Zurück zur ECO-World Startseite

Haftungsausschluss
Impressum
Datenschutzerklärung









  Forum
 
 
HOME | Top-Nachrichten | Umwelt & Naturschutz alle Nachrichten
 Hier finden Sie laufend aktuelle Nachrichten aus dem Themenbereich Ökologie.
Wenn Sie Meldungen zu einem bestimmten Thema suchen, steht Ihnen die Navigation links zur Verfügung. - Mit ECO-News, dem Presseverteiler der ECO-World sind Sie immer auf dem Laufenden.

Stichwort    Art 
 ECO-News - die grüne Presseagentur
Presse-Stelle:  ECO-News Deutschland, D-81371 München
Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 13.01.2020
Blockierter Wandel
Kann die Lausitz aus der Kohle aussteigen?
Der Kohleausstieg in der Lausitz zieht sich schon seit drei Jahrzehnten hin. Die Region leidet unter einem verschleppten Strukturwandel, der Abwanderung junger Menschen und lokalen Interessenkonflikten. Jetzt ist die Politik doppelt gefragt: Wirtschaftliche Investitionen sind notwendig, aber sie reichen nicht aus. Die Bevölkerung in der Region sollte mitentscheiden, wohin die Entwicklung gehen soll. IASS-Forscher analysieren in einer neuen Publikation, was den Wandel blockiert, und beschreiben die Chancen für demokratische Gestaltung.

Die Wirtschaft in der Lausitz entwickelte sich auf Kosten von Umwelt und Bevölkerung. Das funktionierte laut den Sozialwissenschaftlern Jeremias Herberg, Konrad Gürtler und David Löw Beer, weil der Region und den Beteiligten an der Kohleproduktion ein gewisser Wohlstand und gesellschaftliche Anerkennung zuteilwurden. Dieses Modell zerbreche nun und die Bevölkerung finde sich mit förderpolitischen Zusagen nicht ab. Denn der Kohleausstieg sei nicht allein ein wirtschaftliches Problem, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift "Berliner Debatte Initial". Es gehe auch darum, wer mitentscheiden darf und wie die Kosten der Energiewende verteilt werden sollen.

Kohlestreit bietet Chancen für die Demokratie
Die Autoren argumentieren, dass die Konflikte in der Lausitz die Möglichkeit bieten, Strukturwandel demokratisch gestalten zu lernen. Dieses Wissen könne bei anderen Transformationsprozessen von Nutzen sein, betont Leitautor Jeremias Herberg: "Wenn man die Verfügungsgewalt über fossile Bodenschätze umorganisiert, dann berührt das die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft. Insofern hält der Kohleausstieg dem deutschen Wirtschafts- und Politikmodell einen Spiegel vor. Spätestens in der Verkehrswende und Agrarwende, wo noch mehr auf dem Spiel steht, wird ein Streit um die materielle Grundlage unseres Wirtschaftsmodells entbrennen, den es demokratisch zu organisieren gilt."

