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Energie   
Von Jörg Schindler und Werner Zittel
6. Verteilungsgerechtigkeit

Beim Verbrauch einer endlichen Ressource stellt sich in besonderem Maße die Frage ihrer gerechten Nutzung: der gerechten Verteilung in Hinblick auf die gerade lebenden Menschen wie auch auf künftige Generationen.

Wir wissen, daß es um die Verteilungsgerechtigkeit beim Öl ganz schlecht bestellt ist: Heute nutzen ungefähr 20 % der Menschen (die Bevölkerung der industrialisierten Länder) 80 % des geförderten Öls. Wir beruhigen uns gern mit dem Gedanken, daß dies zwar bedauerlich, aber imAugenblick unvermeidlich und überhaupt nur vorübergehend sei. Mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung der Entwicklungs- und Schwellenländer (die wir selbstverständlich für wünschenswert und machbar halten) lassen sich die Dinge dann in Zukunft immer mehr angleichen. Nur leider: So ist es mit Sicherheit genau nicht! Dummerweise ist fast die Hälfte des Erdöls schon verbraucht. Wenn wir also (erst einmal unabhängig von ökonomischen Verteilungsmechanismen) ab morgen eine gerechte, die Ungleichheiten der Vergangenheit korrigierende Verteilung vornehmen wollten, so könnte jeder der bisherigen Habenichtse höchstens mit einem Viertel dessen bedacht werden, was die Reichen sich in der Vergangenheit genehmigt haben - mehr ist einfach nicht da. Die Schieflage in Bezug auf die Verteilungsgerechtigkeit kann prinzipiell nie mehr ausgeglichen oder geheilt werden.Wo ist die moralische Rechtfertigung dafür?

Letztlich heißt das, daß unser Modell für die Entwicklung der Entwicklungsländereine Farce ist: Nie und nimmer kann es das Ziel sein, den Lebensstil der Industrieländer auf die gesamte Welt zu übertragen. Das ist, wie wir am Beispiel Öl gezeigt haben, schlicht nicht möglich und würde außerdem innerhalb weniger Jahre zum Kollaps führen. Die Meinung, dienichtindustrialisierten Länder brauchten nur endlich so "tüchtig" zu werden wie wir, und dann würde es schon gerecht zugehen, entbehrt jeder Grundlage. Erst wenn wir verinnerlicht haben, daß wir uns auf Basis des "Verzichtes" der Entwicklungsländer ein angenehmes Leben leisten, werden wir offen sein, hier einProblem zu akzeptieren.

Noch drastischer ist die Benachteiligung in Bezug auf künftige Generationen. So nutzen heute einige wenige Generationen die in Jahrmillionen angesammelten Bodenschätze. Mit welchem Recht beuten wir heute die nicht erneuerbaren Vorräte der Erde aus? Die Rechtfertigung kann sicher nicht über die Berufung auf den "Markt" erfolgen. Der Markt spiegelt keine langfristigen Knappheiten, allein schon deswegen nicht, weil künftige Generationen nicht ihre Preisgebote auf dem Markt für Öl abgeben können - vielleicht wären sie bereit, mehr zu bezahlen als wir... Sie werden, so wie die Dinge stehen, aus den fossilen Energien nur noch wenig Nutzen ziehen können, und müssen trotzdem die Folgen unserer Lebensweise tragen. Diese Problematik der Verteilungsgerechtigkeit wird heute am Beispiel des Erdöls konkret erlebbar, gilt aber in zeitlich nur geringfügig geändertem Rahmenebenso für Erdgas, Kohle und nukleare Brennstoffe.

Nachhaltiger oder zukunftsfähiger Umgang mit Energie

In einer endlichen Welt kann nichts unendlich wachsen. Das gilt für den Rohstoffverbrauch ebenso wie für die Produktion materieller Güter. Ein langfristig verträglicher Umgang mit der Natur kann nur im Gleichgewicht von Verbrauch und Erzeugung stattfinden. Wir können unseren Energieverbrauch auf Dauer nicht durch Vorratsenergie, also durch Bodenschätze, decken, sondern nur über einen uns ständig zugeführten Energiefluß, also die Sonne.

