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In der Rubrik:   
Soziales u. Gesellschaft   
Buchtipp: Gegenbilder zur Expo
(Quelle: www.xposition.de) von Peter Nowak
Viel ist geschrieben worden ueber die Expo, ihre Pannen, ihre Schulden oder auch
die Peinlichkeit des Expo-Fernsehen. Nur ueber die Ideologie, die die
Expo-Macher transportieren wollen, wurde wenig berichtet. Warum auch? Wird
doch
die Weltausstellung eher als verlaengerte Touristikmesse denn als Vermittler von
Botschaften in der Oeffentlichkeit wahrgenommen. Doch ausgerechnet vehemente

Expo-KritikerInnen haben kuerzlich unter dem Titel "Gegenbilder zur Expo 2000"
ein Buch veroeffentlicht, in dem sie die vorgeblichen Inhalte der
Weltausstellung ernst nehmen.
Heisst es doch im Vorwort: "Die Expo-Strategie ist geschickt - so lange sie
aufgeht. Wird die Expo aber als Vorschlag fuer eine ganz bestimmte
Zukunftsvariante unter vielen moeglichen wahrgenommen, koennte sie sich in ihr
Gegenteil verkehren. Dann naemlich boete die Expo die Moeglichkeit, diese Variante
zu kritisieren und andere Zukunftsszenarien vorzuschlagen." Weil aber die
Expo-Botschaften in der Oeffentlichkeit so gar nicht wahrgenommen werden, leiden
auch die Gegenbilder' bisher unter Desinteresse. Eigentlich schade; haben doch
die drei AutorInnen wahrlich eine Fleissarbeit abgeliefert.
Vom Oekologiebegriff ueber eine Wissenschaftskritik bis zur Geschichte der
Produktivkraftentwicklung wird kein Problemfeld ausgelassen. Marx, Bloch,
Holtzkamp, Bookchin gehoeren zu der Primaerliteratur, die in dem Buch
aufgearbeitet wird. Trotzdem haben sich die VerfasserInnen erkennbar bemueht,
komplizierte Zusammenhaenge allgemeinverstaendlich darzustellen. Neben einem
umfangreichen Glossar, in dem viele Begriff ausfuehrlich erklaert werden, gibt es
am Rande der jeweiligen Artikel kurze Textzusammenfassungen. Weiterhin muss
lobend erwaehnt werden, dass die AutorInnen ihr Buch als OpenTheory-Projekt
begreifen. "Dieses Buch erscheint unter einer freien Lizenz (Copyleft), die das
Kopieren, das Veraendern und das Weitergeben des modifizierten Textes erlaubt
und die dafuer sorgt, das sich niemand den Text privat unter den Nagel reissen
und z.B. mit einem Copyright belegen kann. Nur der Hinweis auf die Quelle, die
AutorInnengruppe und die Bezugsmoeglichkeiten muessen erhalten bleiben".
Damit setzen die Gegenbild-AutorInnen eine ihrer im Buch formulierten
Zukunftsutopien in die Praxis um. Abschaffung aller Patente, freier Tausch von
Informationen, Dienstleistungen und auch Waren gehoert zu ihren Forderungen. Das
Projekt der freien Software aber auch Linux wird als nachahmenswertes Beispiel
herangezogen. Die AutorInnen sind also beileibe keine Technikfeinde. Anders als
der New-Work-Guru Frithjof Bergmann, der in dem Buch mehrere positive
Randnotizen erhaelt, spricht die Gruppe Gegenbilder dem Computer und dem
Internet keine per se emanzipatorische Wirkung zu. Den Texten ist anzumerken,
dass ihre AutorInnen laengere Zeit in Kommunen und Projektwerkstaetten
mitgearbeitet. So gibt es laengere Textpassagen, mit denen kommune- und
projektresistente LeserInnen wahrscheinlich wenig anfangen koennen.
Die Kritik an der Agenda 21, dem Nachhaltigkeitsdiskurs und der Politik der
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) stuetzt sich wesentlich auf die Arbeiten
des Mitherausgebers und Radikaloekologen Joerg Bergstedt. So praegnant seine
Einwaende sind, so kritisch muss auch das Gegenkonzept einer "Bewegung von
unten" hinterfragt werden, das sich durch das gesamte Buch zieht und
stellenweise schon den Charakter eines Mythos bekommen hat. Dabei wird nicht
hinterfragt, ob Bewegungen von unten per se progressiver als beispielsweise
linke Nichtregierungsorganisationen wie medico International sein muessen.
Auf der Pressekonferenz der Bundeskongress Entwicklungspolitischer Gruppen
(BUKO) Anfang Oktober in Berlin wurde diese Frage mit plausiblen Argumenten
verneint. Schliesslich haben wir oft genug erlebt, dass auch "Bewegungen von
unten" autoritaere, rassistische, protektionistische Theorie- und Praxisformen
hervorbringen. Wie soll sich auch ein autoritaer strukturiertes Subjekt
ploetzlich seiner gesamten Sozialisation entledigen und emanzipatorische
Eigenverantwortung uebernehmen?
Schliesslich gibt es da selbst in der linken Bewegung grosse Probleme, wie die
Gruppe Gegenbilder in ihrer Kritik an der Anti-Expo-Bewegung ueberzeugend
nachweist. "Nicht nur die verbandlich oder gar betriebswirtschaftlich
organisierten NGOs und die bewusst zentralisiert arbeitenden kaderlinken
Gruppierungen weissen krasse Hierarchien auf, sondern auch in den Gruppen, die
den Herrschaftsabbau eigentlich als ihr Ziel proklamieren, finden sich
Dominanzverhaeltnisse alltaeglich."
Angesichts dieses Zustandes der Linken ist der Versuch der AutorInnen, ein
Gegenkonzept zu formulieren, nicht gering zu schaetzen. Es waere zu wuenschen,
dass es die kritische Debatte ausloest, die sich die Gruppe Gegenbilder
wuenscht. Beim aktuellen Zustand der Anti-Expo-Bewegung und des Utopietabus der
Restlinken fast ein vermessener Wunsch.
16.10.00

Freie Menschen in freien Vereinbarungen
Gegenbilder zur Expo 2000
Hg.: Gruppe Gegenbilder, 2000, 19,80 DM

Bestellungen an:
Projektwerkstatt
Ludwigstr. 11
35447 Reiskirchen-Saasen

Download: www.projektwerkstatt.de/download/
Debatte: www.opentheory.org/proj/gegenbilder

 
Quelle: Institut für Ökologie Redaktion ö-punkte, D-23858 Feldhorst
http://www.projektwerkstatt.de
institut@inihaus.de
    

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