Der Analyse zufolge müssen die Entscheidungsträgerinnen und -träger in der Lausitz mit demokratischen Mitteln vier Blockaden lösen:
  • Zersplitterte Reviergrenzen: Lokal fragmentierte Interessenkonflikte blockieren den Wandel. Die sehr unterschiedliche Betroffenheit macht einen demokratisch organisierten Annäherungs-, Verständigungs- und Entscheidungsprozess unumgänglich.
  • Verschleppter Wirtschaftswandel: Von 1989 bis 2005 sank die Anzahl der Beschäftigten im Braunkohlebergbau von rund 79.000 auf 9000. Die Politik wurde jedoch erst wach, als Vattenfall aus dem Kohlegeschäft ausstieg und als die Kohlekommission schließlich 2019 einen Zeitplan für den Kohleausstieg vorlegte. Die politische Apathie verhinderte eine konsequente Energiewende und mit jeder weiteren Verzögerung steigen die Verlustängste. Wirtschaftlich ausgerichtete Fördermaßnahmen müssen daher bald einsetzen und begleitet werden von einem gesellschaftlichen Findungsprozess. Am Ende dieses Prozesses muss die Regierung verbindliche Entscheidungen treffen. Alle Vorschläge führten bislang aber nur zu einem undurchsichtigen Stückwerk.
  • Demografische Entmachtung: Die letzten Jahrzehnte waren von einer großen Abwanderung und von einem Mangel an Zuwanderung geprägt. Besonders die wenigen Jugendlichen, die der Lausitz erhalten geblieben sind, stehen dem Kohleausstieg zwiespältig gegenüber: Ihr Alltag ist oft eng mit der Kohleindustrie verbunden, dennoch sehen sie in ihr keine Zukunft. Vor allem Frauen wandern aus der Lausitz ab. Sorben und Wenden waren von Umsiedlungen überproportional betroffen und wurden, wie auch andere Gruppen, Zielschiebe minderheitenfeindlicher Angriffe. Neben sozialpolitischen Maßnahmen empfehlen die IASS-Forscher einen strukturpolitischen Ideenwettbewerb. Neue und alte Anwohnerinnen und Anwohner müssen glaubhafte Gelegenheiten bekommen, auf politische Entscheidungen einzuwirken. In bisherigen Partizipationsangeboten wurde viel zugehört, aber zu wenig Gestaltungsspielraum geschaffen.
  • Gehemmte Strukturwandelproteste: Es gibt in der Lausitz eine zwar zerstreute, aber vielfältige zivilgesellschaftliche Landschaft, wie an den Protesten gegen Werksschließungen in Görlitz deutlich wird. Die Ausgangslage ist dennoch schwierig, weil dörfliche Vereine und Begegnungsstätten häufig von der Braunkohleindustrie unterstützt werden. Lokale Milieus sind hochgradig zerrissen. Die AfD, die die ökologische Notwendigkeit des Kohleausstiegs nicht anerkennt, erzielte bei den Landtagswahlen 2019 in den Lausitzer Wahlkreisen einen Stimmenanteil von 25 bis 40 Prozent. Dies macht den Handlungsdruck deutlich: Das Gelegenheitsfenster für einen demokratisch gestalteten Strukturwandel ist eng und könnte sich bald wieder schließen.

Erfahrungen der Bevölkerung für Strukturwandel nutzen
Der regionale Strukturwandel ist laut den Forschern von enormen Beharrungskräften geprägt. Für besonders problematisch halten sie, dass die Stichworte Nachhaltigkeit, Zivilgesellschaft und Beteiligung in den Gesetzesentwürfen, die die Bundesregierung für den Kohleausstieg vorgelegt hat (Stand September 2019), nicht konkretisiert werden. So wird der Wandel verschleppt und wichtige Anliegen verlieren an Bedeutung und Glaubwürdigkeit. Vielen bleibt nur die Hoffnung auf eine andere Großindustrie, zum Beispiel auf die im Norden der Region geplante Tesla-Fabrik. Es drohen neue Abhängigkeiten und unreflektierte Zielkorridore. Die Chance für eine demokratische Neugestaltung verstreicht.

Die Bevölkerung in die Strukturwandelpolitik einzubinden, sei nicht nur notwendig, sondern derzeit auch noch möglich. Dass die Lausitz bereits einen langen Prozess des Strukturumbruchs hinter sich hat, sehen die Forscher dabei auch als Chance: "Die jahrzehntelange Transformationserfahrung der Lausitzerinnen und Lausitzer ist eine wichtige Ressource, um aus Fehlern zu lernen, Frustrationstoleranz zu bewahren und eine strukturschaffende Phantasie zu entwickeln", sagt Herberg. Nur wenn das gelingt, werde aus dem verschleppten Wandel noch ein Modellfall für gesellschaftspolitische Erneuerung.

Das IASS forscht mit dem Ziel, Transformationsprozesse zu einer nachhaltigen Gesellschaft aufzuzeigen, zu befördern und zu gestalten - in Deutschland wie global. Der Forschungsansatz des Instituts ist transdisziplinär, transformativ und ko-kreativ: Die Entwicklung des Problemverständnisses und der Lösungsoptionen erfolgen in Kooperationen zwischen den Wissenschaften, der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein starkes nationales und internationales Partnernetzwerk unterstützt die Arbeit des Instituts. Zentrale Forschungsthemen sind u.a. die Energiewende, aufkommende Technologien, Klimawandel, Luftqualität, systemische Risiken, Governance und Partizipation sowie Kulturen der Transformation. Gefördert wird das Institut von den Forschungsministerien des Bundes und des Landes Brandenburg.

