Zurück zur ECO-World Startseite

Haftungsausschluss
Impressum
Datenschutzerklärung









  Forum
 
 
HOME | Top-Nachrichten | Essen & Trinken alle Nachrichten
 Hier finden Sie laufend aktuelle Nachrichten aus dem Themenbereich Ökologie.
Wenn Sie Meldungen zu einem bestimmten Thema suchen, steht Ihnen die Navigation links zur Verfügung. - Mit ECO-News, dem Presseverteiler der ECO-World sind Sie immer auf dem Laufenden.

Stichwort    Art 
 ECO-News - die grüne Presseagentur
Presse-Stelle:  ECO-News Deutschland, D-81371 München
Rubrik:Essen & Trinken    Datum: 16.07.2012
EuGH bestätigt Verkaufshürden für Saatgutvielfalt
Kokopelli und Erhalterinitiativen in Europa befürchten Nachteile bei der anstehenden EU-Saatgutrechtsreform
Bei der derzeitigen Überarbeitung des EU-Saatgutrechts spielt das Kokopelli-Urteil des EuGH vom 12. Juli 2012 den Agrarkonzernen in die Hände, so der Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt. Der EuGH bestätigt nämlich das bestehende Saatgutrecht, das die Erhalterorganisationen seit langem kritisieren, weil es zum dramatischen Verlust der Kulturpflanzenvielfalt der vergangenen Jahrzehnte beigetragen hat. Die Pressemitteilung des EuGH, auf die sich viele Kommentare berufen, preist die sogenannte Erhaltungssorten-Richtlinie und verschweigt die große Bedeutung nicht zugelassener Sorten für die landwirtschaftliche Vielfalt. Es dürfen nach wie vor nur zugelassene Sorten verkauft werden. Das Ziel laut EuGH, "schädliches Saatgut" zu verhindern, hat das EU-Saatgutrecht durch seine Begünstigung von Industriesorten mit hohem Bedarf an Agrochemie gründlich verfehlt.

Die seit 2009 geltende Erhaltungssorten-Richtlinie hat die Lage nicht verbessert, sondern verschärft. Bauern, die Saatgut seltener Sorten verkaufen wollen, müssen nicht nur eine Zulassung beantragen, sondern sich mit anderen abstimmen, damit sie eine amtlich vorgegebene Gesamtmenge auf dem Markt nicht überschreiten - "gerade so, als ob es bereits zu viele traditionelle Sorten gäbe. Dabei sind drei Viertel aller Sorten laut Weltlandwirtschaftsorganisation FAO bereits verloren", kommentiert Susanne Gura vom Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt.

Gemüsesorten insbesondere müssen nicht nur zur Zulassung angemeldet werden, sondern die EU schreibt maximale Packungsgrößen vor und verlangt eine Buchführung über jedes verkaufte Gramm Saatgut. Nach Angaben des Gesetzgebers beträgt der Verwaltungsaufwand in Deutschland für den Sortenerhalter zwischen 5,5 und 11 Stunden pro Sorte und Anbausaison, hinzukommen die Zulassungsgebühren. "Für Erhalter, die Hunderte von Sorten allerdings nur in kleinen Mengen verkaufen könnten, ist das ein immenser Aufwand, der über den Verkauf nicht wieder hereinkommt", so Roland Wüst von Freie Saaten. Der kleine Erhalterverein Freie Saaten, der ca. 1200 Sorten pflegt, würde nach der derzeitigen Regelung zwischen 36.000 und 252.000 € Zulassungsgebühren und für Verwaltung jährlich einen Arbeitsaufwand von ( z.B. bei 20 € Brutto-Stundenlohn) zwischen 132.000 und 264.000 € leisten müssen. "Ein solcher Betrag könnte durch die verkauften Mengen keinesfalls erwirtschaftet werden", erläutert Roland Wüst. Die Konsequenz: Nur wenige Sorten wurden bisher angemeldet. Erhalter geben stattdessen Saatgut gegen eine Spende ab und müssen riskieren, dass dies rechtlich als Verkauf gewertet wird.