Was dies tatsächlich bedeutet, sei im folgenden Vergleich zweier erd- und menschheitsgeschichtlicher Entwicklungssprünge - eines natürlichen mit einem anthropogenen - skizziert:

In der weiteren Vergangenheit vor etwa 2 Mrd. Jahren war die Entdeckung der Photosynthese durch Pflanzen die Voraussetzung für die weitere Entwicklungsgeschichteder Erde: Erst der Übergang von der Methanogenese - also der Energiegewinnung der Mikroorganismen durch den Umsatz von Wasserstoff und Kohlendioxid zu Methan und Wasser - zur wesentlich effizienteren Photosynthese - also der Energiegewinnung der Mikroorganismen durch Sonnenlicht - erlaubte in relativ kurzer Zeit die Entwicklung einer derartigen Artenvielfalt, wie wir sie bis vor kurzem noch erlebten. Daß wir heute von einer drastischen Dezimierung dieser Vielfalt innerhalb weniger Jahrzehnte sprechen müssen, sei hier nur angemerkt.

Bei diesem Entwicklungssprung wurde die Kreislaufwirtschaft in die Natur "eingeführt": Ausgangs- und Endprodukte der Photosynthese werden immer wieder ineinanderumgewandelt, wobei die treibende Kraft die Sonnenenergie ist. Dies bildete den Schlüssel für die Beschleunigung der Evolution. Die Autotrophen mit der Methanogenese hingegen verbrauchten das Reservoir an vorhandenem Wasserstoff. Damit war ihre Entwicklungsfähigkeit durch das Angebot an Wasserstoff, der fast ausschließlich durch vulkanische Aktivitäten nachgeliefert wurde, begrenzt.

Anders hingegen in der jüngeren menschlichen Vergangenheit: Bis vor etwa 200 Jahren wurden fast alle menschlichen Energieumsätze durch die Sonne angetrieben:

- Die direkte Sonnenstrahlung diente der Erzeugung von Niedertemperaturwärme, z.B. zum Wäschetrocknen oder dem Erwärmen von Wohnraum,

- Biomasse diente zum Feuermachen und damit der Erzeugung von Prozeßwärme,

- Wind- und Wasserkraft wurden zur Verrichtung von Arbeit eingesetzt, und

- letztlich wurde wesentliche Arbeit durch Muskelkraft von Mensch und Tier verrichtet.

Erst die durch die Nutzung von Kohle, Öl und Gas möglichen hohen Energieumsätze ermöglichten die Industrialisierung in dem bekannten Ausmaß - mit einer nie dagewesenen Änderungsgeschwindigkeit vieler Entwicklungen wie Bevölkerungswachstum, mechanisch angetriebene Verkehrsmittel, Verschwendung von Ressourcen, Beeinträchtigung der Umwelt.

Die Nutzung des unbegrenzten Energieflusses der Sonne, der auf niedrigem Niveau mit einer geringen Energiedichte erfolgte, wurde gegen die Nutzung eines Vorratsenergieträgers eingetauscht. Damit aber stimmen die Voraussetzungen für ein langfristiges Wachstum nicht mehr. Es wird ein ungesundes Wachstum, das zwar kurzfristig höhere Energieumsätze erlaubt, dessen zeitliche Grenze aber absehbar wird. Wir leben sozusagen "über unsere Verhältnisse". Früher, als die Belastungsgrenzen des Ökosystems der Erde zumindest global unerreichbar erschienen, wurde die Frage nach der Lebensfähigkeit eines Systems nie gestellt. Es wurde a priori unterstellt, daß das kurzfristig erfolgreiche System auch das langfristig richtige ist. Es ist zwangsläufig, daß wir uns nach Ausbeutung dieser Ressourcen durch wenige Generationen wieder auf einen langfristig verträglichen Weg begeben müssen.

Wie hätte wohl eine Entwicklung ausgesehen, die - aus welchen Gründen auch immer- auf dieses "Zwischenhoch der Energievorräte" verzichtet hätte und statt dessenkontinuierlich ihren Energiebedarf dem durch effizientere Techniken möglichen Energieangebot der Sonne angepaßt hätte. Zweifelsohne wäre diese Entwicklung wesentlich langsamer vor sich gegangen. Aber vermutlich wäre auch viel mehr Zeit gewesen, Irrwege und Sackgassen bereits auf lokaler Ebene zu erkennen und ohne globale Auswirkungen zu korrigieren. Unstrittig ist, daß das heutige Lebensniveau auch mit einer rein auf Sonnenenergie basierenden Energiewirtschaft erreicht werden kann.

Tragfähigkeit (Wieviel Energieumsatz verträgt die Erde?)