Diskussion

  Login



 
 
  Aktuelle News
  RSS-Feed einrichten
Keine Meldung mehr verpassen

08.07.2025
Katrin Eder: "Aktion Käferkarawane der Evangelischen Kirche der Pfalz zeigt, dass jeder beim Naturschutz mitmachen kann"

07.07.2025
Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie mitten im Jubiläumsjahr


BÖLW zum Bundeshaushalt: Bio-Forschung weiter stärken! Forschungsbudget an wachsende Bio-Nachfrage anpassen

Forderung aus Hessen, Bayern, Sachsen und Berlin: Günstigen Erhaltungszustand beim Wolf feststellen

50 Jahre Fairness gestalten - 50 Jahre GEPA - Taste fair world Bundesentwicklungsministerin würdigt die Pionierrolle der GEPA - Festakt mit über 200 Gästen in Wuppertal

Neuer Rekord: 1.000 Fairtrade-Schulen deutschlandweit Immer mehr junge Menschen engagieren sich für fairen Handel


04.07.2025
Gesetzliches Photovoltaik-Ziel 2030: Erst(e) Hälfte ist geschafft


Erstbefund: Höhere Strompreise und eine gefährdete stabile Energieversorgung Neuer ElWG-Entwurf bringt Verunsicherung für über 500.000 Anlagenbetreiber*innen

Wirksamen Schutz vor Waldbränden Die Brände veranschaulichen deutlich, welche Gefahr von der Klimakrise für die innere Sicherheit in Deutschland ausgeht

Neue Logix Studie: Logistikimmobilien können signifikanten Beitrag zur Kommunalen Wärmewende leisten Vielfältige Potenziale von Logistikimmobilien bei der Unterstützung der Wärme- und Energiewende


Seit 15 Jahren: ÖDP-Initiative sorgt für rauchfreie Restaurants und Kneipen Mit Volksentscheid initiierte die Naturschutzpartei ÖDP Gesundheitsschutz in Restaurants für alle.


03.07.2025
Subventionen auf fossile Energienutzung schaden Wohlstand, Fiskus und Klima Neue ZEW-Studie zeigt Potenzial für Klimaschutz und wirtschaftlichen Fortschritt

Globale Gerechtigkeit jetzt umsetzen: Klare Schritte nach UN-Entwicklungskonferenz nötig

Neue Gas-Öfen trotz Hitzewelle: Regierung verweigert Politik fürs Volk Zu heiß für kühle Köpfe? ÖDP kritisiert "Kopf-in-den-Sand-Politik" statt kluger Klimaschutz-Entscheidungen durch die Merz-Mannschaft.


02.07.2025
Zukunftsfähige Landwirtschaft nicht wegschieben! "Wir haben es satt!"-Kundgebung gegen "Sonder-Agrarministerkonferenz" (AMK) am 10. Juli 2025 in Berlin

Hitzewelle: Wassersparen hilft der Natur NABU und Landeswasserversorgung geben Tipps und bitten um Mithilfe

01.07.2025
Freizeitschifffahrt auf deutschen Seen Der motorisierte Wassersport belastet die Ökologie der Seen in Deutschland.


30.06.2025
Agrarökologische Praxis Allianz gegründet - Ein wegweisender Schulterschluss für die sozial-ökologische Transformation Stärkung sozial gerechter und ökologisch nachhaltiger Strukturen

"Hohe Wassertemperaturen können ökologisches Gleichgewicht in Gewässern empfindlich stören" Der Rhein hat die Marke von 25 Grad Celsius überschritten

"Kommunen engagieren sich landesweit für Klimaschutz" Zwischenbilanz des Kommunalen Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI) nach einem Jahr: Hundert Projekte bereits umgesetzt