In Frankreich war die Erhalterorganisation Kokopelli, die dort zahlreiche alte und seltene Sorten pflegt, von der Züchtungsfirma Graines Baumaux wegen Verkaufs von nicht zugelassenen Sorten verklagt worden. Die Vorabentscheidung des EuGH erschwert Kokopellis Verteidigung vor dem zuständigen französischen Gericht. Graines Baumaux, Jahresumsatz 14 Millionen €, verlangt eine Zahlung von 100.000€ und die Einstellung des Verkaufs von Saatgut durch Kokopelli. Das wäre ein schwerer Schlag gegen eine der wichtigsten Erhalterorganisationen in Frankreich.

In ganz Europa bestehen rechtliche Risiken für Erhalter. Erst vor kurzem wurden die Besitzer der Farm Neslinko in Lettland wegen Verkaufs von Saatgut auf einer Gartenclub-Veranstaltung ordnungsrechtlich belangt.
Dass die "Erhaltungssorten-Richtlinie" der biologischen Vielfalt diene, leitet der EuGH lediglich aus dem erklärten Ziel der Richtlinie ab, nicht etwa aus ihren konkreten Regelungen und deren Folgen für die Erhalter von Saatgut traditioneller Sorten. Die von Kokopelli vorgeschlagene Alternative, dass Saatgut-Erzeuger Vielfaltssorten entsprechend etikettiert ohne eine staatliche Zulassung verkaufen dürfen, verwirft der EuGH, weil damit Saatgut verkauft werden könne, "das keine bestmögliche landwirtschaftliche Produktion erlaube." Die "bestmögliche Produktion" sei aber nur durch homogene Sorten gewährleistet, glaubt der EuGH und folgt damit der Sichtweise der mächtigen Agrarkonzerne, die homogene Sorten und Agrochemie als Geschäftsmodell verknüpfen. Homogenität, d.h. genetische Gleichförmigkeit, ist eine Bedingung für die Zulassung. Sie hat zur Verdrängung der traditionellen Sorten mit großer genetischer Breite erheblich beigetragen. Sorten mit großer genetischer Breite jedoch sind gerade heute von großem Wert für die Landwirtschaft, denn sie können sich ohne chemische Hilfsmittel an unterschiedliche Herausforderungen anpassen. Dass der Einsatz von Agrarchemie eben nicht die "bestmögliche landwirtschaftliche Produktion" ist, hat sich nach mehreren Jahrzehnten längst erwiesen, betonen Kokopelli und viele weitere Fachorganisationen in Europa und anderswo. Wie zum Hohn will das Saatgutrecht laut EuGH "schädliches Saatgut" von den Äckern Europas fernhalten.

Die höchste europäische Rechtsinstanz hat ihr Urteil aus der Sichtweise der Agrarkonzerne abgeleitet und sogar unüblicherweise das eigene Gutachten, den Schlussantrag der Generalanwältin Kokott verworfen. "Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, der offensichtlich dazu beitragen soll, Forderungen der Erhalterorganisationen eine Absage zu erteilen", so der Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt. Das Urteil, vom Saatgutindustrieverband ESA zufrieden begrüßt, ist im Zusammenhang mit der derzeit laufenden - "Better Regulation", d.h. bessere Gesetzgebung genannten - Reform des EU-Saatgutrechtes zu sehen. Laut ESA gehören alte Sorten nicht auf Felder und Gärten, sondern in Genbanken. Saatgut-Erhalterinitiativen fordern unter anderem rechtssichere Möglichkeiten, Saatgut traditioneller Sorten ohne jeden bürokratischen Vorgang direkt an nicht-kommerzielle Nutzer zu verkaufen. Sie pflegen ein essenzielles Welterbe der Menschheit und wollen die Kosten dafür decken können. Das EuGH-Urteil, das nach einer fundamentalen Kritik durch seine Gutachterin nun in einer Kehrtwende die bestehenden Regelungen bestätigt hat, ist nicht Hilfe, sondern Hindernis für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt.

