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Land und Gartenbau   
Gentechnik-Gesetzentwurf am Freitag im Bundesrat: Verwässerung droht
Regelungen zur Koexistenz verschiedener Landwirtschaftsformen und Wahlfreiheit der Verbraucher auf der Abschussliste
Wenn am morgigen Freitag, 2. April der Bundesrat tagt, stehen im Kontext Gentechnik wichtige Abstimmungen ganz oben auf der Tagesordnung: Die Länderkammer muss sich zur Gentechnikgesetzgebung positionieren. Das Öko-Institut e. V. weist darauf hin, dass aus gesellschaftspolitischer, ökologischer und juristischer Sicht klare Regelungen für alle Beteiligten dringend notwendig sind. Allerdings droht nun im Bundesrat, dass entsprechende Regelungen verzögert und verwässert werden. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sind wesentliche Elemente des Gentechnikgesetzes in Gefahr, die unter anderem auf eine friedliche Koexistenz verschiedener Landwirtschaftsformen, klare, transparente Regelungen, die Wahlfreiheit für die VerbraucherInnen und eine dem Vorsorgeprinzip geschuldete Gesetzgebung abzielen.

Die EU hat drei Verordnungen erlassen, die den grenzüberschreitenden Transport, die Kennzeichnung und die Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen und daraus hergestellten Lebens- und Futtermitteln regeln. Die Verordnungen treten Mitte April in Kraft. Sie bescheren den Verbrauchern ein großes Plus an Transparenz und Wahlfreiheit - in der Theorie. Die EU-Verordnung regelt nämlich nicht die Zuständigkeiten der Behörden in den Mitgliedstaaten. In der Praxis werden sie deshalb zum zahnlosen Tiger, wenn in Deutschland nicht geklärt ist, welche Behörden die Einhaltung kontrollieren. Weil sich Bundestag und Bundesrat nicht einig sind, steht genau dies aber zu befürchten. Der Agrarausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den entsprechenden Gesetzentwurf, mit dem die EU-Verordnungen umgesetzt werden sollen, nicht zu verabschieden, sondern den Vermittlungsausschuss anzurufen. Damit würde den deutschen VerbraucherInnen vorerst eine Wahlfreiheit vorenthalten, die auf EU-Ebene Standard sein wird.

In einem zweiten Gesetzgebungsverfahren berät der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des Gentechnikrechts. Der Bundesrat muss unter anderem zur Koexistenz in der Landwirtschaft eine Entscheidung treffen, die die Wahlfreiheit der produzierenden Landwirte, der Verarbeiter und des Handels sichern soll. Kernstück ist eine konsequente Verankerung einer Vorsorgepflicht und eindeutige Regelungen, wie ein Nebeneinander gentechniknutzender und gentechnikfreier Landwirtschaftsformen gesichert werden kann. Entsprechende Regelungen fehlen auf EU-Ebene. Nach dem deutschen Gesetzentwurf soll eine Verordnung zur guten fachlichen Praxis beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen aufzeigen, mit welchen Maßnahmen unerwünschte Vermischungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen verhindert oder zumindest minimiert werden können.

Doch nach der Empfehlung der Ausschüsse soll diese Verordnung gestrichen werden. Stattdessen soll die Koexistenz gesichert werden, indem Produktinformationen und Handlungsempfehlungen den gentechnisch veränderten Organismen - insbesondere Saatgut - beigefügt werden. Eine solche Regelung ist abzulehnen, da es damit alleine in der Definitionsmacht der Erzeuger und Verwender von transgenen Pflanzen läge, welche Maßnahmen sie einhalten. Der Staat würde sich hier aus seiner Verantwortung ziehen, den Vorsorgemaßstab zu gewährleisten.
Ruth Brauner aus dem Arbeitsbereich Biodiversität, Ernährung & Landwirtschaft des Öko-Instituts bekräftigt: "Aus wissenschaftlicher Sicht ist es absolut sinnvoll, den Landwirten ein klares, verbindliches Set von Maßnahmen an die Hand zu geben, an dem sie ihren Anbau ausrichten können. Was passiert, wenn dies nicht geschieht, sehen wir heute in Kanada. Dort ist der Anbau von gentechnikfreiem Raps in manchen Gebieten nicht mehr möglich. Es wurde unterlassen, dass Wissen aus Forschung und Praxis in handhabbare Maßnahmen zu übertragen, um Vermischungen der verschiedenen Produktionswege soweit wie möglich zu reduzieren. Vollständig unterbinden lassen sich Verunreinigungen allerdings auch mit Isolationsabständen nicht. Das muss jedem klar sein."

Weiterhin sieht der Gesetzentwurf für den Fall, dass es doch zu unerwünschten Verunreinigungen kommt, die Umsetzung des Verursacherprinzips vor und bietet klare Regelungen, an denen sich Produzenten orientieren könnten. Auch dies steht jetzt zur Disposition. Der Vorschlag der Ausschüsse, einen Fonds einzurichten, der für den Ausgleich von Vermarktungsschäden eintritt, wenn gentechnikfreie Produzenten ihre Waren wegen Auskreuzungen als gentechnisch verändert kennzeichnen müssen, ist zu begrüßen. Durch dieses Instrument werden nachbarschaftliche Einzelkonflikte vermieden und die verantwortlichen Wirtschaftsbeteiligten in die Verantwortung genommen. Es entspricht jedoch nicht dem Verursacherprinzip und ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb zur Finanzierung des Fonds neben den Wirtschaftsbeteiligten der Bund und damit der Steuerzahler herangezogen werden soll. Ebenso entspricht es nicht dem Verursacherprinzip, dass nach dem bisherigen Entwurf für die Kosten, die entstehen, um transgene Verunreinigung zu vermeiden oder auf solche zu untersuchen, nur die betroffenen Landwirten aufkommen müssen. Eine entsprechende Regelung sollte bei der Ausgestaltung des Haftungsfonds in einer Rechtsverordnung vorgesehen werden. Problematisch an einem pauschalen Haftungsfonds ist auch, dass für Gentechnik-Nutzer nur ein geringer Anreiz besteht, eine Verunreinigung bei den Nachbarn zu verhindern. Denn der Schaden würde an anderer Stelle reguliert.

Zum Themenkomplex hat das Öko-Institut mehrere Studie und Stellungnahmen verfasst. Eine Auswahl finden Sie unter folgenden Links auf der Homepage des Öko-Instituts e.V.:

>> www.oeko.de/dokum.php?setlan=&vers=&id=91

>> www.oeko.de/dokumente/031126_pm.pdf

>> www.oeko.de/gen/s014_de.pdf

>> www.oeko.de/presse.htm?mitte_presse1157020204.htm


AnsprechpartnerIn:

Ruth Brauner
Öko-Institut e.V. Freiburg
Bereich Biodiversität, Ernährung & Landwirtschaft
Telefon: 0761 / 45295-40
r.brauner@oeko.de

RA Andreas Hermann LL.M.
Öko-Institut e.V. Darmstadt
Bereich Umweltrecht
Telefon: 06151 / 8191-28
a.hermann@oeko.de
 
Quelle: Öko-Institut Institut für angewandte Ökologie e.V., D-79038 Freiburg
http://www.oeko.de
c.rathmann@oeko.de
    

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