelhandel von Beginn an betrieben haben. Bei aller Internationalität muss die Messe mit den Verbänden, vom Naturkostfachhandel bis zu den Anbauverbänden, die die Branche vor Ort in Deutschland auch politisch tragen, gemeinsam Impulse setzen. Dies ist ein Wirtschaftszweig, der Gutes tut! Man sollte übergreifende Themen und eine politische Botschaft definieren, um die man sich kümmert.

Welche Themen könnten das sein?
Renate Künast:
Zum Beispiel die Aufweichung der Gesetzgebung durch eine behauptete Renationalisierung der Gentechnikentscheidung. Das will die ganze Branche nicht, die Konsumenten auch nicht. Es ist wichtig, sich miteinander zur Speerspitze einer Bewegung zu machen. Bio muss überall eine regionale Verankerung haben. Wir brauchen mehr Regionalität und Saisonalität. Das wiederum setzt voraus, dass die BioFach als Plattform regional getragen bleibt. Das hat schon immer ihren Charme ausgemacht und damit stärkt dann die BioFach auch die gesamte Bewegung. Es gibt keinen Ort, an dem sich Wirtschaft, beziehungsweise Lebensmittelwirtschaft, rund um das Thema Bio derartig konzentriert und in ihrer Gesamtheit trifft!

Zum Abschluss noch eine globale Frage: Kann Bio die Welt ernähren?
Renate Künast:
Eindeutig ja! Gentechnik ist niemals die Antwort auf das Welternährungsproblem. Bio ist die Lösung! Und ich sage jetzt einmal Bio oder Öko, ohne zu meinen, dass es immer zertifiziert sein müsste. Das wird sich in einigen Regionen wie Afrika oder Brasilien nicht anbieten. Es geht um das Wissen und die Methode ohne Agro-Gentechnik, auf dem lebendigen Boden, Humus und um das Wissen von Fruchtfolgen und Wassermanagement. Der Weltagrarbericht hat gezeigt, wenn alle so wirtschaften wie der reiche Norden, kann das nicht mehr funktionieren. Es geht nur auf die ökologische Art und Weise. Das Flaggschiff ist der zertifizierte Ökoanbau und die Antwort auf die Frage, wo die Reise hingeht, wenn wir alle Menschen dieser Welt ernähren wollen, regional und adäquat.
Liebe Frau Künast, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns schon heute auf Ihren 11. Besuch zu BioFach und Vivaness 2011!

Ansprechpartner für Presse und Medien:
Barbara Böck, Ellen Rascher
Tel +49 (0) 9 11. 86 06-83 28
Fax +49 (0) 9 11. 86 06-82 56
ellen.rascher@nuernbergmesse.de


Diesen und weitere Texte, Fotos, Hörfunk-Service und Film-Impressionen finden Sie im Pressebereich unter:
www.biofach.de und www.vivaness.de

Stets aktuelle Produktinformationen der Unternehmen unter:
www.ask-BioFach.de und www.ask-Vivaness.de
 
Quelle: NürnbergMesse GmbH, D-90471 Nürnberg
http://www.nuernbergmesse.de
ellen.rascher@nuernbergmesse.de
    

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