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Presse-Stelle:  oekom verlag, D-80337 München
Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 17.11.2008
Gentechnik: Vom Wald zur Genbaumplantage
Gentechnisch veränderte Bäume sollen den wachsenden Bedarf an Papier und Agrosprit decken
Während alle über Genmais und -soja reden, werden in aller Stille gentechnisch veränderte Bäume entwickelt und freigesetzt. Mehr Zellulose sollen die Superbäume haben und natürlich für große Plantagen geeignet sein. Der Marktführer ArborGen hat für seine Freisetzungen keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgelegt. Das ist kein Wunder, denn die ökologischen Auswirkungen kennt niemand.

VON URSULA GRÖHN-WITTERN, BUKO AGRAR-KOORDINATION

"Eukalyptus ist der perfekte neoliberale Baum. Er wächst schnell, bringt schnellen Profit auf einem globalen Markt und zerstört die Erde." (Jaime Avilés in "La Jornada", Mexiko)

Die Debatte um gentechnisch veränderte Ackerpflanzen und Nutztiere beschäftigt weite Bevölkerungskreise. Wenig ist dagegen über gentechnisch veränderte Bäume bekannt. Still und leise wird geforscht, was sicher auch daran liegt, dass man Bäume nicht direkt im Körper aufnimmt. Trotzdem geschieht weltweit Besorgniserregendes. Mehrere Hundert Freisetzungen fanden seit 1988 statt.

Auf internationaler Ebene waren sich die Vertragsstaaten der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) auf ihrer achten Vertragsstaatenkonferenz (COP8) vor zwei Jahren in Brasilien einig, dass vom Anbau genveränderter Bäume soziale und ökologische Risiken ausgehen und dass das Vorsorgeprinzip angewendet werden muss. Bis 2008 sollten deshalb keine Genbäume angebaut werden. Versuche wurden erlaubt.

Die Hoffnung, dass sich die COP9 im vergangenen Mai zu einem Moratorium durchringen könnte, war jedoch gering. Letztendlich wurde in Bonn nur beschlossen, dass jeder Staat selbst über den Anbau entscheiden kann. Da Baumsamen mühelos Grenzen überwinden, ist das kein wirklicher Schutz. Außerdem gab es einen Beschluss zur UN-Klimarahmenkonvention, wonach der Anbau gentechnisch veränderter Bäume als CO2-Senke nach dem Kyoto-Protokoll angerechnet werden kann. Diese Entscheidung hat tief greifende Folgen für Wälder und die Menschen, die in ihnen leben. Sie subventioniert Unternehmer aus dem Norden, die riesige Landflächen im Süden erwerben, um darauf Gentech-Bäume zu pflanzen.

Weniger Lignin, mehr Zellulose

Die Forschung baut auf den Erfahrungen mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen auf und sucht nach ähnlichen Eigenschaften für Bäume, also Insekten- und Herbizidresistenz. Hinzu kommt der Versuch, Bäume mit geringem Ligningehalt und höherem Zellulosegehalt zu züchten. Beides ist interessant für die Papier- und Ethanolproduktion. Lignin ist das, was Holz zu Holz macht: Es verleiht den Pflanzen Festigkeit und schützt gegen Krankheiten und Schädlinge. Durch das Lignin wird aber die Ethanolherstellung energieaufwendiger. Ligninärmere Bäume werden allerdings empfindlicher gegenüber Sturm sein - und vor allem anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Deshalb will man sie gleich insektizid- und herbizidtolerant machen.

Der weltweit wachsende Bedarf an Papier soll dagegen mit zellulosehaltigeren Bäumen besser gedeckt werden. Befürworter argumentieren, dann müssten Wälder nicht weiter gerodet werden. Belegt ist das nicht. Klar ist jedoch, dass der Pestizidverbrauch steigen wird, wenn man herbizidresistente Bäume pflanzt. Es werden keine neuen Wälder entstehen, sondern riesige Monokulturen, in denen keine andere Vegetation geduldet wird.

Anders als die meist einjährigen Agrarkulturen leben Bäume viel länger und produzieren über viele Generationen hinweg Samen und Pollen, die kilometerweit verbreitet werden und vielen Tieren als Nahrung diesen. Eine Abschätzung der Auswirkungen auf die Umwelt ist deshalb ungleich langwieriger und schwieriger, ihre Biologie und Genetik sind schlechter erforscht. Generell verfügen Bäume über den gleichen Satz an Genen wie krautige Pflanzen, nur die Regulation der Lebensdauer und der Holzbildung ist anders.