Das Ökosystem der Erde verträgt nicht jeden beliebig hohen vom Menschen verursachten Umsatz von Energie. Dieser wenig beachtete Umstand fordert eine weitere Begrenzung, die unter dem Begriff Suffizienz zusammengefaßt wird. Nachhaltige Wirtschaftsweise bedeutet auch, Energieumsätze zu begrenzen. Dies mag zunächst verwirren, da wir uns doch viel mehr darum sorgen, möglichst hohe Energiedichten zu erreichen. Doch mit grundsätzlichen Überlegungen läßt sich zeigen, daß eine Wirtschaftsweise, die jedem Menschen einen höheren Dauer-Energieumsatz als etwa 1-2 kW zubilligt, dauerhaft nicht verträglich ist. Und wer mit dem Begriff Suffizienz eine eingeschränkte, asketische oder freudlose Lebensweise verbindet, der mag sich vor Augen halten, daß eben dieser geforderte Energieumsatz dem Wohlstand der Schweiz zu Ende der 60er Jahre zugrunde lag, sofern man gegenüber damals um den Faktor zwei effizientere Technologien unterstellt. Ist dies eine unzumutbare Einschränkung, daß man derartigen Wohlstand der ganzen Welt zumutet?

In unserem Zusammenhang möchten wir diesen Aspekt aber nur anreißen und auf die Ausführungen von anderen Autoren verweisen [7].

7. Wie geht die Politik mit diesem Thema um

Es ist erstaunlich, daß die Politik sich dieses für unsere Volkswirtschaften zentralen Themas nicht vorrangig annimmt. Unseres Erachtens fand der bisher einzige ernsthafte Versuch in dieser Richtung im Jahre 1980 mit der umfassenden Bestandsaufnahme des Berichtes "Global 2000" in den Vereinigten Staaten statt. In anderen Ländern hat man sich entweder diesen Erkenntnissen angeschlossen - oder mangels eigener Informationsquellen rückte das Interesse in den Hintergrund.

In Deutschland gibt es eine Behörde, deren Aufgabe es ist, sich mit der Ressourcenproblematik zu befassen und die Entwicklungen für die Bundesregierung zu beobachten. Dies ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Ressourcen in Hannover, eine Behörde, die dem Bundeswirtschaftsministerium nachgeordnet ist. Ihr letzter breit angelegter und veröffentlichter Bericht stammt aus dem Jahr 1995 [8]. Daneben gibt es einige Zeitschriftenaufsätze aus jüngerer Zeit. In den Berichten wird zunehmend deutlich auf die anstehende Problematik hingewiesen - in einem dieser Aufsätze findet sich die Warnung "...there is certainly trouble ahead..." [6]. Um so erstaunlicher ist es, daß die Hinweise bei der Bundesregierung, aber auch in der Öffentlichkeit, keine Resonanz finden. Ausgerechnet die Einschätzungen derjenigen Stelle, die mit der größten Autorität und mit der größten Kompetenz ausgestattet ist, werden mißachtet. Dies erlaubt eigentlich nur denSchluß, daß die Politiker lieber ihren Vorurteilen oder den Einflüsterungen von Lobbyisten folgen.

Deutschland ist ein Beispiel für ein Land, das praktisch vollständig auf Ölimporte angewiesen ist, und in dem die Möglichkeiten der unabhängigen Beschaffung von originären Informationen über die Ölvorräte der Welt sicher beschränkt sind. Wie aber schätzen die großen Förderländer die Lage ein, die doch mindestens ihre eigene Situation kennen? Dazu drei Beispiele: Texas, Norwegen und Naher Osten.

Texas importiert seit wenigen Jahren mehr Erdöl, als es selbst produziert - nachdem dieses Land vorher jahrzehntelang die Welt beliefert hat. Dies ist ein Kulturschock für Texas, für einen Bundesstaat, dessen Öl im Zweiten Weltkrieg die Landung der Alliierten Truppen in der Normandie erst möglich gemacht hat. Es gibt deutliche Anzeichen, daß sich einige Leute in Texas inzwischen ernsthaft mit den Möglichkeiten erneuerbarer Energien auseinandersetzen: Nachdemdas Öl nun merklich zu Ende geht, lautet das neue Motto "infinite power". In Texas wird die Gefährdung des "american way of life" zunehmend empfunden.

