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Politik   
Michail Gorbatschow: "Eine Charta für die Erde"
Franz Alt im Gespräch mit dem Präsidenten des Grünen Kreuzes
Franz Alt: Herr Gorbatschow, als Präsident des Internationalen Grünen Kreuzes haben Sie angekündigt, eine "Charta für die Erde" zu veröffentlichen. Was ist derInhalt?

Michail
Gorbatschow:
Das werden die neuen 10 Gebote - das Neue Testament der Ökologie. Wir haben die Erde überlastet und überfordert. Dies gilt für die ganze Natur - für den Boden, für die Luft und für das Wasser. Wir haben beim "Grünen Kreuz" viele Jahre alle verfügbaren Informationen gesammelt. Die wichtigste Aufgabe der Weltpolitik in neuen Jahrhundert ist die Umweltpolitik, die Bewahrung der Schöpfung. Die Zeit dafür ist knapp.

Wir müssen uns klarmachen, dass auch die Wirtschaft wichtig ist, wenn es um wirksame Umweltpolitik geht. Aber am wichtigsten ist, dass die Menschen umdenken und umhandeln.
Politik wird von allen Menschen beeinflusst - auch Umweltpolitik. Wenn den Menschen bewusst wird, was mit der Natur vor sich geht, werden sie den entscheidenden Einfluss darauf nehmen, den Zerstörungsprozess zu stoppen. Die Erde kann auch ohne Menschen auskommen, aber wir Menschen nicht ohne die Erde.
Wichtig ist auch, ein Verbot aller Atomwaffen zu erreichen. Alle Atomwaffen müssen in der Zukunft verschwinden. Wir müssen sie ausrotten, sonst werden wir selbst ausgerottet.
Die Erdcharta soll das Gewissen der Menschheit schärfen. Dafür wollen wir alle politischen Philosophien und alle Religionen zusammenführen.

Franz Alt: Die Globalisierung der Wirtschaft hat zur Folge, dass zur Zeit Profit und Kapital wichtiger sind als Arbeitsplätze und Umwelt. Soll Ihre Erdcharta ein Gegengewicht gegen die aktuelle Globalisierung bilden?

Michail
Gorbatschow:
Die Wirtschaft tut alles, um noch mehr Profit zu bekommen. Wichtig ist, dass auch die Wirtschaft hilft, die Natur zu bewahren. Die Wirtschaft muss lernen, in Natur und Naturerhalt zu investieren. Wir dürfen die Wirtschaft nicht als Feind betrachten. Wir müssen vielmehr andere Wirtschaftsformen entwickeln, die sozial und ökologisch verträglich sind. Der Fundamentalismus der Globalisierer ist genauso gefährlich wie der islamische Fundamentalismus oder der kommunistische Fundamentalismus. Nur durch eine geistige Perestroika vieler Menschen werden wir Einfluss auf die Wirtschaft nehmen können, damit diese sozial und ökologisch arbeitet. Die wichtigste Herausforderung unserer Zeit ist die ökologische Herausforderung.

Franz Alt: Kennen Sie eine politische Philosophie, welche eine ausschließlich profitorientierte Globalisierung stoppen könnte?



Michail
Gorbatschow:
Eine solche Philosophie bildet sich jetzt weltweit - es ist eine Philosophie der Verantwortlichkeit. Diese Philosophie ist mit dem Sozialdarwinismus nicht einverstanden, wonach nur die Starken überleben und die Schwachen untergehen werden. Die humanistische Philosophie meint, dass wir unsere Lebensweise ändern müssen und können. Dabei werden uns hauptsächlich die Religionen behilflich sein. Das Positive und Konstruktive aller Religionen kann uns bei der Transformation der konsumistischen Lebensweise helfen. Dass meint auch der Papst.

Franz Alt: Michail Sergejewitsch, Sie sagen, die sozialistischen Ideen werden nicht untergehen. Was sind für Sie heute sozialistische Ideen?

Michail
Gorbatschow:
Die Zeit des klassischen Gegensatzes Kapitalismus und Kommunismus ist endgültig vorbei. Das ist Vergangenheit. Wir brauchen im neuen Jahrhundert andere Werte, hauptsächlich Freiheit und die Fähigkeit, unvoreingenommen die Zukunft zu gestalten. Ohne Freiheit kann der Mensch kein Mensch sein. Ohne Freiheit gibt es keinen wirklichen Fortschritt. Aber der Staat muss regulieren, um die Natur zu schützen, die sozialen Probleme zu lösen und die Kluft zwischen Armund Reich zu verringern. Gerechtigkeit, Solidarität und Ökologie: Das verstehe ich heute unter sozialistischen Werten. Die Zeit ist reif für diese neuen, alten Werte. Die USA verbrauchen heute 40 Prozent aller Ressourcen der Welt. Das hat keine Zukunft - das geht einfach nicht. Das wissen auch die Amerikaner. Es beginnt gerade jetzt die Zeit einer neuen weltweiten Verantwortlichkeit.

Franz Alt: Sie haben in einem Interview gesagt, die sozialistischen Ideen des Jesus von Nazareth werden Zukunft haben. Was meinen Sie damit?

Michail
Gorbatschow:
Brüderlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit. Davon bin ich fest überzeugt. Wenn Sie das nicht glauben, dann müssen Sie Jesus und Karl Marx lesen, beide wurden verkannt und falsch verstanden. Wir brauchen ihre Werte - wir brauchen mehr Jesus und mehr wirklichen Karl Marx. Jesus und Marx sind die wichtigsten Ideengeber unserer Zeit. Wir sind nur Ausführende.

Franz Alt: Sie sind zur Zeit dabei, eine neue sozialdemokratische Partei in Russland zu gründen. Wollen Sie deren Vorsitzender werden?

Michail
Gorbatschow:
Gerade diese Partei vereinigt die Werte, über die wir soeben sprachen. Das bisherige Fehlen einer starken sozialdemokratischen Partei ist schädlich für Russland. Wenn meine neuen Parteifreunde es wollen, dann bin ich bereit, den Vorsitz zu übernehmen. Ich stelle mich noch einmal dieser Verantwortung. Auch die internationale Sozialdemokratie ist an einer starken russischen sozialdemokratischen Partei interessiert. Ich hoffe, damit auch die Sozialdemokratie in der ganzen Welt zu stärken.

Franz Alt: Warum soll gerade jetzt die Sozialdemokratie für Russland wichtig sein?

Michail
Gorbatschow:
Ich spüre bei meinen derzeitigen Auftritten im ganzen Land, das die Zeit dafür reif ist. Ich bekomme Unterstützung aus der gesamten Gesellschaft, von Arbeitern und Unternehmern, von seriösen Bankern und Ingenieuren, von jungen und von alten Menschen. Dabei weiß ich, dass mein neuer Weg alles andere als einfach sein wird.

Dieses Gespräch brachte der Fernsehsender 3 SAT (www.3Sat.de) am 16. Februar
um 20:15 Uhr zum Auftakt des neuen Drei-Länder-Magazins "Grenzenlos".
Moderator ist Franz Alt.




 
Quelle: Dr. Franz Alt Journalist, D-76530 Baden-Baden
http://www.sonnenseite.com
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