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Grüner Wohnen - Teil 1
Text: Ulf Lüdeke
Alle reden von der Energiewende. Da lohnt es, hinzuschauen, wo am meisten Energie verbraucht wird: in den Häusern. Wir zeigen, wie moderne Architektur Ökonomie, Ökologie und Ästhetik in Einklang bringt und worauf es bei der Sanierung von Altbauten ankommt.

Foto: © Stefan Müller-Naumann, Dagmar Flex/ Knesebeck BmbH & Co Verlag KG
Rolf Disch war als ökologischer Visionär den meisten anderen Menschen schon immer um Längen voraus. Als der Solararchitekt 1994 sein Heliotrop bezog, ein Haus das fünfmal mehr Energie produziert als seine Bewohner verbrauchen, wurde dies schnell zur Weltsensation. Die zylindrische, dreigeschossige, perfekt gedämmte Konstruktion, die im Schoß der Freiburger Weinberge zwischen Rebstöcken futuristisch wie ein überdimensionaler Satellit mit großem Sonnensegel kauert, hatte sein Schöpfer einem Baum nachempfunden. Die Solarpaneele folgen der Sonne wie Blätter, um ihre Energie aufzusaugen, die Etagen darunter können sich um die eigene Achse drehen, je nach Belieben und Jahreszeit mehr oder weniger Sonnenwärme in die von Holz dominierten Wohnräume lassen.

"Anfangs habe ich gedacht, dass es schneller ginge. Und es ist bedauerlich, dass die Energiewende erst so spät eingeleitet wird. Aber jetzt tut sich wenigstens etwas", lautet die hoffnungsvolle Zwischenbilanz von Öko-Pionier Disch. Selbst das Energiekonzept der Bundesregierung spricht inzwischen eine deutliche Sprache - und erkennt in der Energieoptimierung von Gebäuden "die wichtigste Maßnahme, um den Verbrauch an fossilen Energieträgern nachhaltig zu reduzieren und die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern".

Das Unglück von Fukushima hat darüber hinaus den Wunsch nach einer sichereren und umweltfreundlicheren Energieversorgung in der breiten Masse geweckt und die Politik noch stärker unter Druck gesetzt.

Dass Rolf Dischs 1,5 Millionen Euro teures "Heliotrop" kein Modell für die Masse war, brauchte man am wenigsten ihm selbst zu erklären. Und so baute der heute 67-Jährige mit seinem Team bereits 2006 im Freiburger Stadtteil Vauban die welterste "Plusenergiesiedlung": ein Büro- und Gewerbegebäude, kurz "Sonnenschiff" genannt, sowie 59 Wohnhäuser, die als Modell für Plusenergiesiedlungen in anderen Städten und Gemeinden dienen sollen. Die Chancen, dass die Vision "Plusenergiehäuser für alle" einmal Realität wird, seien gut, meint Disch. "Die erneuerbaren Energien werden immer billiger und effizienter. Und damit sinken auch die Investitionen für Bauherren und das unternehmerische Risiko für die Bauindustrie."

Mit Partnern aus der Wirtschaft arbeitet er nun an einem preisgünstigen modularen Plusenergiehaus. Das Kernstück ist die "Powerbox" - eine vorgefertigte Raumzelle, die mit einem Technikraum das Herzstück des Hauses darstellt. Dort befinden sich Solarstation, Wärmespeicher und Wärmerückgewinnung, Elektroverteiler und Zähler zur Steuerung aller Strom-, Wasser-, Wärme- und Luftkreisläufe. In der Powerbox sind auch Eingangsbereich und Treppenaufgänge des Hauses integriert. Bad, Küche und WCs gehören ebenfalls dazu oder grenzen in den weiteren Modulen direkt an die Powerbox. Im Baukastensystem lassen sich ein-, zwei- oder dreistöckige Gebäude um die Powerbox herum errichten, je nach Nutzung reine Wohnhäuser, Gewerbebauten oder Kombinationen. Powerboxen, Gebäudehülle und Dach können ruckzuck innerhalb eines Tages auf der Baustelle montiert werden. Hat sich ein Bauherr für ein Plusenergiehaus entschieden und den Auftrag mit all seinen individuellen Wünschen vergeben, kann er bereits fünf Monate später einziehen.

