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Politik & Gesellschaft   
Das Bayerische Aktionsprogramm Energie ist online
Antwort als offener Brief
Sehr geehrte Herr Staatsminister Hubert Aiwanger,
sehr geehrte Damen und Herren,

als Vertreter der in Bayern tätigen Energieberaterverbände (DEN e.V., BayernEnergie e.V, Energieberater Franken e.V.) möchten wir zu dem von Ihnen vorgestellten "Bayerisches Aktionsprogramm Energie" Stellung nehmen.

Wir bedauern sehr, daß wir als Energieberater, die täglich in der praktischen Anwendung mit diesem Themenfeld zu tun haben, nicht in die "umfangreiche Expertenanhörung", deren Ergebnisse in das Aktionsprogramm eingeflossen sind, mit einbezogen wurden.

Die Initialwirkung und Qualitätssicherung, die durch eine gute Energieberatung erreicht werden kann, wird im Aktionsplan nirgends berücksichtigt. Im Gegenteil, nach der Lektüre hat man den Eindruck, daß die Energieberatung Teil des Problems und nicht der Lösung sei, wenn Schulungen für Energieberater hinsichtlich Solarthermie und vom Bund eine Evaluierung und Kompetenzsteigerung bei der Energieberatung gefordert wird.

Wir sind immer dabei, wenn es um die Verbesserung der Beratungsleistung geht (Qualitätssicherung und die Schaffung eines Berufsbildes sind uns ein großes Anliegen), aber diese Sichtweise scheint doch die Tatsache zu verkennen, daß wir als Energieberater für die Umsetzung zahlreicher Energiesparmaßnahmen einen wichtigen Beitrag leisten. Gerne würden wir mithelfen, evtl. Mißverständnisse und mangelnde Informationen zu beseitigen und sind zum Gespräch bereit.

Hier nun die einige Einschätzungen zu den einzelnen Punkten des Aktionsprogramms:

Photovoltaik (PV)
Aus unserer Sicht ist der Zubau der PV-Kapazität viel zu gering. Wenn gemäß dem Programm von 2019 - 2022, also in 4 Jahren 3.200 MWp in Bayern zu gebaut werden sollen, sind das pro Jahr gerade 800 MW. Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir einen bundesweiten Zubau von mind. 15 GW pro Jahr. In Bayern leben 16 % der bundesdeutschen Bevölkerung, also entfallen 16 % der 15 GW auf Bayern, das wären 2.4 GW pro Jahr. Mit dem im Aktionsprogramm vorgesehenen Zubautempo erreichen wir die Klimaziele frühestens in 100 Jahren..

Wir schlagen vor, daß PV-Anlagen für Neubauten und bei gewissen Gebäudesanierungen zur Pflicht werden. Das Dächerpotential ist immens und muss genutzt werden. Hindernisse für die Nutzung in Mehrfamilienhäusern (Mieterstrom) müssen aus dem Weg geräumt werden. Eine Abschaffung der EEG-Umlage für alle PV-Neuanlagen im Zusammenhang mit der Gebäudeversorgung ist überfällig usw..

Solarthermie
Die Energiewende ist keinesfalls nur Strom basiert zu schaffen zumal der Wechsel auf E-Mobilität der Bedarf an Stromenergie noch erhöht. Solarthermie ist im Gebäudewärme-Bereich der "schlafende Riese", der geweckt werden muß.

Bayern setzt weiter auf die bisher nicht durchschlagenden Förderungen ("MAP verbessern"). Statt dessen sollte der Einsatz von regenerativen Energien im Bestand, z.B. bei Eigentümer- oder Heizungswechsel vorgeschrieben werden. Hierfür müssen politische Maßnahmen zur deutlichen Lenkung im Wärmemarkt ergriffen werden, entweder im Bund oder im "Energiewendeland" Bayern. Es ist fatal für den Klimaschutz, wenn das Potential der möglichen CO2-Einsparung durch die Solarthermie nicht genutzt wird, das gilt besonders für Bayern mit seiner ländlichen Struktur, z.B. Solarthermie als Ergänzung zum Holzkessel.

Solarthermische Großanlagen mit saisonalen Wärmespeichern erlangen in den letzten Jahren immer größere Bedeutung in Europa. Diese Anlagen werden für die Wärmeversorgung von großen Wohngebäuden eingesetzt, aber auch in Kombination mit Nah-/Fernwärmesystemen zur Versorgung gesamter Wohngebiete realisiert. Ziel ist jeweils die Steigerung der Effizienz der Wärmeversorgung sowohl bei der Modernisierung bestehender Gebäude als auch bei der Erschließung neuer Wohngebiete. Sie sollten auch in Bayern und Deutschland gefördert werden.

Bioenergie
Bioenergie ist gespeicherte Sonnenenergie. Deshalb sollten die Biogasanlagen soweit wie möglich in sonnen- und windarmen Zeiten betrieben und das Biogas hierfür gespeichert werden sowie die Biogasanlagen möglichst im Regelbetrieb betrieben oder die Abwärme genutzt werden. Hierfür sind wirtschaftliche Anreize für die Investitionen und den Betrieb zu schaffen.

Wenn Biogasanlagen nach 20 Jahren Einspeisevergütung weiter betrieben werden sollen, soll das Gleiche auch für PV-Anlagen gelten.