Norwegen, das Öl-Dorado Europas, mag als zweites Beispiel dienen: Hier wird das Fördermaximum innerhalb der kommenden 2 bis 3 Jahre erwartet. Eine Erschließung neuer Ölfelder wird an dieser Situation nur wenig ändern können. Folgerichtig zeigen sich im Parlament erste Anzeichen einer Diskussion über die richtige Vorgehensweise. Große Ölfirmen möchten aus Eigeninteresse die Erschließung neuer Felder möglichst schnell vorantreiben, die Regierung möchte dagegen die Neuerschließungen verzögern. Erstmals wird dies mit einem notwendigen Strecken der Reserven begründet.

Im Nahen Osten ist aus vielleicht naheliegenden Gründen die Debatte noch nicht so weit wie in Norwegen. Aber ganz offensichtlich handeln die OPEC-Staaten im Augenblick gegen ihr eigenes wirtschaftliches Interesse, wenn sie kurzfristig die Förderquoten erhöhen, wie jüngst geschehen. So führte diese Erhöhung zu einem Preissturz, der in Summe den OPEC-Staaten ein geringeres Einkommen bescherte als vorher. Es ist offensichtlich, daß im Gegensatz dazu eine Drosselung der Förderung zu einem starken Preisanstieg und damit in Summe zu Mehreinnahmen der Ölstaaten führen würde. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis die OPEC-Staaten ihre zunehmende Machtpositionin dieser Richtung nutzen werden. Es ist wohl nur politisch zu erklären, daß dieOPEC, die inzwischen bezüglich des Beitrags zur Weltölversorgung eine größere Rolle spielt als vor den Weltölkrisen, so wenig aus ihrer Position macht. Eine naheliegende politische Erklärung besteht in der Abhängigkeit vieler Ölpotentaten von ausländischen Beschützern und damit von deren Interessenlagen. Vielleicht aber haben die Ölstaaten im nahen Osten auch nur ein anderes Gefühl für Zeit, denn es ist nur noch eine Frage weniger Jahre, bis sich ihre Marktmacht weiter steigern wird, und dieses Mal nicht nur vorübergehend sondern auf Dauer.

8. Wie geht die Ölindustrie mit diesen Fragen um

Über Jahrzehnte hat es die Branche geschafft, zu diesen Fragen mit einer Stimme zu sprechen. Im vergangenen Jahr wurden erstmals klare Meinungsverschiedenheiten einzelner Konzerne über die künftige Strategie für die Öffentlichkeit erkennbar. Wir werten dies als einen starken Hinweis, daß sich die Branche im Umbruch, in einer Phase der Neuorientierung befindet: Vorreiter und Protagonisten neuer Geschäftsfelder trennen sich von den "Status-quo"-Denkern und Besitzstandswahrern.

Während Exxon als der Exponent des alten Kurses gelten muß, scheren Firmen wie ENRON, BP, Shell oder auch Elf Aquitaine aus dem Unisono-Chor aus.

Keiner jedoch begründet dies mit einer angespannten Reservelage. Im Gegenteil, die nüchtern veröffentlichten Statistiken suggerieren eine unverändert beruhigendeLage. Während Exxon über seine deutsche Tochterfirma Esso die Öffentlichkeit mit Desinformation versorgt ("Auchunsere Urenkel werden noch Auto fahren", "Die weltweiten Ölreserven sind heute so hoch wie nie zuvor"), halten sich Shell und BP dagegen mit weitergehenden Interpretationen bemerkenswert zurück.

Das neue Denken wird auf anderem Feld sichtbar: In der politischen Diskussion umMaßnahmen zur Bekämpfung des Treibhauseffektes gehört ENRON in die vorderste Front der Protagonisten einer Kohlendioxidsteuer. Die Firma war wesentlich an der Gründung einer politischen Lobby ("European Business Council for a Sustainable Energy Future") zur Unterstützung eines strengen Klimaprotokolls beteiligt. Darüber hinaus baut ENRON ein weltweit agierendes Netz miteinander verflochtener Firmen zur Vermarktung von erneuerbaren Energieträgern auf. Gemeinsammit AMOCO wurde die Tochterfirma ENRON Renewables gegründet, diese wiederum eignete sich die Photovoltaik-Produktionsfirma SOLAREX an, und übernahm bereits vor einigen Jahren den größten amerikanischen Windenergieproduzenten Zond. In Deutschland wurde erst vor kurzem der Windanlagenproduzent Tacke übernommen und zur Drehscheibe europäischer Aktivitäten ausgebaut.