Das Prinzip eines Plusenergiehauses ist einfach, erläutert Disch: "Spare Energie, nutze sie effizient, erzeuge einen Überschuss an Strom, setze auf die Kraft der Sonne und nutze zu 100 Prozent regenerative Energien". Herzstück des hauseigenen Kraftwerks ist daher eine großflächige Photovoltaikanlage auf dem Dach, solarthermische Kollektoren erwärmen zudem das Brauchwasser. Die gesamte Außenhülle ist möglichst wärmebrückenfrei gedämmt und luftdicht. Ein spezielles Lüftungssystem sorgt laut Disch "für eine permanente Frischluftzufuhr beinahe ohne Wärmeverlust". Heizen muss man praktisch kaum noch. Dennoch ist natürlich eine Heizung eingebaut, zum Beispiel ein Holzpelletofen. Sie sorgt mit für warmes Wasser und bei Bedarf für zusätzliche Wärme in den Räumen.

Foto: © Bruno Helbig/ Knesebeck BmbH & Co Verlag KG
Das Konzept überzeugt auch mit Zahlen. Rechnet man den Energiebetrag des gesamten Gebäudebestandes in Deutschland, der für Heizung, Warmwasser, Haushalts- und Anlagenstrom verbraucht wird, auf die Gebäudefläche um, kommen durchschnittlich 435 kWh pro Quadratmeter und Jahr dabei raus. Vor allem wegen perfekter Dämmung und Wärmerückgewinnung belaufe sich dieser Betrag bei der Plusenergiesiedlung in Freiburg auf lediglich 79 kWh, fand die Bergische Universität Wuppertal in einer Langzeitstudie heraus. Da die Photovoltaikanlagen auf den Dächern im Schnitt jährlich 115 kWh Strom pro Quadratmeter liefern, bleibt sogar noch ein Überschuss von 36 kWh pro Quadratmeter.

Die Energieeinsparung der Solarsiedlung entspricht pro Jahr dem Verbrauch von 200 000 Litern Öl - und verhindert damit die Emission von 500 Tonnen CO2. Die jährlichen Heizkosten (vor allem durch Heizen mit Holzpellets, die sämtlich aus der Region Freiburg kommen) belaufen sich bei einem rund 140 Quadratmeter großen Plusenergiehauses auf etwa 150 Euro statt 2500 Euro für ein vergleichbares, konventionelles Gebäude. Durch das Einspeisen von Solarstrom nimmt jedes Haus etwa 3000 Euro an Einspeisevergütung ein. Wer hier wohnt, ist Energieunternehmer - und unabhängig von den großen Energieversorgern. Bei den Haustypen der neuen Generation lässt sich laut Disch sogar ein Energieüberschuss von bis zu 200 kWh pro Quadratmeter und Jahr erwirtschaften. In zehn bis 15 Jahren sollten die Mehrkosten, die grob bei zehn Prozent lägen, wieder drin sein.

Die Aussicht, dass künftig viele Menschen ihren Strom selbst erzeugen können, befördert nebenbei eine weitere Regierungsinitiative: Sie will den Bau von Elektroautos verstärkt anschieben. So soll sich Deutschland zum weltweiten "Leitmarkt" von Elektroautos entwickeln und dank verstärkter Forschung die Zahl der auf unseren Straßen fahrenden E-Autos bis 2030 auf sechs Millionen Fahrzeuge steigen. Ein ziemlich ehrgeiziges Projekt - betrug die Zahl bei uns zugelassener E-Autos Anfang 2011 doch gerade einmal 2300.

"Alle reden über die Energiewende, wir haben sie bereits vollzogen", schwärmt Wolfgang Schnürer. Der Pensionär hat mit seiner Frau in der Solarsiedlung 2005 eine 130-Quadratmeterwohnung bezogen: "Ein absolutes Wohlfühlhaus. Dazu tragen auch die vielen natürlichen Materialien bei, die verbaut worden sind. Alles ist frei von schädlichen Stoffen. Die Wohnung ist dank ihrer 40 Zentimeter dicken Wanddämmung immer gleich warm, selbst im Winter kann man barfuß auf den Fliesen gehen, obgleich es keine Fußbodenheizung gibt - wichtig für ältere Menschen."

Solarenergiesiedlungen sind für Rolf Disch gleichzeitig auch eine Abkehr von der funktionalen Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz, die der Schweizer Architekt Le Corbusier 1933 federführend entwickelte. Die "Charta von Athen" war die Antwort auf die urbanen Folgen der Industrialisierung, ein neues internationales Leitbild für Städteplanung. In der innovativen Solarsiedlung schrumpfen die Abstände zwischen Wohnung und Einkaufsmöglichkeiten wieder. Wer Glück hat, findet dort sogar einen Arbeitsplatz. Spezielle Wohnbereiche wie beispielsweise für Senioren werden integriert, bei Verkehrswegen wird Fußgängern und Radfahrern Vorrang eingeräumt. Statt grauer Parkplätze findet man in der Freiburger Solarsiedlung Wiesen und Bäume, Spielflächen für Kinder und Treffpunkte für die Bewohner. Viele von ihnen schwärmen, es sei wie im Paradies. Ein schöneres Kompliment kann man einem Architekten wohl nicht machen.