Vor allem Pappeln und Eukalyptus, aber auch Obstbäume

Der erste Freisetzungsversuch in der EU fand 1988 in Belgien mit Pappeln statt. Neben dem Ligningehalt wurde dort auch an der Fähigkeit der Bäume gearbeitet, Schwermetalle aufzunehmen, um damit Böden zu sanieren. Inzwischen gab es Freisetzungen mit Pappeln in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Schweden und Belgien. Hinzu kam Eukalyptus in Großbritannien, Spanien und Portugal. Unter den insgesamt 50 Freisetzungen in der EU waren außerdem Apfel, Kirsche, Pflaume, Birke, Fichte und Kiefer. Alle sind für den großflächigen Anbau in Monokulturen vorgesehen.

In Deutschland gab es bisher vier Freisetzungen, darunter einen Versuch der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft im Hamburger Vorort Großhansdorf. Genbäume können nach Angaben der Forscher nur im Freiland getestet werden, weil Bäume im Gewächshaus nicht lange genug und nicht unter echten Bedingungen wachsen.

Zum kommerziellen Anbau zugelassen sind bisher genveränderte Pappeln in China und Papaya in den USA. China pflanzte mehr als 1,4Millionen Hektar sogenannte Bt-Pappeln mit Genen aus dem im Boden lebenden Bakterium Bacillus thuringiensis an. Wo sie stehen, ist nicht bekannt. Großflächigen Anbau gibt es auch in Brasilien, Peru, Argentinien und Südafrika.

Der Anbau der in den USA zugelassenen Gentech-Papaya hat auf Hawaii den Markt für gentechnikfreie Papayas zerstört, weil es zu Auskreuzungen kam. Es entstand millionenschwerer Schaden für die Anbauer, die ihre Ernte nicht mehr nach Japan und Europa exportieren können.

In Deutschland wird seit 2003 am Institut für Obstzüchtung in Dresden-Pillnitz an Apfelbäumen geforscht. Die geplante Freisetzung stieß auf massive Kritik wegen der offensichtlich leichtfertigen Behauptung, Auskreuzungen und das Keimen von Apfelsamen aus zufällig weggeworfenen Kerngehäusen gebe es nicht. Der Anbau erfolgt nun in Freilandkäfigen, die mit einem insektensicheren Drahtgeflecht umgeben sind. In Pillnitz befindet sich ein Teil der deutschen Genbank für Obstbäume. Bei der Forschung geht es um die Stabilität von unterschiedlichen veränderten Genomen über längere Zeit.

Ökologisch und sozial riskant

Die Konkurrenz von Agrarkraftstoffen zu Nahrungsmitteln lässt sich auch mit gentechnisch veränderten Bäumen nicht vermeiden. Plantagen mit schnell wachsenden Bäumen werden den Druck auf das Land, auf dem sie angelegt werden sollen, nicht verringern. Oft heißt es, Plantagen für den wachsenden Bedarf an Papier und Kraftstoff könnten auf "ungenutzten" oder "unternutzten Flächen" angelegt werden. Doch solche Flächen gibt es nicht. Land, das dem ungeübten Auge als Brache erscheint, als nicht genutzt - weil Anbau oder Beweidung vorübergehend ausgesetzt sind - oder als leer - weil keine Menschen zu sehen sind -, wird von Nomaden, Tierhaltern, Sammlern, marginalisierten Landnutzern und Landlosen durchaus genutzt. Brachen sind zudem ökologisch sinnvoll. Werden diese Flächen zu Plantagen, verlieren dort Menschen, Tiere und Pflanzen ihre Lebensgrundlage. Eukalypusplantagen sind biologisch so gut wie tot und werden deshalb als "grüne Wüsten" bezeichnet.

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls zur Treibhausgasreduzierung werden in Entwicklungsländern häufig Aufforstungsprojekte durchgeführt. Diese "Senkenprojekte" dürfen auch Gentech-Plantagen sein - sogar ohne Einwilligung der betroffenen Staaten. So entstehen Plantagen, die noch dazu die Umwelt schädigen - während "Aufforstung" suggeriert, dass neue Wälder wachsen. Auch hier liegt eine Ursache für das Interesse an Genbäumen.