BP überraschte die Öffentlichkeit im Sommer 1997 mit einer denkwürdigen Rede desVorstandsvorsitzenden John Browne. Im Vorfeld der Klimaverhandlungen von Kioto wurde erstmals von einem Mineralölkonzern erklärt, daß die Sorge um den Treibhauseffekt sehr ernst genommen werden müsse und BP diese Sorge teile. Auch wenn man noch keine Beweise für die Zusammenhänge habe, so gebiete das Vorsorgeprinzip, aktiv zu werden und zu handeln. Kurz vorher war der Mineralölkonzern aus der Global Climate Coalition - einer Lobby der amerikanischen Öl- und Automobilindustrie zur Verhinderung politischer Maßnahmen für den Schutz des Klimas - ausgetreten, da er seine Interessen nicht mehr adäquat vertreten sah. Diese beiden Aktionen erregten bei Beobachtern großes Aufsehen. Erstmals wurde hier ein Dissens öffentlich ausgetragen.

BP verdient noch kräftig am Ölgeschäft, gleichzeitig werden neue Geschäftsfelderjenseits des Öls erschlossen. BP gehört inzwischen zu den weltgrößten Produzenten von Solarzellen, und dies gepaart mit einer offensiven Vermarktungsstrategie. Anfang 1998 wurde in Kalifornien dieweltweit erste größere Produktionsanlage von Dünnschichtsolarzellen eröffnet, die die bisherigen Herstellungskosten auf ein Drittel senken soll.

Durch die Brent-Spar-Affäre schwer in die umweltpolitische Defensive gedrängt, schlägt auch Shell neue Töne an. Doch schon 1994 war Shell aufgefallen als der Konzern ein - zwar noch vorsichtig formuliertes - Energieszenario bis in die Mitte des nächsten Jahrhunderts vorgelegt hat. Im Jahr 2050 wurde hier die Deckung unseres Energiebedarfs zur Hälfte durch Sonnenenergie für möglich gehalten. Ein Szenario, das bis dato nur von Umweltgruppierungen in Erwägung gezogen worden war.

Im Gefolge der "neuen" Politik von BP erklärte plötzlich auch Shell, daß das Treibhausthema ernst zu nehmen sei. Die Wortwahl in der Rechtfertigung einer Sorge gleicht erstaunlich derjenigen von BP. Kurz vor der Klimakonferenz in Kioto kam dann eine weitere Offensive: Shell verkündete die Gründung eines fünften, gleichberechtigten Geschäftsbereiches, der ausschließlich die Produktion und Vermarktung von erneuerbaren Energietechniken verfolgen soll. Erklärtes Ziel istes, bis zum Jahr 2010 einen Marktanteil von 10 % am Photovoltaik-Weltmarkt zu erreichen. Der gesamte Geschäftsbereich wird mit großem Kapitaleinsatz ausgebaut. Daneben besitzt Shell die weltweit größten Waldreserven und engagiert sich in der Nutzung von Biomasse zu energetischenund chemischen Zwecken. Anfang diesen Jahres wurde gar vom Vorstand eine Umweltsteuer auf Mineralöl für akzeptabel erklärt.

Die hier skizzierten "Ausreisser" aus der alten Einheitsfront der Mineralölindustrie bilden bisher noch die Ausnahme. Die meisten Mineralölkonzerne halten weiterhin an der alten Politik fest.

Auch für Außenstehende wird das doch drastische und auf den ersten Blick unglaubwürdige Umschwenken der großen Konzerne BP, Shell und ENRON plausibel, wenn man es vor dem skizzierten Hintergrund eines mittel- und langfristig zurückgehenden Ölmarktes betrachtet. Nicht daß derMarkt in den nächsten Jahren zusammenbrechen wird - aber die Randbedingungen werden sich derart verändern, daß das neue Geschäft mit regenerativen Energietechniken einfach kommen wird. Es wird zunehmend lukrativer werden, in den Aufbau erneuerbarer Energietechniken zu investieren als in die Erschließung neuer, immer kleiner und unzugänglich werdender Ölfelder. Hier möchten einige Firmen anvorderster Front dabei sein.