Neubauten stellen aber nur einen kleinen Teil des Einsparpotenzials dar. Die Masse entfällt auf den bereits vorhandenen Hausbestand, denn mehr als 75 Prozent davon sind sanierungsbedürftige Energieschleudern. Satte 40 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Bundesrepublik entfallen aufs Wohnen, und dieser Verbrauch ist verantwortlich für ein Fünftel des gesamten CO2-Ausstoßes - das ist mehr als beim Verkehr. In privaten Haushalten werden rund 85 Prozent der benötigten Energie für Heizung und Warmwasser eingesetzt. Folgerichtig interpretiert die Bundesregierung die Gebäudesanierung als eine der tragenden Säulen des Energiekonzepts, die mindestens so bedeutsam ist wie der Ausstieg aus der Atomenergie und der Umbau der Stromversorgung.

Vom Jahr 2020 an wird es in Deutschland nach EU-Standard stufenweise Pflicht für Hauseigentümer werden, Zielwerte für Energieeffizienz zu erfüllen - so sieht es die nächste Gesetzesnovelle der Energieeinsparungsverordnung EnEV vor, die spätestens 2012 in Kraft treten soll. Mit jeder Novelle werden die Verbrauchsvorgaben für Energie weiter gesenkt. Bis 2050 sollen alle Gebäude in Deutschland "nahezu klimaneutral" sein, ihre benötigte Energie also "nur aus erneuerbaren Energien" beziehen. Eine energieeffiziente Sanierung lohnt sich also längerfristig in jedem Fall. Welche Form aber sollen die Eigentümer wählen: Niedrigenergie-, Passiv- oder Plusenergiehaus?

"Jedes Haus ist, wie seine Bewohner auch, ein Individuum, das individuell behandelt werden muss. Dies gilt auch bei der energetischen Sanierung", sagt der Nürnberger Architekt Burkhard Schulze Darup. "Der erste Schritt beim Sanieren ist es deshalb, einen guten Energieberater hinzuzuziehen - und dann einen Architekten mit entsprechenden Referenzprojekten für energetisches Sanieren."



Energieeinsparverordnung ab 2012

  • Mietern oder Käufern muss bei Vertragsabschluss vom Vermieter oder Verkäufer die Kopie des gültigen Energieausweises vorgelegt werden, der Aufschluss über die Energieeffizienz der Immobilie gibt; in kommerziellen Anzeigen müssen die Kennwerte von Gesamtenergieeffizienz und Primärenergieverbrauch genannt werden.
  • Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm soll wieder aufgestockt werden. Die staatlichen Subventionen waren für 2011 auf nur 437 Millionen Euro zusammengeschrumpft. 2012 sollen 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stehen.
  • Das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien wird ebenfalls aufgestockt. Es richtet sich an Immobilieneigentümer, die beispielsweise eine solarthermische Heizung installieren wollen. Die Förderung soll mindestens eine halbe Milliarde Euro betragen, so der Umweltminister. Weitere Mittel werden in Aussicht gestellt.
  • Die Regierung will ein Förderprogramm "Energetische Städtebausanierung" bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auflegen, das kommunale Energieeffizienzprogramme fördert.
  • Das Mietrecht soll so angepasst werden, dass Vermieter Gebäudesanierungen durch Aufschläge auf die Kaltmiete finanzieren können - ohne Mieterklagen fürchten zu müssen.
  • Die Energiesteuern im Wärmemarkt werden angepasst. Wer viel verbraucht und viel CO2 ausstößt, soll mehr zahlen, wer auf energieeffiziente Lösungen umsteigt, weniger.
  • Ab 2020 müssen die ersten Gebäude saniert werden, zunächst die älteren. Wer die Zielwerte für Gebäudeeffizienz vorzeitig erfüllt, wird belohnt - mit Steuervergünstigungen. Wer eine nötige Sanierung hinauszögert, wird bestraft.




Hier gelangen Sie zum 2. Teil unseres Artikels.

Erschienen in natur+kosmos, Ausgabe Oktober 2011, www.natur.de

Weiterführende Literatur: Joachim Fischer - Grüne Wohnträume
 
 
 
 
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