Link zum Urteil des EuGH: curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-59/11
Link zur Pressemitteilung des EuGH: curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-07/cp120097de.pdf
Link zu Kokopelli: kokopelli-semences.fr

Weitere Informationen:
Dr. Susanne Gura, Tel.: 0049 177 669 1400, Email: gura@dinse.net
Roland Wüst, Freie Saaten e.V. Tel.: 06324966061, Email: mail@freie-saaten.org; www.freie-saaten.org/
Im Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e.V. haben sich 15 Organisationen zusammengeschlossen, die die landwirtschaftliche Biodiversität in der Kulturlandschaft stärken wollen. Tätigkeitsschwerpunkte sind Vernetzung, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit; politische Interessenvertretung; sowie Austausch mit relevanten wissenschaftlichen und Umweltorganisationen im In- und Ausland. www.kulturpflanzen-nutztiervielfalt.de


Diskussion

  Login



 
 
  Aktuelle News
  RSS-Feed einrichten
Keine Meldung mehr verpassen

10.07.2025
Pirelli: Erster Serienreifen mit mehr als 70 % bio-basierten und recycelten Materialien Der für JLR entwickelte P Zero wird aus Materialien wie Silica aus Reisschalen, recyceltem Stahl und FSCTM-zertifiziertem Naturkautschuk hergestellt


09.07.2025
VIDAKAFE: Kaffee mit Mehrwert für Körper und Alltag Funktioneller Specialty Kaffee, entwickelt für gesundheitsbewusste Menschen mit Geschmack


08.07.2025
"Aktion Käferkarawane der Evangelischen Kirche der Pfalz zeigt, dass jeder beim Naturschutz mitmachen kann" Nach drei Jahren Projektlaufzeit gibt es eine beeindruckende Erfolgsbilanz

07.07.2025
Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie mitten im Jubiläumsjahr DGS feiert 50-jähriges Bestehen ++ Delegiertenversammlung wählt neues Präsidium ++ Feiern, Anerkennung und Ziele


BÖLW zum Bundeshaushalt: Bio-Forschung weiter stärken! Forschungsbudget an wachsende Bio-Nachfrage anpassen

Forderung aus Hessen, Bayern, Sachsen und Berlin: Günstigen Erhaltungszustand beim Wolf feststellen

50 Jahre Fairness gestalten - 50 Jahre GEPA - Taste fair world Bundesentwicklungsministerin würdigt die Pionierrolle der GEPA - Festakt mit über 200 Gästen in Wuppertal

Neuer Rekord: 1.000 Fairtrade-Schulen deutschlandweit Immer mehr junge Menschen engagieren sich für fairen Handel


04.07.2025
Clean Industrial Deal Umweltorganisationen fordern konsequente Ausgestaltung für Klimaneutralität und Ressourcenschutz

Igel in Not Klimakrise: Sommerhitze wird zur tödlichen Gefahr


"Blaues Band trifft Grünes Band": Gemeinsam für die Aufwertung der Werra


Douglasien-Wäldchen bei München darf weiterhin nicht für Kiesabbau gerodet werden BN-Erfolg vor Gericht

Gesetzliches Photovoltaik-Ziel 2030 Erst(e) Hälfte ist geschafft


Erstbefund: Höhere Strompreise und eine gefährdete stabile Energieversorgung Neuer ElWG-Entwurf bringt Verunsicherung für über 500.000 Anlagenbetreiber*innen

Wirksamen Schutz vor Waldbränden Die Brände veranschaulichen deutlich, welche Gefahr von der Klimakrise für die innere Sicherheit in Deutschland ausgeht

Neue Logix Studie: Logistikimmobilien können signifikanten Beitrag zur Kommunalen Wärmewende leisten Vielfältige Potenziale von Logistikimmobilien bei der Unterstützung der Wärme- und Energiewende


Seit 15 Jahren: ÖDP-Initiative sorgt für rauchfreie Restaurants und Kneipen Mit Volksentscheid initiierte die Naturschutzpartei ÖDP Gesundheitsschutz in Restaurants für alle.


03.07.2025
Subventionen auf fossile Energienutzung schaden Wohlstand, Fiskus und Klima Neue ZEW-Studie zeigt Potenzial für Klimaschutz und wirtschaftlichen Fortschritt


Globale Gerechtigkeit jetzt umsetzen: Klare Schritte nach UN-Entwicklungskonferenz nötig

Neue Gas-Öfen trotz Hitzewelle: Regierung verweigert Politik fürs Volk Zu heiß für kühle Köpfe? ÖDP kritisiert "Kopf-in-den-Sand-Politik" statt kluger Klimaschutz-Entscheidungen durch die Merz-Mannschaft.