Wie die Bodenorganismen auf einen veränderten Ligningehalt reagieren, kann man nur vermuten. Die organische Substanz würde sich leichter zersetzen, es würde also schneller CO2 freigesetzt werden. Ob Bodenmikroorganismen die Gentech-

Eigenschaften auch auf andere Organismen übertragen, weiß niemand.

Die Gefahr einer Auskreuzung von transgenen Eigenschaften bei Bäumen besteht ebenso wie bei landwirtschaftlichen Pflanzen, sie ist nur weniger untersucht. Wind und Tiere transportieren Samen und Pollen kilometerweit. Ein Auskreuzen auf natürliche Verwandte im Wald wäre nicht sichtbar und unter Umständen erst spät spürbar. Befruchtende Insekten werden die gentechnisch veränderten Pollen aufnehmen und weitertragen. Dass Zellen mit Insektizidwirkung vor allem den Bienen und Schmetterlingen nicht gut bekommen werden, ist stark anzunehmen.

Die unkontrollierte Ausbreitung durch Pollen und Früchte wollen die Genforscher, wie bei den Kulturpflanzen auch, mit sterilen Pollen oder Samen verhindern. Um effektiv zu sein, müsste eine solche Technologie aber 100-prozentig funktionieren. Das tut diese "Terminatortechnologie" aber nicht. Es ist auch nicht sicher, ob die Wirkung tatsächlich jahrelang anhält. Von anderen Gefahren, etwa dass diese Eigenschaft auf nicht veränderte Bäume übergeht und sie steril macht, ganz zu schweigen.

Firmen, Forschungsinstitute und Universitäten arbeiten heute in Netzwerken zusammen. Firmen fördern die Arbeit der Universitäten und Institute, deren Professoren schreiben industriefreundliche Artikel, arbeiten in Thinktanks und treffen auf Konferenzen Gleichgesinnte.

Netzwerke aus Industrie und Forschung

Eines der größten und aktivsten Unternehmen ist ArborGen. Die US-Firma wurde 1999 von den drei Holzriesen Fletcher Challenge, International Paper und Westvaco sowie dem neuseeländischen Biotech-Unternehmen Genesis gegründet. ArborGen will sich so schnell wie möglich ganz vorn auf dem Markt für Forstbiotechnologie platzieren. An Gentech-Bäumen arbeiten außerdem das Global Network for Forest Science Cooperation IUFRO, die Firmen Horizon2 (Neuseeland), GenFor (Chile), Aracruz (Brasilien), Nippon Paper und Oji Paper (Japan) sowie die Universitäten von North Carolina und Oregon (USA) und im britischen Oxford.

ArborGen hat für seine freigesetzten Entwicklungen keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgelegt. Doch nach den bisherigen Erfahrungen mit Genpflanzen muss das Vorsorgeprinzip unbedingt auch bei gentechnisch veränderten Bäumen angewandt werden. Bis gesicherte Erkenntnisse über Risiken und Gefahren vorliegen, darf es keine Freisetzungen geben. Ob es bei Bäumen schwerer ist, in geschlossenen Systemen zu arbeiten, darf dabei keine Rolle spielen. Die Methode Versuch und Irrtum ist unvertretbar. Forst- und Obstbäume dürfen nicht dem Gewinnstreben der Agroindustrie überlassen werden.


www.umweltinstitut.org (Gentechnik - Bäume)
www.wrm.org.uy (Stop GE Trees)

Lang, C.: Gentically modified trees. The ultimate threat to forests. World Rainforest Movement, Montevideo 2004, 102 S., ISBN: 9974-7853-1-6.
www.chrislang.org/2004/12


Die Agraringenieurin Ursula Gröhn-Wittern arbeitet für die Agrar-Koordination der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) in Hamburg.

Kontakt: Ursula Gröhn-Wittern
E-Mail: ursula.groehn-wittern@bukoagrar.de
www.bukoagrar.de

Erschienen in umwelt aktuell 11/2008
www.oekom.de/zeitschriften/umwelt-aktuell/aktuelles-heft.html



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