9. Ausblick

Die nächsten Jahre bis zum Erreichen des weltweiten Fördermaximums wird es wahrscheinlich noch eine Serie von heftigen Preisausschlägen nach oben und nach unten geben. Erst nach dem Überschreiten des Fördermaximums wird die Instabilität der Ölpreise wohl beendet sein. Der Markt spiegelt dann die langfristigen Knappheiten wider. Das Ölpreis-Niveau wird deutlich höher sein als heute. Damit entsteht für Verbraucher und Investoren ein langfristiges Signal, und man wird versuchen, Öl systematisch durch andere Energieträger zu ersetzen. Wie schnell diese Anpassungsprozesse sein werden, und welchen Effekt sie auf das Preisniveau haben werden, ist im Detail nicht vorherzusagen. Wir glauben, daß die Einsparpotentiale sehr viel größer sind als man gemeinhin annimmt. Man denke nur an das Beispiel Auto. Es ist kaum mehr als eine Frage der Gewohnheit und der gesellschaftlichen Wertschätzung, ob man etwa große Autos durch kleine ersetzt. Der eigentliche Gebrauchsnutzen ist wenig beeinflußt.

Langfristig wird Öl als Energieträger immer weniger wichtig werden. Die Reichweite von Öl wird keine praktisch relevante Bedeutung mehr besitzen. Vermutlich wirdman irgendwann aufhören, Öl in größerem Umfang zu fördern, so wie man auch in Deutschland dabei ist, mit der Kohleförderung aufzuhören, obwohl noch reichlich Kohle in der Erde liegt.

Es ist ganz wichtig, daß die Endlichkeit des Öls als ein aktuelles Problem wahrgenommen wird und nicht als eines, das man erst in einigen Jahrzehnten ernsthaft angehen muß. Erst dann kommt in die Köpfe, daß wir mit einem grundlegenden Umbau unserer Energieversorgung jetzt beginnen müssen, schnell beginnnen müssen, und daß es dazu keine Alternativen gibt.

Für uns erklären die geschilderten Zusammenhänge auch hinreichend, warum z.B. eine so große und mächtige Firma wie Shell eben nicht in Kernenergie, sondern zunehmend gleich in erneuerbare Energien investiert. Wir können gerade beobachten, wie einige der großen Öl- und Gaskonzerne dabei sind, die Weichen für eine regenerative Energiezukunft zu stellen. Man kann diesen Firmen nicht vorwerfen, daß sie die Öffentlichkeit nicht mit der Nase darauf stoßen, daß bald ein neues Spiel gespielt werden wird. Natürlich möchte man parallel dazu die zeitliche Lücke - bis die Erneuerbaren einen Großteil der Energieversorgung übernehmen können, das Ende der Verfügbarkeit vonErdöl aber bereits deutlich wird - durch einen kräftigen Beitrag des Erdgases nutzen. Die entsprechenden Investitionen sind schnell abgeschrieben, daher lohnt aus der Sicht der Firmen auch ein Engagement für relativ kurze Zeitspannen.

Die große gesellschaftliche Aufgabe, die gangbaren Alternativen zu finden und zuentwickeln, bedarf der Anstrengung aller. Wir brauchen möglichst viele Optionen im Bereich der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Da wir ja wissen, daß dieser Weg unausweichlich ist, andererseitsdie Marktsignale uns noch einige Jahre in der Illusion wiegen, daß es nicht so sei, ist es eine Aufgabe der Politik, durch eine Besteuerung der fossilen Energien den Strukturwandel zu beschleunigenund weitere Investitionen in die Sackgassen zu verhindern. Doch auch den großen Umweltbewegungen kommt hier die wichtige Aufgabe zu, den Boden für die notwendige Politik zu bereiten.

Literatur

[1] Hubbert, M. King: Nuclear energy and the fossil fuels. Am. Petrol.Inst., Drilling and Production Practice, 1956

[2] Meadows Dennis L.: The Limits of Growth, New York 1972

[3] Council on Environmental Quality [Hrsg.]: The Global 2000 Report to the President, Washington 1980
Deutsche Ausgabe: Global 2000, Frankfurt/Main 1980

[4] Petroconsultants [Hrsg.], Campbell, C.J. und Laherrere J.H.: The World's OilSupply 1930-2050, Geneva 1995

[5] Petroconsultants [Hrsg.], Campbell C.J.: The Coming Oil Crisis, Brentwood (1997)

[6] Hiller, K.: Future World Oil Supplies - Possibilities and Constraints, in:
Erdöl Erdgas Kohle, 113. Jahrgang, Heft 9, September 1997

[7] Dürr, H.-P.: Die 1,5-Kilowatt-Gesellschaft, Global Challenges Network e.V.,
München Oktober 1994

[8] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR): Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 1995, Stuttgart 1995

 
Quelle: ECO-News, D-81371 München
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