Windenergie
Die 10-H-Regelung verhindert einen Ausbau, ohne diese Regelung zu kippen, sind die Ziele nicht erreichbar. Evtl. könnten Windkraftanlagen entlang von Autobahnen und evtl. Bundesstraßen gebaut werden .

Energieeffizienz im Gebäudebereich
Wir brauchen ganz sicher kein Pilotprojet "Check dein Haus". Modernisierungsmaßnahmen scheitern nicht an mangelnden Einstiegsinformationen. Für eine individuelle Beratung sind zahlreiche qualifizierte und gut geförderte Beratungsprogramme auf dem Markt. Der individuelle Sanierungsfahrplan des BAFA muß bei Eigentümerwechsel und Heizungsaustausch gefordert und Fördervoraussetzung werden.

Was aber komplett fehlt im Aktionsplan, ist die konsequente Umsetzung der Energieeinsparverordnung (EnEV), der Energieausweispflicht bei Neubau und Bestand und die Umsetzung der bereits geltenden gesetzlichen Verpflichtungen.

In Bayern gibt es nicht mal ein "Kreuzchen im Bauantrag" für die Einhaltung der EnEV, Bayern gehört damit zu den wenigen Bundesländern, die in diesem Bereich nicht einmal minimal die gesetzlichen Vorgaben einfordern. Diesen gesetzesverachtenden Verzicht als Entbürokratisierung zu verkaufen spottet allen Klimaschutzanstrengungen Hohn und bestraft die ehrlichen Bauherren, die im Gegensatz zu den "Schlauen" daraus keine Vorteile ziehen.

Bei der Errichtung oder Sanierung von Gebäuden sollten qualitätssichernde Maßnahmen eingeführt werden. Der energetische Standard wird zwar beworben und bezahlt, aber nicht überprüft. Kein Bauherr kann überprüfen, ob das von ihm erworbene Gebäude dem vereinbarten energetischen Standard entspricht. Für Neubauten ist es erforderlich, bereits mit dem Bauantrag eine vorläufige energetische Fachplanung vorzulegen. Bei der Errichtung ist die Ausführung des geplanten, energetischen Standards zu prüfen und zu dokumentieren. (Siehe hierzu auch den Brief von Energieberater Franken e.V. / Michael Neckermann an Herrn Markus Söder.)

Im Bestand werden die gemäß EnEV verpflichtenden Maßnahmen nicht ausreichend eingefordert und überprüft. Wir schlagen vor, alle Akteure (Schornsteinfeger, Handwerker, Immobilien- und Mieterverbände, Untere Baubehörden usw.) einzubeziehen um "Ernst zu machen" für den gesetzlich geforderten Austausch von überfälligen Heizungen, Dämmung von Heizungsleitungen, Dämmung von obersten Geschoßdecken, Dämmung bei Neuverputzung von Fassaden usw..

Das 10.000 - Häuser - Programm führt ein Feigenblattdasein für einige wenige Ein- und Zweifamilienhausbesitzer, die sich innovativen Maßnahmen über die vom Bund geförderten Standards hinaus leisten wollen und können. Das hat als Innovationsförderung vielleicht eine gewisse Berechtigung, darf aber nicht als Programm mit Breitenwirkung verkauft werden. Wir verweisen hier auf mehrere Gesprächsrunden mit Ihrem Abteilungsleiter Herrn Rudolf Escheu, in denen wir Anregungen zur Verbesserung hinsichtlich Umfang und Inhalt gegeben hatten. Eigentümergemeinschaften und Mietwohnungsbau werden wieder nicht angesprochen.

Es ist zu begrüßen, wenn sich Bayern jetzt für eine zeitnahe Umsetzung des Gebäudeenergiegesetz (GEG) einsetzten will. Aus unserer Sicht stehen die Inhalte des GEG allerdings nicht in Einklang mit den Klimaschutzanforderungen. Die geforderten energetischen Standards sind zu niedrig. Für Bestandsgebäude werden keine ausreichenden Anforderungen gestellt. Für den Vollzug werden keine einheitlichen und ausreichenden Vorgaben gemacht. Die vielbeschworene Wirtschaftlichkeit ist auf eine rein betriebswirtschaftliche Sichtweise eingeschränkt, eine volkswirtschaftliche Sichtweise, die auch Folgekosten aus dem Klimawandel einbezieht, wäre dringend angebracht...

Energieeffizienz bei Unternehmen
Auch hier fehlt es am Willen, zumindest die Umsetzung der EnEV einzufordern: Die gesetzlich geforderte Inspektion von Klima- und Lüftungsanlagen gemäß § 12 EnEV birgt ein großes Einsparpotential, das durch Nachlässigkeit in der Administration fast vollkommen brach liegt. Wir bringen gerne unsere Ideen ein, wenn es darum geht, wie man die verpflichteten Betreiber erfassen und zur Inspektion anregen kann.

Sehr geehrter Herr Aiwanger, unsere Generation wird nicht mehr gefragt werden nach Erklärungen für den Klimawandel, wir werden gefragt werden, was wir dagegen unternommen haben. Dieser Verantwortung wollen wir uns stellen, für viele Kollegen der Grund warum sie den Beruf des Energieberaters ergriffen haben. Gerne lassen wir unsere Sachkompetenz zu den für uns überlebenswichtigen Fragen der Klima- und Energiewende mit einfließen.

Beste Grüße
 
Quelle: ECO-News Deutschland, D-81371 München
http://www.den-ev.de
info@den-ev.de
    

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